Norwich Rüße: „Ich erkenne in der Landwirtschaft sehr viel Bereitschaft, neue Wege zu gehen“

Antrag der FDP-Fraktion auf Einsetzung einer Enquete-Kommission "Landwirtschaft"

Portrait Norwich Rüße

Norwich Rüße (GRÜNE): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorab: Vielen Dank an die FDP für das unserer Meinung nach spannende Thema „Landwirtschaft“.
(Henning Höne [FDP]: Bitte!)
Diese Enquetekommission kommt natürlich zur richtigen Zeit. Das ist gar keine Frage, und dazu ist auch schon einiges gesagt worden.
Herr Diekhoff hat, meine ich, das Wort „Agrarwende“ aufgegriffen. Ich glaube, dass dieser Begriff gar nicht so verkehrt ist, weil uns allen klar ist, dass wir in einer Endphase und an einem Punkt angekommen sind, an dem wir sagen, dass wir Landwirtschaft so nicht weiterbetreiben können. Wir haben die entsprechenden Konflikte. Wir wissen, dass wir jedes Jahrzehnt etwa ein Viertel der Bauernhöfe verlieren. Wir können also eigentlich jetzt schon sagen: Ein Viertel der 30.000 bestehenden Betriebe wird in zehn Jahren nicht mehr da sein. – Das ist ein Prozess, den wir so nicht haben wollen. Da sind wir alle uns einig.
Gleichzeitig diskutieren wir seit dem Jahrzehnt, in dem ich schon hier im Landtag bin, darüber, dass wir die Probleme nicht wegkriegen. Es ist eben nicht nur ein Problem der Darstellung gegenüber den Verbraucherinnen und Verbrauchern, sondern tatsächlich sind noch andere Probleme vorhanden.
Die Frage, wie wir Tiere halten, beschäftigt die Menschen heute mehr als vor 30 Jahren, als wir die Richtung eingeschlagen haben, über Tierhaltung zu diskutieren. Daher ist es gut, wenn wir diese Enquetekommission haben, um das Thema aufzugreifen und zu schauen, wohin es sich entwickeln muss.
Zur Problematik der Umweltbelastung: Ja, die Bäuerinnen und Bauern sind auf der Straße. Sie demonstrieren gegen die Düngeverordnung. Die Frage ist, wie man die Umweltbelastung steuern kann. Die Bäuerinnen und Bauern thematisieren auch, ob sie immer richtig behandelt werden.
Ich sage immer wieder, dass das eigentliche Kernproblem dahinter ist, dass sie mit ihren Produkten einfach zu wenig Geld verdienen.
 (Zuruf von Dr. Christian Blex [AfD])
Unsere Landwirtschaft kann sich den Umweltschutz, den wir von ihr erwarten und der auch sein muss, im Prinzip nicht mehr leisten. Das ist ein Armutszeugnis. Dann ist es gut, wenn wir uns mit solch einer Enquetekommission im Landtag auf den Weg machen, um zu prüfen: Wie bekommen wir eine Produktion hin, die das alles miteinander verknüpft? Wie schaffen wir es, für die Landwirte einen Mehrwert zu erzeugen, sodass sie pro Tier tatsächlich wieder mehr einnehmen, als es im Moment der Fall ist?
Wir haben auch gestern kurz darüber diskutiert, und ich habe das Beispiel des Bullenkalbs angesprochen. Wenn ein Kalb einen Wert von 10 Euro hat, dann ist das in der Tat eine Schieflage, die wir so nicht akzeptieren können.
Über die Herausforderungen des Klimaschutzes haben wir noch heute Morgen gesprochen, Stichwort „Kohleausstieg“ usw. Wir alle wissen, dass die Landwirtschaft einen Anteil von etwa 14 % hat. Natürlich wird auch die Landwirtschaft ihren Beitrag leisten müssen. Sie wird klimaeffizienter werden müssen. Das ist sicherlich ein wichtiges Thema.
Herr Diekhoff, da der Begriff „Agrarwende“ von Ihnen nicht geliebt wird, können wir uns für die Landwirtschaft vielleicht auf den Begriff „Zeitenwende“ einigen. Das ist, glaube ich …
(Henning Höne [FDP]: Muss denn immer alles eine Wende sein?)
–  Herr Höne, wenn Probleme groß sind und man in eine neue Richtung wird gehen müssen … Sie lachen ein bisschen darüber.
(Henning Höne [FDP]: Aber mit Ihnen!)
Ich erkenne in der Landwirtschaft sehr viel Bereitschaft, neue Wege zu gehen. Ich sehe, mit wie viel Interesse sich Bäuerinnen und Bauern Offenstallhaltungen ansehen und es als spannend empfinden, was mittlerweile bei diesen Ställen möglich ist; sie haben bezweifelt, dass so etwas funktioniert. Daran besteht ein enormes Interesse. Wir haben Veränderungen vor uns, die man nicht unterschätzen sollte.
Das gilt auch für den Acker. Die Frage der Digitalisierung ist in Ihrem Antrag genannt. Was passiert denn, wenn tatsächlich Roboter in der Lage sind, Unkräuter gezielt zu jäten? Wie wird sich unser Ackerbau an der Stelle verändern? – Das ist Zeitenwende.
Ich nenne Ihnen noch ein anderes Beispiel. Wir sind mit dem Münsterland ein sogenannter Veredelungsstandort. Was passiert denn, wenn sich Laborfleisch tatsächlich durchsetzt? Wenn ein Unternehmen in den USA, ein Start-up, 180 Millionen Euro von Investoren einsammeln kann, um die Frage von in Fabriken erzeugtem Fleisch voranzutreiben, dann wissen diese Investoren doch, warum sie das tun. Jetzt müssen wir überlegen, was das am Ende für unsere Landwirtschaft bedeutet. Wir müssen auch über solche Fragen sprechen. Wir befinden uns in einem Prozess, bei dem wir noch gar nicht genau wissen, wo er schließlich enden wird.
Wir werden Veränderungen bekommen. Aber wie können wir neue Felder für die Landwirtschaft erschließen? Welche Antworten haben wir darauf? Ich bin gespannt, was wir der Landwirtschaft anbieten können, damit sie diesen Weg mitgehen kann.
Thematisch haben Sie drei Blöcke benannt: die Umwelt, die landwirtschaftlichen Betriebe und gesunde Ernährung. Ich finde, das ist umfassend dargestellt. Damit kann man arbeiten.
Insgesamt freuen wir uns als Fraktion. Ich persönlich freue mich auch sehr darauf, in dieser Enquetekommission mitarbeiten zu können. Das wird eine spannende Arbeit. Ich hoffe, dass wir am Ende gemeinsam ein gutes Ergebnis vorlegen können. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der FDP)

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