Matthi Bolte-Richter: „Schwarz-Gelb hat gezeigt, dass Studierende und Hochschulbeschäftigte bei Ihnen keine Lobby haben“

Entwurf zum Haushaltsplan 2020 - Wissenschaft und Weiterbildung - zweite Lesung

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Gestern früh um 7 Uhr ging ein unrühmliches Kapitel der nordrhein-westfälischen Wissenschaftspolitik zu Ende.
Der Protest von Studierenden, Hochschulleitungen und Studierendenwerke hat gewirkt: Die Landesregierung beerdigt endlich ihre bürokratische Schnapsidee der Campusausländermaut.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Sie war von Anfang an ein fauler Formelkompromiss, wo sich erst die FDP, jetzt die CDU durchgesetzt hat. Es ist insgesamt gut, und wir begrüßen es sehr, dass die Landesregierung jetzt endlich einen Rückzieher bei den Ausländerstudiengebühren macht.
Aber auf Schnapsidee folgt Mogelpackung. Die Ministerin sagt den Hochschulen 51 Millionen Euro aus dem Zukunftsvertrag Studium und Lehre zu, also aus dem Nachfolgevertrag des Hochschulpakts.
Und was haben Sie versprochen? Jetzt muss man sich festhalten: 100 Millionen Euro. Was steht im Koalitionsvertrag? – 100 Millionen Euro. Was kommt jetzt? – 51 Millionen Euro. Da kann man ganz klar sagen: versprochen – gebrochen.
Und es kommt ja noch schlimmer; denn das Geld kommt nicht sofort, wie Sie es versprochen haben, sondern es kommt erst 2021, also auch noch weit später. Es ist also weniger, und es kommt später. Zu mehr ist schwarz-gelbe Wissenschaftspolitik offensichtlich nicht in der Lage.
Dann nehmen Sie noch nicht einmal eigene Mittel, sondern Sie nehmen sie aus dem Zukunftsvertrag. Und da sind, das haben wir im Ausschuss schon gesehen, die nächsten Haushaltstricks zu erwarten. Bei Ihrer Pressekonferenz zum Semesterauftakt gingen Sie davon aus, dass die Mittel aus dem ZSL genauso hoch sind wie im Hochschulpakt. In der Haushaltsberatung ging es um Mittel in ähnlicher Höhe. Jetzt sind es noch einmal 50 Millionen Euro, die anders verteilt werden. Wir sind gespannt, wie Sie das alles in allem noch verkaufen werden.
(Beifall von den GRÜNEN)
Herr Nacke, es ist doch einfach so – das muss man ganz eindeutig sehen –: Ihre Fraktion, die CDU, hat in der Opposition immer gefordert, die Qualitätsverbesserungsmittel zu dynamisieren. Was tun Sie? – Sie machen das nicht. Sie machen genau das nicht, und jetzt werfen Sie uns vor, dass Sie nicht umsetzen, was Sie selber gefordert haben. Es stimmt doch hinten und vorne nicht, was Sie da tun.
(Lorenz Deutsch [FDP]: Nein, das stimmt nicht!)
Wir brauchen diese Dynamisierung, damit wir die Mittel der gestiegenen Studierendenzahl anpassen können.
(Lorenz Deutsch [FDP]: Das haben Sie sieben Jahre lang nicht gemacht!)
Wenn Sie 2009 als Berechnungsgrundlage heranziehen, dann sehen Sie, dass die Anzahl der Studierenden um über 270.000 gestiegen ist. Das sind mehr als 54 %. Die Mittel müssten eigentlich noch stärker ansteigen, als Sie es ursprünglich versprochen haben. Dafür brechen Sie jetzt nicht nur Ihr Versprechen, sondern Sie machen das alles nicht. Sie brechen radikal Ihre eigenen Versprechen, und Sie scheitern an allem, was Sie in der Oppositionszeit formuliert haben.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD – Lorenz Deutsch [FDP]: Warum haben Sie das selbst nie gemacht?)
Diese Posse um die Ausländerstudiengebühren und die Pressemitteilungen aus der Koalition zu ihrem Ende sind doch ziemlich bizarr. Herr Dr. Nacke spricht bei dem Ende der Campus-Ausländermaut von einem Signal der Weltoffenheit und deutet die Tatsache, dass Sie Ihren eigenen Koalitionsvertrag an dieser unsinnigen Stelle nicht umsetzen, als einen großen schwarz-gelben Erfolg.
Jetzt frage ich mich: Wie werden denn die Erfolgsmeldungen weitergehen? Wenn es demnächst in den Hörsaal hineinregnet, wird das wahrscheinlich ein Signal der Wetteroffenheit sein.
(Karl Schultheis [SPD]: Nein, der Segnung!)
Und wenn die Studierenden in den vergammelnden Wohnheimen in der Abstellkammer wohnen müssen, dann loben Sie wahrscheinlich auch noch die Komprimierungsoffenheit der nordrhein-westfälischen Studierenden.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Das alles sind die Hausaufgaben, die Sie nicht gemacht haben. Das sind die Hausaufgaben, die Sie machen müssten, wenn Sie den Wissenschaftsstandort voranbringen wollten.
Wohnheime werden in unserem Land geschlossen, weil der Sanierungsstau so groß ist. Die Studierendenwerke haben oft genug gesagt, dass das, was Sie liefern, nicht ausreicht, sondern dass sie echte Zuschüsse brauchen.
Die Studierendenwerke bekommen erneut keinen Zuschuss zu ihren allgemeinen Leistungen, obwohl sie mehrfach im Ausschuss und an jeder anderen Stelle klargemacht haben, dass diese Zuschüsse notwendig wären. Und wer bezahlt das am Ende des Tages? – Die Studierenden bezahlen es über höhere Sozialbeiträge. Es ist also auch noch zutiefst unsozial, was Sie hier machen.
Wie es dann beim Hochschulbau weitergehen wird, wenn das Hochschulkonsolidierungsprogramm ausläuft, weiß niemand – am wenigsten diese Landesregierung.
(Beifall von den GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, Schwarz-Gelb hat mit dem Studierendengängelungsgesetz gezeigt, dass Studierende und Hochschulbeschäftigte bei Ihnen keine Lobby haben. Das wird bei diesem Haushalt in Zahlen gegossen, und deshalb lehnen wir ihn mit voller Überzeugung ab. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Ralf Jäger [SPD]: Zugabe!)