Johannes Remmel: „In der Verkehrs- und Mobilitätspolitik fal­sche Prioritäten“

Haushaltsplan 2020 - Verkehr - zweite Lesung

Johannes Remmel (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Voussem, dass Sie am Ende Ihrer Rede nicht auch noch „Brüder zur Sonne, zur Freiheit“ angestimmt haben, wo es um den Ausblick auf die Zukunft der Mobilität geht, das hat noch gefehlt.
(Zuruf von Arne Moritz [CDU])
Ansonsten waren es schöne wohlfeile Worte.
(Zuruf von Christof Rasche [FDP])
Ich bin schon dankbar, dass Sie auf das übliche Glaubensbekenntnis verzichtet haben: ideologiefrei und technologieoffen. Das kommt vielleicht gleich vielleicht wieder von Herrn Middeldorf. Insofern passt das dann zusammen.
(Zurufe von Henning Rehbaum [CDU] und Klaus Voussem [CDU])
Die schönen Worte, die uns sozusagen die Segnungen der neuen Koalition verkünden, wie Sie das gerade getan haben,
(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])
sollen doch nur eines, nämlich vernebeln, dass Sie in der Verkehrs- und Mobilitätspolitik fal­sche Prioritäten setzen.
(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Christof Rasche [FDP])
Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, will ich nicht in der Breite darstellen.
(Christof Rasche [FDP]: Wollen wir E-Mobilität machen?)
Das könnte ich natürlich auch heute, aber die kurze Redezeit erlaubt es nicht, in der ganzen Breite diese falsche Prioritätensetzung deutlich zu machen.
Ich will es an einem konkreten Punkt tun, der in der vorletzten Woche eine gewisse Bedeutung gehabt hat. Ich freue mich, dass wir einen Erfolg der Volksinitiative zu verzeichnen haben. Es geht um die Radverkehrspolitik.
(Christof Rasche [FDP]: Da passiert mehr denn je!)
Ich will an diesem Beispiel deutlich machen, wo und wie Sie sich politisch entscheiden, in Sonntagsreden auf der einen Seite und im Alltag ganz konkret.
Alltag ist für uns der Haushalt. Hier wird die Politik in Zahlen gegossen und dann auch zur Umsetzung gebracht.
Ich will es Ihnen erläutern. Der Radverkehrsanteil in Nordrhein-Westfalen liegt derzeit bei 11 %. Das, was die Initiative fordert und was der Landtag im Dezember beschließen wird, ist die Zielsetzung, den Radverkehr bis 2025 auf 25 % zu steigern. Ich finde, das ist ein richtiges, aber auch ehrgeiziges Ziel.
Ich will dem gegenüberstellen: Was ist der Anteil des Radverkehrs im aktuellen Haushalt? Im Hinterkopf haben wir den Radverkehrsanteil von 11 %. Der Haushaltsanteil liegt monetär bei unter 1 % des Verkehrsetats. Man wird also schon heute in keiner Weise dem Anspruch, den Radverkehr zu fördern, gerecht, geschweige denn dem Ziel, in der Zukunft 25 % zu erreichen. Das werden Sie mit diesem Anteil im Haushalt nicht können.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich will Ihnen das auch noch einmal im Vergleich zu den Niederlanden erläutern. In den Niederlanden werden pro Jahr 25 Euro pro Kopf für Radverkehr ausgegeben, beispielsweise in Amsterdam 11 Euro, und in Utrecht sind es 132 Euro. In Nordrhein-Westfalen liegt die ProKopf-Ausgabe bei 1,10 Euro bzw. in Köln bei 2,80 Euro.
(Zurufe von der CDU)
Das wird nicht reichen, wenn man das Ziel von 25 % erreichen will. Deshalb ist es bedauerlich – Sie haben ja noch die Chance gegebenenfalls in der dritten Lesung –, dass Sie alle unsere Anträge, die hier eine stärkere Priorisierung gerade für den Radverkehr vorgesehen haben, sowohl was Planungsstellen als auch was finanzielle Mittel angeht, abgelehnt haben.
Das eine ist, sich in Sonntagsreden in der Sonne einer Volksinitiative richtig in die Spur zu bringen, das andere ist aber dann, im Alltag im Schweiße des Angesichts hier im Parlament beim Haushalt für jeden Kilometer Radverkehrsinfrastruktur Tag für Tag zu streiten. Das macht den Unterschied aus. In der Tat mag ich ein altes Zitat bemühen: Entscheidend ist auf dem Platz. – Für uns ist der Haushalt der Platz, zu entscheiden, und da fehlt Ihre klare Unterstützung für den Radverkehr in Nordrhein-Westfalen.
(Beifall von den GRÜNEN)