Oliver Keymis: „Es muss endlich Schwung in die Geschichte kommen, damit aus der Soforthilfe auch wirklich sofort etwas wird“

Antrag der SPD-Fraktion zur Kultureinrichtungen

Oliver Keymis (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe die Zahl gestern schon einmal genannt: 300.000 Menschen beschäftigen sich in Nordrhein-Westfalen mit Kultur und Kreativwirtschaft, und sie generieren 36 Milliarden Euro Umsatz. Wir müssen die Fakten benennen, um über die Hilfe für diese Menschen reden zu können. Das ist, glaube ich, sehr wichtig. Das ist größer als die Chemieindustrie in Nordrhein-Westfalen, nur um das in Erinnerung zu rufen.
Das Gastgewerbe war auch im Gespräch. 400.000 Menschen sind da beschäftigt, viele davon natürlich zu relativ schlechten Bedingungen. Der Umsatz liegt aber auch nur bei 16,5 Milliarden Euro – nur zum Vergleich, einfach um eine Größenordnung zu haben. Wir reden über Kultur und Kreativwirtschaft, wir reden über das Gastgewerbe.
Wir haben über Messen und Events geredet, da sind oft Kreative beteiligt. 7 Milliarden Euro Umsatz, 150.000 Menschen – das sind die Größenordnungen, die deutlich zu machen, worüber wir reden, wenn es um die Förderung dieser Menschen geht, die wir Künstlerinnen und Künstler und Kreative nennen. Diese Kolleginnen und Kollegen sind im Moment richtig arm dran. Die Kollegen haben das gerade sehr eindrucksvoll beschrieben, und alle so kompetent, wie wir es in unserem Fachausschuss gewohnt sind.
Wir müssen uns noch einmal deutlich machen, wie die letzten Schlagzeilen unserer Regierung lauteten. Die waren ja sehr ermutigend: Coronakrise – Land unterstützt Unikliniken mit mehr als 100 Millionen Euro zusätzlich; 21 Millionen Soforthilfe für Landwirtschaft und Gar- tenbau; Land unterstützt mit über 1 Million Euro Hilfsangebote für das Ehrenamt; 11,8 Millionen Unterstützung für nordrhein-westfälische Zoos in Coronazeiten. – Gut so. Eine Soforthilfe Sport gibt es bereits für notleidende Sportvereine, sehr gut. Über 2 Millionen Euro sind bereits genehmigt.
Das ist an sich schon eine tolle Bilanz. Dazu kommt noch die Zwischenbilanz des Ministers Pinkwart, der mit insgesamt 3,5 Milliarden Euro auch schon ordentlich etwas freigesetzt hat. Das müssen wir im Moment tun, wir wissen alle, warum. Deshalb sind wir hier gemeinsam angetreten.
Ich bin den beiden Fraktionen sehr dankbar, insbesondere der SPD für den Antrag, den wir jetzt hier beraten. Ich bin der CDU und der FDP dankbar für den Entschließungsantrag, dazu braucht man gar nichts mehr sagen. In beiden ist alles drin, und das werden wir in den weiteren Beratungen unterstützen.
Dabei dürfen wir aber nicht die Filmkultur vergessen. Auch sie sollten wir nicht unberücksichtigt lassen. Ich habe mit Freude gelesen, dass unsere Film- und Medienstiftung NRW als GmbH soeben als eine Art Soforthilfe ihr drittes Coronahilfspaket geschnürt hat. Das ist wichtig und gut. Ob das ausreicht, wissen wir noch nicht. Dazu werden wir noch entsprechende Zuschriften bekommen.
Auch die Filmkultur befindet sich im Moment in einer sehr komplexen und schwierigen Lage. Ähnlich wie die Theaterschauspieler können auch diese Schauspieler zurzeit nicht spielen. Es gibt kein Publikum. Es kann nicht produziert werden, weil man nicht filmen und aufzeichnen darf. Das gilt jedenfalls für das Gewerbe, welches Filme und Projekte umsetzt. Jedenfalls müssen wir das im Blick behalten.
Ich bin der Ministerin sehr dankbar für das Soforthilfeprogramm, das im März gestartet ist. Das ist super angekommen. Es hat sofort geholfen, und die Betroffenen haben es gut angenommen. Das Problem war das Windhundprinzip – Sie nicken, Frau Ministerin, weil Sie wissen, was ich meine –: Wer zuerst Hilfe beantragte, erhielt sie. Entsprechend schnell war die zur Verfügung gestellte Summe in Höhe von 5 Millionen Euro aufgebraucht. Immerhin wurden von insgesamt fast 17.000 gestellten Anträgen 6.300 Anträge geprüft und 2.961 Anträge bewilligt, wie ich habe nachlesen können.
Das macht deutlich, dass der Bedarf in Nordrhein-Westfalen groß ist und viele Menschen sagen: Verdammt, bisher habe ich mein Geld normal verdienen können. Auf einmal ist das nicht mehr möglich. – Es wurde bereits gesagt, dass dies nicht auf schuldhaftes Handeln zurückzuführen ist. Die schlechte finanzielle Situation vieler ist bedingt durch die Maßnahmen, die wir alle für richtig und gut erachten, und weil wir die Maßnahmen für richtig und gut erachten, müssen wir aber auch helfen.
Ganz toll finde ich das Engagement des Kulturrates NRW. Meine Vorredner haben bereits darauf hingewiesen, was Gerhart Baum und seine Leute geleistet haben. Erwähnt seien hier die Infobriefe und das Beratungsbüro, das übrigens vom Ministerium unterstützt wird. Das finde ich gut. Es gibt also einen beratenden Telefonservice, um Kulturschaffenden Ansprechmöglichkeiten zu bieten. Die Infos, die in diesem Rahmen zur Verfügung gestellt werden, sind hilfreich. Auch den Druck, der politisch ausgeübt wird, finde ich sehr gut. Es ist gut, dass uns das alle ordentlich umtreibt. Wir stehen in einem dauernden Kontakt mit dem Kulturrat NRW. Gerhart Baum und seinen Mitstreiterinnen und Mitstreitern gilt mein großer Dank. Der Kulturrat NRW handelt wirklich vorbildlich.
Das ist etwa beim Deutschen Kulturrat mit Sitz in Berlin beispielweise nicht der Fall. Der macht ganz komische Sachen und regt sich plötzlich über Flickenteppiche auf. Dabei gilt in der Kultur Länderhoheit. Schließlich gilt in diesem Land das föderale Prinzip. Daran muss Olaf Zimmermann noch arbeiten, aber irgendwann wird er es sicher begreifen.
Ganz stinkig – das sage ich hier ganz offen – bin ich aber auf Frau Grütters. Ich finde ihr Verhalten nicht gut. Ich finde es nicht richtig, dass sie im Moment so tut, als sei das nicht ihr Problem, obwohl sie sich Problemen sonst immer annimmt.
Ich bin den Ministerinnen und Ministern dieses Landes dankbar für ihren Einsatz. Frau Pfeiffer-Poensgen und Herr Professor Dr. Pinkwart haben das in Berlin mit Druck vertreten, und das ist gut so. Andere Bundesländer tun das auch. Das Baden-Württemberger Modell ist in diesem Zusammenhang bereits genannt worden. Jetzt muss der Bund springen. Hic Deutschland, hic salta! – Ein ähnlicher Ausspruch stammt von einem antiken griechischen Dichter.
Ich hoffe, das wird bald passieren. Nach dem zu urteilen, was ich gehört habe, bewegt sich in dieser Hinsicht etwas. Dafür können wir alle nur dankbar sein. Es muss endlich Schwung in die Geschichte kommen, damit aus der Soforthilfe auch wirklich sofort etwas wird. – Danke schön.
(Beifall von den GRÜNEN, von Rainer Deppe [CDU] und von Lorenz Deutsch [FDP])