Mehrdad Mostofizadeh: „Ich glaube auch, dass die allermeisten Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber anständig mit ihren Beschäftigten umgehen“

Antrag der SPD-Fraktion zu Mindestlohn

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Als ich den Antrag der SPD gelesen habe, dachte ich: Na ja, gut; einiges davon haben wir ja schon besprochen. – Aber zur Ehrenrettung der SPD muss ich sagen: Spätestens seit dem Beitrag von Frau Hannen ist mir klar geworden, dass hier doch wieder einiges an Aufklärungsarbeit erforderlich ist.
Der Minister selbst hat eine Vorlage herausgegeben – der Kollege Berghahn hat daraus eben schon zitiert –, in der er über die Arbeitsschutzmaßnahmen berichtet hat. Demnach sind in 26 der 30 kontrollierten Fleischbetriebe, Frau Kollegin Hannen, teils gravierende Verstöße gegen Arbeitsschutzvorschriften festgestellt worden. Die Mängelliste umfasst die ganze Bandbreite des Arbeitsschutzrechtes: Verkehrs- und Rettungswege, Unterweisungsmöglichkeiten, arbeitsmedizinische Gesichtspunkte.
In zahlreichen Fällen, liebe Frau Kollegin Hannen, wurden zudem teils gravierende Verstöße gegen das Arbeitszeitrecht festgestellt. Arbeitsschichten von über zwölf Stunden waren keine Seltenheit. Das als die Ausnahme zu bezeichnen, ist doch lächerlich und entspricht auch nicht der Realität. Das muss ich an der Stelle einmal sehr klar sagen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von Martina Hannen [FDP])
Ich hätte es auch nicht für möglich gehalten, dass jemand in diesem Hause ein so verzerrtes Bild von der Situation in der Fleischindustrie haben könnte.
(Zuruf von Martina Hannen [FDP])
Deswegen sage ich an dieser Stelle ganz deutlich: Offensichtlich war es doch richtig, Kollege Neumann, noch einmal das zu wiederholen, was wir mit einem Antrag im November letzten Jahres schon in Bezug auf Arbeitslosenzentren und Erwerbslosenberatungsstellen gefordert haben.
Denn auch das, was Sie dazu gesagt haben, ist falsch. Schauen wir uns einmal die Förderstruktur eines solchen Arbeitslosenzentrums an. Es bekommt rund 15.000 Euro dafür, dass es ein Gebäude mieten und unterhalten kann. Dann treffen sich dort Menschen – aus meiner Sicht ist das eine gute Struktur –, die erwerbslos sind und sich dort austauschen und aufhalten können.
Ja, das ist ein anderer Auftrag; das räume ich ein. Aber wenn man diese Struktur mit den Erwerbslosenberatungsstellen zusammenpackt und dort auch noch den Beratungsteil aus dem Arbeitsschutz hineinpackt, dafür aber kein zusätzliches Geld zur Verfügung stellt, nenne ich das Kürzung. Anders kann ich das nicht bezeichnen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Nein, das ist nicht die Wahrheit!)
Herr Minister, wir sind bei allen Punkten bei der SPD. Denn wir halten es auch für richtig, den Mindestlohn durchzusetzen. Ordnungspolitisch kann man eigentlich auch gar nicht anderer Auffassung sein.
(Stefan Zimkeit [SPD]: Doch! Das haben wir ja gerade gehört!)
Wenn man in Berlin oder auch in Düsseldorf ein Gesetz verabschiedet, dessen Einhaltung aber nicht kontrollieren will, dann meint man es nicht ernst. Entweder macht man es, kontrolliert es ordentlich und setzt es am Ende des Tages auch durch. Oder man muss den Eindruck gewinnen, dass die FDP ganz froh ist, weil es möglicherweise nicht kontrolliert wird.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Denn sonst muss man sich eines Vokabulars bedienen, wie es die Kollegin hier getan hat. Sie sprach von totaler Überwachung – wer solche Vokabeln nutzt, sollte sehr vorsichtig an der Bahnsteigkante sein – und davon – wie war das? –, dass man mit der Keule auf alle Arbeitgeber schlagen würde.
Ich für meinen Teil kann dazu nur sagen: Ich glaube auch, dass die allermeisten Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber anständig mit ihren Beschäftigten umgehen. Umso mehr verlange ich – wir sind schließlich auch alle Arbeitgeber –, dass auch die anderen entsprechend kontrolliert werden; denn die Maßnahmen und Regeln gelten für alle. Ich fordere null Toleranz auch in diesem Bereich, liebe Frau Kollegin.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Wir reden hier auch nicht – daran möchte ich erinnern – über Kleinigkeiten. Wir haben zum Haushalt einen Antrag gestellt, der im Zusammenhang mit den ESF-Fördermitteln 5 Millionen Euro zusätzlich forderte. Damals war noch unklar, ob die ESF-Förderung ausläuft oder nicht. Jetzt hat der Minister klargestellt, dass weiterhin gefördert werden soll, allerdings in der reduzierten Struktur. Deswegen werden wir nicht nur der Überweisung zustimmen, sondern stimmen dem Ganzen auch inhaltlich zu.
Eines möchte ich an dieser Stelle aber auch noch sagen, weil hier viele immer daran erinnern, wer wann wie regiert hat. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, die SPD ist in den letzten 22 Jahren 18 Jahre an der Bundesregierung beteiligt gewesen. Es hat auch Zeiten gegeben, in denen Ihre Bundesarbeitsminister Vorschläge hätten machen können. Jetzt fordern Sie als SPD-Fraktion den Landesarbeitsminister auf, einen Vorschlag für die Sozialministerkonferenz vorzulegen. Das kann man machen,
(Josef Neumann [SPD]: Wir sind hier im Landtag Nordrhein-Westfalen!)
ist aber angesichts der Struktur etwas merkwürdig.
Wir halten es trotzdem für richtig, einen vernünftigen Vorschlag zu machen. Wir halten es auch für richtig, den Arbeitsschutz an dieser Stelle durchzusetzen und auszuweiten. Wir finden es allerdings ausdrücklich falsch, dass das zulasten der Arbeitslosenzentren geht. Deswegen sind wir inhaltlich bei Ihnen von der SPD.
Erschüttert hat mich der Beitrag der FDP. Ich dachte, eine solche Sichtweise habe es höchstens noch im letzten Jahrhundert gegeben. Aber man kann immer wieder dazulernen. Frau Kollegin Hannen ist halt dieser Auffassung.
Langer Rede kurzer Sinn: Wir stimmen der Überweisung zu und würden uns freuen, wenn der Arbeitsminister auch ohne Antrag einen entsprechenden Vorschlag vorlegen würde. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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