5G-Ausbau durch Akzeptanzinitiative beschleunigen

Antrag der GRÜNEN im Landtag

I.       Ausgangslage
Die digitale Infrastruktur ist die Lebensader für das 21. Jahrhundert. Wenn der Ausbau weiterhin nur langsam vorankommt, droht das gesellschaftliche Großprojekt der digitalen Transformation zu scheitern. Die Digitalisierung ist jedoch die Triebfeder des sozial-ökologischen Wandels von Wirtschaft und Gesellschaft. Die Vollendung der Energiewende ist abhängig von digitalen Technologien. Die Digitalisierung ist die Grundlage für eine ressourcensparende Produktion und bietet zudem die Möglichkeit, mehr Wertschöpfungskreisläufe zu schließen. Damit diese Prozesse gelingen können, muss heute der Rahmen geschaffen werden, damit auch in Zukunft alle Menschen in Nordrhein-Westfalen vom digitalen Wandel sowie den damit einhergehenden Innovationen profitieren können. Die digitale Infrastruktur ist zudem ein wichtiger Baustein, um gleichwertige Lebensbedingungen zwischen Stadt und Land herzustellen.
Wie immer bei der Etablierung von Großtechnologien wird der Ausbau durch Fragen und Sorgen der Bevölkerung begleitet. Dies gilt derzeit insbesondere für den notwendigen und sinnvollen Ausbau des neuen Mobilfunkstandards 5G.
5G ist der neueste Mobilfunkstandard und bietet bisher unerreichte Möglichkeiten. Durch 5G werden nicht nur erheblich höhere Datenraten erreicht, es wird durch kürzere Signallaufzeiten auch Datenaustausch in Echtzeit ermöglicht. Zudem können Sendeanlagen mit deutlich mehr Geräten gleichzeitig kommunizieren. Damit legt 5G das Fundament für viele technologische Neuerungen wie vernetztes und autonomes Fahren, Smart Farming oder intelligente Stromnetze, die Angebot und Nachfrage intelligent steuern und damit zum Stromsparen und einer erfolgreichen Energiewende beitragen. Insbesondere im Industriebereich und mit Blick auf IoT-Anwendungen besteht schon jetzt große Nachfrage nach 5G.
Die für 5G verwendeten Frequenzen teilen sich in zwei Frequenzbänder auf: Der niedrigere Frequenzraum (FR1) liegt bei unter 6 GHz, die höheren Frequenzen (FR2) liegen bei über  24 GHz. Die bisher genutzten Frequenzen (GSM, UMTS, LTE) liegen im Bereich zwischen 700 MHz und 2,6 GHz. Im Sommer 2019 ist die Versteigerung der Frequenzen aus dem FR1 von 2 GHz und 3,4 GHz bis 3,7 GHz zu Ende gegangen. In der bisher umfangreichsten
Versteigerung von Funkfrequenzen haben die vier Unternehmen Telekom, Vodafone, Telefonica und Drillisch insgesamt 6,55 Milliarden Euro ausgegeben. Wann die FR2- Frequenzen versteigert werden, ist noch offen. Derzeit ist noch keine Auktion geplant.
Neben der Nutzung höherer Frequenzen, durch die erheblich höhere Datenraten erreicht werden, zeichnet sich 5G auch durch die Nutzung neuer Technologien wie dem sogenannten Beamforming aus. Außerdem können mit 5G 10-mal mehr Geräte pro Quadratkilometer bedient und Daten durch eine bis zu 100-mal kürzere Latenzzeit quasi in Echtzeit übermittelt werden. Erste Smartphones mit 5G-Modem werden in Deutschland seit Herbst 2019 verkauft.

Durch das Beamforming wird es laut Bundesamt für Strahlenschutz möglich, Mehrwegeausbreitung besser zu nutzen und Sendeleistung zielgenauer abzugeben. Die zielgenauere Aussendung kann zu niedrigeren Expositionen führen, weil weniger Leistung ungerichtet in die Umgebung abgegeben wird. Beim Empfang kann die Technik dazu beitragen, dass niedrigere Feldstärken für eine Verbindung ausreichen. Zudem steigt die Datenrate, wodurch die Dauer der Verbindung verkürzt werden kann. Dem stehen laut Bundesamt für Strahlenschutz insgesamt steigende Datenübertragungsmengen und damit verbundene Änderungen am Immissionsaufkommen gegenüber.
5G ist in technischer Hinsicht grundsätzlich mit den bisherigen Mobilfunkstandards vergleichbar: bei 5G handelt es sich um eine nicht-ionisierende Strahlung, die die menschliche DNA nicht direkt beeinträchtigt. Eine schädigende Wirkung des Mobilfunks kann innerhalb der gültigen Grenzwerte nicht belegt werden; die Grenzwerte und Messmethoden sind jedenfalls im Frequenzbereich bis 3,6 GhZ auf Basis vieler Studien etabliert. Lediglich bei ionisierender Strahlung können Schädigungen nachgewiesen werden, das allerdings bei deutlich höheren Frequenzen, als sie im Mobilfunk genutzt werden.
Das Bundesamt für Strahlenschutz kommt zu dem Schluss: „Hochfrequente elektromagnetische Felder werden von biologischen Systemen aufgenommen und führen in erster Linie zu einer Erwärmung. Die physikalische Grundlage dieser thermischen Wirkung ist gut bekannt und unstrittig. Fraglich sind mögliche biologische Wirkungen nicht-thermischer Art im Bereich niedriger Intensitäten hochfrequenter Strahlung, deren Existenz bisher wissenschaftlich nicht nachgewiesen wurde, die aber weiterhin intensiv erforscht werden.“ (http://www.bfs.de/DE/themen/emf/hff/wirkung/wirkung_node.html)
Trotz der wissenschaftlichen Befundlage und der langjährigen Forschungsgeschichte ist der Mobilfunk nach wie vor eine in Teilen der Bevölkerung umstrittene Technologie. Um insbesondere den 5G-Ausbau nicht zu behindern, ist es daher erforderlich, eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung herzustellen, über wissenschaftliche Erkenntnisse aufzuklären und sie durch unabhängige Forschung zu vertiefen. Bei konkreten Ausbauprojekten ist es hilfreich, neue Formen der frühzeitigen Bürgerbeteiligung und Bürgerinformation zu etablieren.
Die Landesregierung hat in ihrer 5G-Mobilfunkstrategie Ende 2019 zwar einen „5G- Dialog.NRW“ ins Spiel gebracht, in dessen Rahmen ein Informationsaustausch zwischen den verschiedenen Akteuren im Mobilfunksektor initiiert werden soll. Allerdings reicht diese rein auf Fachgespräche konzentrierte Art des Dialogs nicht aus, um die in Teilen der Bevölkerung vorhandenen Bedenken aufzugreifen. Zielführender ist daher eine breit angelegte 5G- Akzeptanzinitiative, die eine Diskussion mit den Bürgerinnen und Bürger ermöglicht und dezentrale Beteiligungsformate anbietet. Um auch Menschen vor Ort analog erreichen zu können, empfehlen sich aufsuchende Formate wie zum Beispiel eine 5G-Roadshow, die über die Vorteile der Technologie aufklärt, die wissenschaftliche Erkenntnislage über Auswirkungen des Mobilfunks darstellt und für Fragen, Anregungen und Diskussionen mit der breiten Bevölkerung zur Verfügung steht.
Auch die ökologischen Auswirkungen des 5G-Ausbaus sollten beleuchtet und weiter untersucht werden. So wird durch 5G der Kapazitätsbedarf in Rechenzentren steigen, teilweise auch weil zusätzliche dezentrale Rechenzentren erforderlich sein werden, um lokale 5G-Netze zu betreiben. Die hiermit verbundenen ökologischen Herausforderungen sollten bereits heute durch einen entsprechenden Handlungs- und Ordnungsrahmen angegangen werden.

II.      Der Landtag beschließt:

1.      Der Landtag fordert die Landesregierung auf, den Ausbau des 5G-Mobilfunkstandards engagiert und zügig voranzutreiben. Ziel muss der flächendeckende 5G-Ausbau sein, der sich nicht an Haushalte- sondern an Flächenzielen orientiert. Der Landtag fordert die Landesregierung auf, dem Landtag einen Ausbauplan mit konkreten Ausbauzielen vorzulegen, die jeweils mit konkreten Zeitvorgaben hinterlegt sind.
2.      Um den 5G-Ausbau in Nordrhein-Westfalen zu beschleunigen fordert der Landtag die Landesregierung auf, eine landesweite Akzeptanzinitiative für Mobilfunk zu starten. Hierbei sind insbesondere umfassende Informations- und frühzeitige Beteiligungsformate zu nutzen.
3.      Insbesondere sollen im Rahmen einer Roadshow im ganzen Land und an den Standorten für die geplanten 5G-Testfeldern durch Informationsangebote für Bürgerinnen und Bürger die wissenschaftlichen Erkenntnisse über mögliche gesundheitliche und ökologische Implikationen transparent und verständlich aufbereitet und dargestellt werden. Ebenso sollen Vorteile und Anwendungsfelder der 5G-Technologie dargestellt werden.
4.      Der Landtag fordert die Landesregierung auf, im Sinne des Vorsorgeprinzips bestehende Forschung zu den gesundheitlichen und ökologischen Implikationen des Mobilfunks zu vertiefen und die Ergebnisse bereits durchgeführter Studien zu Auswirkungen und Akzeptanz von 5G, soweit sie aus ganz oder teilweise aus öffentlichen Mitteln finanziert wurden, zu veröffentlichen und einen zentralen Zugang zu diesen Studien zum Beispiel über das Landesamt für Natur, Umwelt- und Verbraucherschutz des Landes NRW (LANUV NRW) zu ermöglichen.
5.      Gemeinsam mit den Telekommunikationsnetzanbietern sowie den Betreibern von Rechenzentren sollen Maßnahmen entwickeln, um – etwa durch Green-IT-Strategien – die ökologischen Auswirkungen des durch 5G steigenden Datenverkehrs und damit einhergehend auch gesteigerten Stromverbrauchs abzufedern.