Mehrdad Mostofizadeh: „Wir haben keine Krise in der Bildungspolitik, sondern wir haben hier eine Auseinandersetzung zu führen“

Aktuelle Stunde auf Anträge der SPD-Fraktion zum Zustand der Schulen

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Das hier ist immer noch das Parlament von Nordrhein-Westfalen, Frau Kollegin Schlottmann. Natürlich ist Bildungspolitik ein Politikum, und wir werden uns sehr sachlich, aber auch sehr intensiv mit dieser Frage auseinandersetzen. Wir haben keine Krise in der Bildungspolitik, sondern wir haben hier eine Auseinandersetzung zu führen.
(Beifall von den GRÜNEN – Christian Dahm [SPD]: So!)
Sie, Frau Ministerin und liebe FDP-Fraktion, müssen sich auch nicht verstecken. Wer jahrelang von weltbester Bildung geredet hat und wer die Schulministerin Löhrmann für den Sanierungsstau in den Schulen verantwortlich gemacht hat, muss sich heute fragen lassen: Was haben Sie geleistet? Was haben Sie besser gemacht? Was hat die CDU auf den Weg gebracht?
(Zuruf von Franziska Müller-Rech [FDP])
Das ist der Gradmesser, der heute hier angelegt wird. Und da haben Sie relativ wenig zu bieten, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Christian Dahm [SPD]: So ist das! Ein 13. Platz ist zu bieten!)
Es ist ganz gut, dass auch mal ein kommunalpolitischer Sprecher in der Debatte spricht. Ich kann diese Rechentricks nämlich einfach nicht mehr hören, weil sie schlicht falsch sind.
Das GFG ist seit 2011 in der Struktur unverändert, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das Einzige, was Sie verändert haben, ist, den Kommunen vorzuschreiben, wofür sie mehr Geld auszugeben haben. Dadurch kommt strukturell kein einziger Cent mehr ins GFG. Kein Cent mehr steht für Bildung zur Verfügung.
(Beifall von den GRÜNEN, Christian Dahm [SPD] und Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD])
Das ist die Wahrheit, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Zuruf von Franziska Müller-Rech [FDP])
– Das stimmt doch gar nicht. Lesen Sie das Gesetz. Dann wissen Sie ein bisschen mehr, Frau Kollegin.
Das Gemeindefinanzierungsgesetz hat die Struktur, die ich gerade geschildert habe. Der Anstieg der Bildungspauschale beruht allein auf kommunalem Geld. Das Land Nordrhein-Westfalen gibt keinen einzigen Cent mehr als das, was über Gemeinschaftssteuern hineinkommen muss, hinzu. Das ist die Wahrheit. Das wissen die Kommunalpolitiker ganz genau.
Wenn Sie der Stadt Essen, der Stadt Hattingen oder dem Kreis Heinsberg eine dynamisierte Bildungspauschale vorschreiben, heißt das nur, dass ein bisschen mehr Geld in Schule bzw. frühkindliche Bildung geht. Das wird aber im Kommunalbereich dann beim Sport oder bei anderen Dingen weggenommen. So viel zur kommunalen Autonomie! Sie schreiben den Kommunen lediglich noch stärker vor, was sie damit zu tun haben.
(Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD]: So ist das! Genau so! – Gegenruf von Henning Höne [FDP])
Kommen wir zurück zum Thema „Genehmigungsverfahren“: Herr Kollege Ott, es ist immer wieder schön, dass Sie hier Kölner Kommunalpolitik machen. Aber dass die Genehmigungsverfahren – und damit bin ich auch gleich bei Kollegin Schlottmann – beim Neubau von Schulen unser zentrales Problem sind, ist mir, ehrlich gesagt, neu. Ich kann Ihnen für Essen nur sagen: Wir haben mit der Gesamtschule Bockmühle einen Schulstandort, der alleine 80 Millionen Euro Sanierungskosten verschlingt.
Wenn Sie, Herr Finanzminister Lienenkämper, heute tatsächlich immer noch der Auffassung sind, dass wir kein Folgeprogramm für die Investitionen in Schulbauten brauchen, kann ich Ihnen nur sagen, dass Sie entweder ganz in Ihrem Landeshaushalt verhaftet sind oder die marode Situation der Schulgebäude vor Ort völlig ignorieren.
(Beifall von den GRÜNEN und Christian Dahm [SPD])
Weil Sie es selbst immer wieder angeführt haben, will ich Ihnen, Frau Ministerin Gebauer, sehr klar sagen: Der Sanierungsstau bei den Schulen in Deutschland liegt nach Expertenmeinung bei 42 Milliarden Euro. Für Nordrhein-Westfalen geht der WDR von 9 Milliarden Euro aus. Wie sie das zusammenrechnen, weiß ich im Einzelnen auch nicht; das will ich zugestehen. Ob die 9 Milliarden Euro solide und seriös sind, entzieht sich also meiner Kenntnis.
Zumindest alle, die sich im Bauausschuss intensiver mit der Frage befassen, wissen aber, dass die Situation auf jeden Fall komplizierter geworden ist, weil natürlich auch die Kosten für die Sanierungsmaßnahmen gestiegen sind.
FDP und CDU haben in ihren Kommunalwahlprogrammen und auf großen Plakaten vieles angekündigt. Der Fraktions- und Bundesvorsitzende der FDP hat ja nicht nur ein Schulgebäude missbraucht,
(Franziska Müller-Rech [FDP]: Geht es noch? Was ist denn das für eine Sprache?)
sondern sich vor eine Düsseldorfer Mauer gestellt, um irgendwie die Sanierungsbedarfe der Schulen darzustellen und vorzugaukeln, dass eine rot-grüne Landesregierung daran schuld sei.
Diese Parteien haben nur eines gemacht: Sie haben die Programme von Rot-Grün, die sie vorgefunden haben, fortgeführt. Sie haben das Geld, das aus Berlin zugeteilt wird, über die Investitionsprogramme im Land verteilt. Das ist auch Frau Schlottmann in ihrem Beitrag gerade wieder passiert. Und dann wird behauptet, das Programm „Gute Schule 2020“ sei kompliziert und nicht zielgenau. Liebe Kollegin, wenn ein Programm einfach anzuwenden ist, dann ist es das Programm „Gute Schule 2020“.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Christian Dahm [SPD]: So ist es!)
Deswegen wundert mich das schon. Der Finanzminister hat kryptische Bemerkungen in den Haushaltsplan 2017 geschrieben, um zu verklausulieren, dass er das Programm „Gute Schule 2020“ eigentlich super findet. Die Kohle ist gut. Es ist einfach anzuwenden. Aber irgendwie war das ja kreditfinanziert, und deswegen ging das nicht.
Wir brauchen – da teilen wir als Grüne ausdrücklich die Meinung der SPD – mehr Investitionen in Nordrhein-Westfalen; im Übrigen nicht nur in die Schulen, aber vor allem in die Schulen. Wir brauchen das aber auch im Bereich Klimaschutz. Wir brauchen Investitionen in diesem Land. Das tut im Übrigen auch der Wirtschaft durchaus gut. Da müssen wir auch besser werden.
Sie als CDU können hier im Landtag durchaus darauf hinweisen, dass die Städte und Gemeinden die Schulträger sind. Das können Sie so machen. Dann werden wir erstens im September dieses Jahres einmal schauen, wie sich das auf die Meinungsbildung in Ihrer eigenen Partei auswirkt.
Zweitens ist das aber auch nicht sachgerecht. Wir werden die Probleme – gerade in den Städten des Ruhrgebiets, aber auch anderswo – nicht lösen, wenn wir mit dieser Haltung daran herangehen.
Damit komme ich zur Frage, wo Sie – neben vergleichbaren Programmen für Investitionen – hätten handeln müssen. Sie sind bis heute bei der Frage des Altschuldenfonds eine Lösung schuldig geblieben.
(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE], Christian Dahm [SPD] und Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD] – Christian Dahm [SPD]: So ist es!)
Sie sind bei der Frage der Sozialentlastung eine Antwort schuldig geblieben. Sie haben als Landesregierung weder ein Konzept vorgelegt, noch haben Sie im Haushaltsplan Gelder bereitgestellt.
Folgendes setzt dem Ganzen die Krone auf – um das sehr klar zu sagen; da werde ich auch grundsätzlich –: Wenn der stellvertretende Ministerpräsident bis heute nicht bereit ist, für die Unterbringung der Geflüchteten ein substanzielles Entlastungskonzept für die Kommunen vorzulegen, dann können Sie sich Ihre Bildungspauschale, ehrlich gesagt … Ich will ein bisschen vorsichtig in der Ausdrucksweise sein. Dann nutzt das aber gar nichts. Wir reden über 750 Millionen Euro, die in den Städten und Gemeinden pro Jahr fehlen. Das ist Heuchelei, was Sie machen.
(Beifall von den GRÜNEN, Christian Dahm [SPD] und Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD])
Sie sind im Bereich „Schulinvestitionen“ nicht handlungsfähig. Legen Sie also etwas auf den Tisch, damit die Situation vor Ort und im Land besser wird. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall von den GRÜNEN, Christian Dahm [SPD], Marc Herter [SPD] und Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD] – Christian Dahm [SPD]: Das hat mir gefallen!)

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