Josefine Paul: „Wir müssen rnsthaft darüber diskutieren, dass sich nicht die Familien der Arbeitswelt anpassen müssen, sondern umgekehrt“

Antrag der "AfD"-Fraktion zu Entgeltfortzahlung für Eltern

Portrait Josefine Paul

Josefine Paul (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist schon einigermaßen erstaunlich, dass ausgerechnet die AfD-Fraktion mit diesem Antrag den Blick auf die Lebensrealität der modernen Familienvielfalt richtet.
(Zuruf von Iris Dworeck-Danielowski [AfD])
Das ist ja sonst nicht Ihre ganz starke Seite.
(Beifall von den GRÜNEN)
Und dass das auch nicht Ihre Kernkompetenz ist, merkt man dann, wenn man sich diesen Antrag anschaut. Denn er ist in der Tat relativ „dünne Suppe“. Kollege Hafke hat gerade ausgeführt, dass an vielen Stellen auch gewisse Unschärfen darin sind.
In Ihrem Forderungskatalog verwechseln Sie in der Tat – Marcel Hafke hat darauf hingewiesen – die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall mit dem Krankengeld, vermischen das mit dem Krankenkindergeld, und dabei kommt dann irgendwie nicht so richtig etwas heraus, womit man hier ernsthaft arbeiten könnte.
Das zeigt sehr deutlich, dass es Ihnen vermutlich nicht darum geht, hier substanziell etwas an einer Fragestellung zu tun, die in der Tat wichtig ist. Denn ja, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf stellt ohnedies für viele Familien eine Herausforderung dar. Im Fall von kranken Kindern ist das in besonderem Maße so.
Da gibt es eine ganze Reihe von Herausforderungen. Aber zum einen richten sich die nicht rein an den Staat, denn der Arbeitgeber ist durchaus in der Lage und gesetzlich auch erst einmal dazu angehalten, im Krankheitsfall von Kindern seiner Verpflichtung zur Freistellung nachzukommen. In diesem Fall wird der Lohn auch in voller Höhe fortgezahlt. Jeder Arbeitgeber kann das im Übrigen für sich so weit auslegen, wie er das für richtig hält.
Ich finde es zudem auch fatal – eigentlich wäre es abgesehen davon, dass sich Ihr gesamter Antrag auf der Bundesebene abspielt, richtig gewesen, einmal in die rechtlichen Grundlagen hineinzuschauen –, dass es gesetzlich möglich ist, diese soziale Verantwortung in Arbeitsverträgen auszuschließen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Eigentlich ist das doch skandalös. Da müsste man ansetzen und die Arbeitgeber mehr in die Pflicht nehmen, für Familien und damit für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu sorgen. So tief sind Sie aber offensichtlich nicht in die Thematik eingestiegen.
(Gabriele Walger-Demolsky [AfD]: Sie hören nicht zu! – Zuruf von Iris Dworeck-Danielowski [AfD])
Wie ich schon erläutert habe, haben Sie in Ihren Forderungspunkten erstens die einzelnen Maßnahmen völlig durcheinandergeworfen. Zweitens geht es bei dem Thema in erster Linie um bundesgesetzliche Regelungen, über die wir hier gar nicht bestimmen können.
Es sind immer wohlfeile Anträge, in denen geschrieben steht, die Landesregierung möge über den Bundesrat auffordern. Das kann man an verschiedenen Stellen machen, und es ist auch unser parlamentarisches Recht. Wenn dies allerdings der gesamte Inhalt des Antrages ist, dann machen Sie sich aus meiner Sicht einen sehr schlanken Fuß und zeigt das eindeutig, dass es Ihnen nicht um die Sache ging, sondern Sie versuchen wollten, irgendwie darzustellen, dass Sie vielleicht doch im 21. Jahrhundert angekommen sind.
Worüber wir meines Erachtens in Bezug auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und darauf, was man in besonders herausfordernden Situationen macht, um Familien zu unterstützen, reden sollten, ist – Marcel Hafke hat es angesprochen –, welche strukturellen staatlichen Maßnahmen wir ergreifen können und wie auch Arbeitgeber Familien weiter unterstützen können. Da geht es um Homeofficeregelungen und darum, weitere Freistellungsregelungen aufzugreifen.
Ich bin außerdem der Meinung, dass wir einmal ernsthaft darüber diskutieren müssen, dass sich nicht die Familien der Arbeitswelt anpassen müssen, sondern es umgekehrt sein und die Arbeitswelt ihre soziale Verantwortung noch ernster nehmen muss.
Wir leben in einer modernen Realität. Meine Hoffnung, dass das in der Arbeitswelt ankommt, ist ehrlich gesagt größer als die, dass wir davon ausgehen können, dass sich Ihr Welt- und Familienbild tatsächlich in der Moderne des 21. Jahrhunderts eingefunden hat. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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