Klimawandel ernst nehmen – Maßnahmen zur Rettung der Wälder in NRW deutlich verstärken!

Antrag der GRÜNEN im Landtag

Portrait Norwich Rüße

I.         Der Klimawandel bedroht unserer Wälder und die Artenvielfalt
Die Auswirkungen des Klimawandels haben die Vitalität der Wälder beeinträchtigt und zeigen derzeit enorme Auswirkungen auf das Waldökosystem. Auch wenn Wälder bereits in der Vergangenheit klimabedingten Schwankungen ausgesetzt gewesen sind, so zeigen die aktuellen Wetterlagen hinsichtlich ihrer Geschwindigkeit des Auftretens und ihres Ausmaßes deutliche Unterschiede zu den bisherigen. Durch die ansteigenden durchschnittlichen Temperaturen und die zunehmenden Trockenphasen befinden sich unsere Wälder im extremen Klima-Dauerstress.
Die klimatischen Veränderungen führen zum Absterben bestimmter Baumarten und so zu einer Entmischung strukturreicher Wälder. Gleichzeitig bedeutet der Totalverlust einzelner Baumarten in monostrukturell aufgebauten Wäldern das Absterben ganzer Bestände. Während sich insbesondere in den forstwirtschaftlich geprägten Fichtenmonokulturen der Borkenkäfer massiv ausbreiten konnte, sterben auch Mischbestände oder reine Laubholzbestände inzwischen ab. Auch bisher als klimabeständig geltende Laubbäume wie die Rotbuche leiden massiv unter Trockenheit und Schädlingsbefall. Damit sind auch Baumarten betroffen, denen hinsichtlich des Waldumbaus hin zu mehr Klimastabilität bisher eine große Bedeutung beigemessen wurde.
Der Wald ist von den dramatischen Auswirkungen des Klimawandels betroffen, gleichzeitig ist er aber auch Teil der Lösung. Er dient nicht nur der forstwirtschaftlichen Wertschöpfung als Lieferant für klimaneutrale Baustoffe, sondern leistet als CO2-Senke einen unersetzlichen Beitrag zum Klimaschutz. Aber auch für den Gewässer- und Trinkwasserschutz, den Natur- und Artenschutz, zur Förderung der Biodiversität sowie als Lebens- und Erholungsraum trägt er eine große Bedeutung. Gemeinsam mit Grünland und Gewässern bildet der Wald das Rückgrat unseres Naturerbes. Daher ist er es wert, gerettet zu werden!
Die Landesregierung hat mit der Verabschiedung der Schmallenberger Erklärung und des damit verbundenen Hilfspaket einen ersten Schritt zur Unterstützung der Waldbesitzerinnen und Besitzer unternommen. Damit der Waldumbau jedoch nachhaltig gelingen kann, braucht es aber zusätzlich andere waldpolitische Weichenstellungen.

II.       Waldumbau gestalten

Der Wald bildet einen wichtigen Lebensraum für zahlreiche Tiere und Pflanzen und leistet somit einen wesentlichen Beitrag zum Artenschutz. Doch die von der Technischen Universität München vorgestellte Studie zu Insektenrückgang hat kürzlich verdeutlicht, dass auch im Wald die Gesamtmasse der Insekten rückläufig ist. Innerhalb der letzten 10 Jahre konnte hier eine Reduzierung um 40 Prozent beobachtet werden. Die Erkenntnis, dass der Insektenrückgang auch vor dem Lebensraum Wald nicht Halt macht, verdeutlicht, dass ein Umbau unserer Wälder hin zu einer naturnahen Bewirtschaftung dringend geboten ist.

Der Waldumbau hin zu naturnahen sowie arten- und strukturreichen Wäldern muss das Ziel der nordrhein-westfälischen Waldwirtschaft sein. Eine naturnahe Dauerwaldbewirtschaftung zeichnet sich durch Wälder mit klimatoleranten und heimischen Baumarten in einer geeigneten Mischung und durch den Erhalt und die Entwicklung standortheimischer Lebensraumtypen aus autochthonen Baumarten aus. Deshalb sollte auch der private Waldbesitz einen möglichst hohen Anteil an nachhaltig bewirtschafteter Fläche aufweisen. Deshalb müssen Angebote des Vertragsnaturschutzes für Privatwaldbesitzer gestärkt und die Umsetzung des Waldumbaus so ermöglicht und beschleunigt werden. Öffentliche Gelder dürfen dabei nur für Maßnahmen zur Herstellung einer naturnahen Dauerwaldbewirtschaftung und für das dafür notwendige Wildmanagement erteilt werden.
Die Integration der Naturverjüngung in den Prozess der Wiederbewaldung stellt für Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer eine günstige Option dar. Doch deutlich überhöhte Schalenwildbestände verhindern und gefährden insbesondere durch Verbiss seit Jahrzehnten die Waldverjüngung in unseren Wäldern. Zum Schutz der Jungpflanzen müssen Anpflanzungen durch Gatter und Zäune geschützt werden. Gerade vor dem Hintergrund der großflächigen Waldschäden drohen hier enorme Kosten, verursacht durch die deutlich zu hohen Wildbestände im Wald. Um den Waldumbau hin zu klimastabilen Mischwäldern gestalten zu können, ist es erforderlich, die im Landesjagdgesetz verschriebenen Verbissgutachten konsequent zu erheben und die Jagd darauf anzupassen. Nur durch die Schaffung waldgerechter Wildbestände kann der Waldumbau gelingen, daher gilt es zukünftig, die naturnahe Waldentwicklung als zentralen Bestandteil in die Ausbildung von Jägerinnen und Jägern sowie in eine neue Jägerprüfungsordnung einfließen zu lassen.
Erste Schätzungen gehen davon aus, dass im Zuge der anhaltenden Trockenlage bis Ende 2020 etwa 25.000 ha Kahlflächen in NRW entstehen. Diese Schätzungen sind als eher konservativ zu beurteilen, da davon auszugehen ist, dass die Gradation des Befalls vermutlich vier bis fünf Jahre andauern wird. Die befallene Fläche kann sich demnach noch um ein Vielfaches vergrößern. Dabei müssen klimastabile und diversifizierte Baumarten ausgewählt werden, die am besten an die jeweilige zu bewaldende Fläche angepasst sind. Dazu ist zeitnah ein Konzept zur Nachzucht mit den Forstbaumschulen, Ökologinnen und Ökologen sowie Waldfachleuten in NRW abzustimmen. Der Landesbetrieb Wald und Holz NRW hat für die Staatswaldflächen ein naturnahes Wiederaufforstungskonzept zu erstellen, das Vorbildcharakter für den Privatwald hat.

III.      Unterstützung von privaten Waldbesitzerinnen und Waldbesitzern

In NRW befinden sich 64 Prozent der Waldfläche in Privatbesitz. Für viele der Besitzerinnen und Besitzer bedeutet das aktuelle Waldsterben einen erheblichen finanziellen Verlust, wodurch stellenweise die Mittel fehlen, um den Waldumbau zu stemmen. Für einzelne dürfte deshalb ein Verkauf ihrer Waldflächen auch eine Option sein. Waldflächen, die Waldbesitzerinnen und -besitzer freiwillig veräußern wollen, können mit Mitteln aus einem durch das Land auferlegten Waldfonds angeworben werden. Hierzu muss den Besitzerinnen und Besitzern ein faires und angemessenes Angebot unterbreitet werden. Die erworbenen Flächen sollen anschließend durch den Landesbetrieb Wald und Forst NRW naturnah bewirtschaftet werden. Alternativ ist auch eine Übertragung als gemeinschaftlicher Besitz an Waldgenossenschaften vorstellbar.
Die Erstellung eines Konzepts, wie Waldbesitzerinnen und -besitzer beim Umbau auf eine naturnahe ökologische Waldbewirtschaftung unterstützt werden können, muss zeitnah durch das zuständige Ministerium erfolgen. Auch landeseigene Förderprogramme sollten zukünftig stärker an einer klimaangepassten Waldbewirtschaftung ausgerichtet werden, um so deutlich mehr naturnahe, klimastabile Wälder in Nordrhein-Westfalen zu erhalten und den Umbau unserer Wirtschaftswälder zu beschleunigen. Aufgrund laufender Umstrukturierungsprozesse im Bereich Forst, bestehen derzeit zusätzlich Unsicherheiten. Eine Aussetzung der derzeitigen Forstreformen, insbesondere die geplante Umstellung der indirekten auf eine direkte Förderung, würde im Zuge der aktuellen Krisensituation im Wald zur zusätzlichen Entlastung der Besitzerinnen und –besitzer beitragen und sollte zumindest als Optionsmodell ermöglicht werden.
Aufgrund der derzeit anfallenden Holzmengen gilt es – soweit wie möglich – eine Entlastung des Holzmarktes herbeizuführen. Insbesondere Bauen mit Holz sollte stärker gefördert und bei zukünftigen Ausschreibungen mehr als bisher berücksichtigt werden. Die Forschung und die Technologieentwicklung zur Nutzung von Laubholz im Baugewerbe sind zu verstärken.
Es bedarf außerdem einer personellen Stabilisierung und Aufstockung der Waldarbeiterstellen in der Forstverwaltung sowie die Bereitstellung einer langfristigen und stabilen Grundlage für die Beschäftigten in der Forstwirtschaft insgesamt, um auch zukünftig fachlich qualifiziertes Personal generieren zu können. Die Initiierung einer Ausbildungsinitiative, die vom Land gemeinsam mit den öffentlichen und privaten Forstbetrieben getragen wird, soll darüber hinaus dazu beitragen, den anhaltenden Fachkräfteverlust abzufedern.
Der Ausbau des Forstlichen Bildungszentrums in Arnsberg zu einem Waldbildungszentrum kann einerseits dazu genutzt werden, um dem Personalbedarf stärker zu begegnen. Zusätzlich können hier verstärkt ökologische und klimatologische Zusammenhänge in den Ausbildungs- und der Weiterbildungslehrgängen der Wald- und Forstwirtschaft gelehrt werden und sich insbesondere zusätzlich auch an die privaten Waldbesitzerinnen und –besitzer wenden, um sie fit für die waldbaulichen Herausforderungen des Klimawandels zu machen.

IV.     Der Landtag stellt fest:

·       Der Wald besitzt als CO2-Senke und als Rückzugsraum für die Artenvielfalt eine große Bedeutung für den Klima- und den Naturschutz. Gleichzeitig ist er ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor, der regional eine erhebliche Bedeutung hat und ökologisch wertvolle Rohstoffe zur Verfügung stellt.
·       Die aktuellen Klimaveränderungen in Form von Extremwetterereignissen, wie ausbleibende Niederschläge oder schwere Stürme, nehmen in einer bisher nicht bekannten Intensität und Geschwindigkeit zu.
·       Unser Wald leidet in besonderem Maße unter den klimatischen Veränderungen, die einen raschen und gezielten Waldumbau notwendig machen.

V.       Der Landtag fordert die Landesregierung auf:

1.       Die Anstrengungen im Bereich Klimaschutz in allen Bereichen der Landespolitik deutlich zu verstärken, um der Ursache des Waldsterbens langfristig entgegenzuwirken.
2.       Einen Waldfonds NRW aufzulegen, für den 400.000.000 EUR im Landeshaushalt vorzusehen sind. Mit diesen Mitteln sollen Waldflächen zu einem angemessen Kaufpreis erworben werden, die Privatbesitzerinnen und -besitzer freiwillig veräußern wollen. Diese sind anschließend naturnah zu bewirtschaften und sollen auch als Gemeinschaftsbesitz in Waldgenossenschaften überführt werden können.
3.       Das Leitbild einer naturnahen Dauerbewirtschaftung in der nordrhein-westfälischen Wald- und Forstpolitik zu implementieren und sämtliche Landesförderprogramme an eine Bereitschaft zur klimaangepassten Waldbewirtschaftung zu binden.
4.       Ein Konzept zu erstellen, wie Waldbesitzerinnen und -besitzer beim Umbau auf eine naturnahe ökologische Waldbewirtschaftung unterstützt werden können.
5.       Über den Landesbetrieb Wald und Holz NRW für die Staatswaldflächen ein Wiederaufforstungskonzept zu entwickeln, das Vorbildcharakter für den Privatwald hat. Privatwaldbesitzerinnen und -besitzer soll der Landesbestrieb unterstützen und Vorschläge und Angebote unterbreiten.
6.       Die Naturverjüngung der Wälder durch eine angepasste Wildbejagung zu ermöglichen. Dazu müssen die vorgeschriebenen Verbissgutachten umgehend und flächendeckend erstellt und im Interesse des Waldes ausgewertet werden.
7.       Den Waldnaturschutz zu stärken und weitere Wildnisgebiete auszuweisen.
8.       Die derzeitigen Forstreformen hinsichtlich der geplanten Umstellung der indirekten auf eine direkte Förderung auszusetzen oder zumindest ein Optionsmodell für die Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer zu ermöglichen.
9.       Den Vertragsnaturschutz im Wald zu stärken, um die freiwillige Bereitschaft zur Sicherung naturnaher Waldlandschaften zukünftig stärker zu unterstützen.
10.    Sich für eine Entlastung des Holzmarktes durch die Schaffung weiterer Absatzmöglichkeiten durch eine offensive Holzbauweise einzusetzen. Dazu gehört eine stärkere Förderung des Holzbaus und eine Intensivierung der Forschung zur Nutzung von Laubholz im Baugewerbe.
11.    Gemeinsam mit den Baumschulen ein Konzept zur Nachzucht abzustimmen, um den Prozess einer klimastabilen Wiederaufforstung der entstandenen Kahlflächen verlässlich zu organisieren.
12.    Die Forstverwaltung durch die Aufstockung personeller Kapazitäten und die Schaffung einer nachhaltigen, wirtschaftlichen Grundlage leistungsfähiger aufzubauen.
13.    Eine Ausbildungsinitiative gemeinsam mit den öffentlichen als auch den privaten Forstbetrieben zu initiieren und somit den anhaltenden Fachkräfteverlust abzufedern.
14.    Das Forstliche Bildungszentrum in Arnsberg zu einem Waldbildungszentrum weiterzuentwickeln, um hier verstärkt ökologische und klimatologische Zusammenhänge in den Ausbildungs- und der Weiterbildungslehrgängen der Wald- und Forstwirtschaft zu lehren.