Direkte Demokratie trotz Corona: Bürgerengagement auch in der Krise unterstützen

Antrag der Fraktionen von SPD und GRÜNEN

Portrait Verena Schäffer Linda Hammer 2022

I.          Ausgangslage
Die Corona-Krise hat enorme Auswirkungen auf das gesellschaftliche Leben und somit auch auf die politischen Entscheidungsprozesse in unserem Land. So können Sitzungen des Landtags oder auf kommunaler Ebene der Räte und Kreistage nur unter Berücksichtigung extremer Vorsorgemaßnahmen durchgeführt werden. Um die politische Handlungsfähigkeit trotzdem gewährleisten zu können, hat der Landtag NRW in seiner Sitzung am 14.04.2020 gesetzliche Schritte beschlossen, um unter anderem die Befugnisse der Räte und Kreistage in Zeiten der Pandemie auf den Hauptausschuss bzw. den Kreisausschuss übertragen zu können. Entscheidungen können somit getroffen werden, ohne dass der gesamte Rat oder Kreistag zusammentritt.
Neben den Entscheidungsbefugnissen der politischen Gremien sieht die Gemeindeordnung NRW in § 26 auch das Recht der Bürgerinnen und Bürger vor an Stelle des Rates über eine Angelegenheit der Gemeinde zu entscheiden. Hierfür muss im Rahmen eines Bürgerbegehrens eine je nach Größe der Gemeinde unterschiedliche Zahl an Unterschriften gesammelt werden (bei Gemeinden bis 10.000 Einwohnern muss das Begehren von 10% der Bürger unterschrieben werden, bei über 500.000 Einwohnern von 3%). Die Sammlung gegen einen Beschluss des Rates muss innerhalb von sechs Wochen nach Bekanntmachung des Beschlusses abgeschlossen sein, bei Beschlüssen, die nicht bekanntgegeben werden müssen, innerhalb von drei Monaten. Die aktuelle Corona-Krise hat auf diese Fristen keine hemmende oder aufschiebende Wirkung.
Es liegt auf der Hand, dass das Sammeln von Unterschriften für ein Bürgerbegehren in Zeiten von Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen in der vom Gesetzgeber vorgegebenen Zeit nahezu unmöglich ist. Aktuell sind laut dem Verein Mehr Demokratie NRW e. V. vor allem laufende Begehren in Nettetal, Minden und Oberhausen betroffen, denen das vorzeitige Ende droht. (Pressemitteilung vom 10. April 2020 (https://nrw.mehr-demokratie.de/presse/presse-einzelan- sicht/befristung-bedroht-buergerbegehren-kommunalministerium-gefragt/)
Unter den derzeitigen gesetzlichen Rahmenbedingungen kann direkte Demokratie nicht stattfinden. Das ist keine Petitesse, denn Bürger- und Volksentscheide sind neben der repräsentativen Demokratie eine wichtige Säule der Demokratie und nicht einfach nur ein „Add-on“. Nach den bereits vorgenommenen Anpassungen der Gemeindeordnung für Sitzungen politischer Gremien während der Pandemie sollten nun auch Lösungen gefunden werden, die direktdemokratische Prozesse ermöglichen, ohne dass die Gesundheit der engagierten Bürgerinnen und Bürger aufs Spiel gesetzt wird.

II.        Der Landtag fordert die Landesregierung auf,

–            sicherzustellen, dass bereits laufende Bürgerbegehren nicht aufgrund der während der Corona-Krise geltenden Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen scheitern. Hierfür wird in § 26 GO NRW eine ergänzende Formulierung aufgenommen, die das vorübergehende Aussetzen der Fristen nach § 26 Abs. 3 GO NRW für bereits laufende Bürgerbegehren ermöglicht.
–            dem Landtag Vorschläge vorzulegen, wie auch in Pandemie-Zeiten Unterschriften für ein Bürger- oder Volksbegehren gesammelt werden können, um einen Bürger- oder Volksentscheid einleiten zu können. Hierzu sollten vorrangig digitale Lösungen, wie sie zum Beispiel im Rahmen der Europäischen Bürgerinitiative eingesetzt werden, geprüft werden.