Opfer im Strafverfahren weiter stärken – psychosoziale Prozessbegleitung vereinfachen

Antrag der Fraktionen von CDU, FDP und GRÜNEN

I.  Ausgangslage
Die psychosoziale Prozessbegleitung wurde durch das 3. Opferrechtsreformgesetz in Form des § 406g StPO durch den Bundesgesetzgeber zum 1. Januar 2017 eingeführt. Mit der psychosozialen Prozessbegleitung steht damit ein wertvolles Instrument zur Verfügung, dass die bestehenden Angebote der Opfer- und Zeugenbetreuung und -beratung ergänzt. Die psychosoziale Prozessbegleitung soll zum einen Opfern schwerer Straftaten eine echte Hilfe und Unterstützung bieten, da sie nicht selten erheblich durch die Straftat traumatisiert wurden. Zum anderen soll sie ihnen das Verständnis des Strafprozesses erleichtern und gleichzeitig Sicherheit und Orientierung vermitteln. Die psychosoziale Prozessbegleitung stellt eine Schnittstelle zu den sonstigen Akteuren des Strafverfahrens und der Opferhilfe dar. Sie ist geprägt von Neutralität gegenüber dem Strafverfahren und umfasst die Informationsvermittlung sowie die qualifizierte Betreuung im gesamten Verfahren mit dem Ziel, die individuelle Belastung der Verletzten zu reduzieren und ihre Sekundärviktimisierung zu vermeiden. Sie beinhaltet jedoch nicht die Aufgaben anderer Professionen, wie beispielsweise rechtliche Beratung, Sachverhaltsaufklärung oder therapeutische Behandlung. Aufgrund der systematischen Ausrichtung haben psychosoziale Prozessbegleiterinnen und Prozessbegleiter das Recht, bei Vernehmungen und während der Hauptverhandlung gemeinsam mit dem oder der Verletzten anwesend zu sein.
Seit der gesetzlichen Normierung der psychosozialen Prozessbegleitung sind in Nordrhein- Westfalen nur leicht steigende Fallzahlen zu beobachten. Im Jahr 2018 gab es für Nordrhein- Westfalen nur150 Beiordnungen. Im Gegensatz dazu waren mit Stand März 2019 bereits 151 psychosoziale Prozessbegleiter in Nordrhein-Westfalen anerkannt. Insgesamt besteht also weiterhin eine recht geringe Anzahl an Beiordnungen. Es ist daher davon auszugehen, dass das Instrument der psychosozialen Prozessbetreuung sowohl bei den Verletzten von Straftaten selbst als auch bei den sonstigen Beteiligten des Strafverfahrens (insbesondere Polizei, Anwaltschaft und Justiz) noch nicht durchweg bekannt und akzeptiert ist. Sowohl durch das nordrhein-westfälische Ministerium der Justiz als auch durch die unabhängige Opferschutzbeauftragte des Landes Nordrhein-Westfalen wurden bereits erhebliche Anstrengungen unternommen, um das Instrument bekannter und verständlich zu machen. Neben den Anstrengungen der Prozessbegleiterinnen und Prozessbegleiter in ihren jeweiligen Tätigkeitsbezirken dürften auch der enge Austausch zwischen der Koordinierungsstelle Psychosoziale Prozessbegleitung und dem Justizministerium sowie das Bemühen um örtliche Vernetzung durch die Opferschutzbeauftragte zu den immerhin leicht steigenden Fallzahlen beigetragen haben.

Nach der gut zweijährigen Laufzeit der psychosozialen Prozessbegleitung ist es notwendig, die Bekanntheit und Akzeptanz dieses wertvollen Instruments weiter zu steigern und um weitere Angebote und Maßnahmen zu ergänzen. Zu prüfen ist auch, ob durch eine Anpassung des Begriffs „Psychosoziale Prozessbegleitung“ Hemmnisse oder Fehlvorstellungen reduziert werden können, die der derzeitige Begriff zum Teil auslöst. Beispielsweise kann eine Begleitung auch bereits im Ermittlungsverfahren erfolgen. Dieser Umfang ergibt sich für den Betroffenen jedoch nicht aus der vorhandenen Begrifflichkeit.
Die Unterstützung und Stärkung von Opfern ist ein zentraler Bestandteil der Landespolitik. Menschen, die Schlimmes erleben mussten, müssen die Chance erhalten, das Erlebte bestmöglich zu verarbeiten. Die psychosoziale Prozessbegleitung kann diese Verarbeitung unterstützen und Verletzten in der für sie oftmals belastenden Situation des Strafverfahrens Orientierung und Sicherheit bieten. Daher gilt es, dieses wichtige Instrument im Sinne der Betroffenen bestmöglich anzupassen und praktisch auszugestalten.

II.  Beschlussfassung

Der Landtag stellt fest:
1.     Das Instrument der Psychosozialen Prozessbegleitung ist ein wichtiges Instrument zur Stärkung von Verletzten im Strafprozess.
2.     Psychosoziale Prozessbegleitung bietet Verletzten die Chance, die strafprozessuale Aufarbeitung des Geschehens zu verstehen sowie nachzuvollziehen und kann so erheblich zur Verarbeitung der Straftat und zur Akzeptanz des Strafverfahrens beitragen.
3.     Die Bekanntheit und Inanspruchnahme psychosozialer Prozessbegleitung muss gefördert werden.
Der Landtag beauftragt die Landesregierung,
–        Informationsangebote     zur     psychosozialen     Prozessbegleitung                                 in       einfacher, niederschwelliger Sprache und in verschiedenen Sprachen bereitzustellen,
–        mit  Hilfe  einer  öffentlichkeitswirksamen Kampagne erneut      auf das Instrument der psychosozialen Prozessbegleitung aufmerksam zu machen,
–        sowie     zugleich     für     eine     weitere     Sensibilisierung     und     Vernetzung der Verfahrensbeteiligten, insbesondere in den Geschäftsbereichen der Justiz, zu sorgen,
–        ein standardmäßiges Verfahren zu entwickeln, mit dem die Opfer im Strafverfahren noch einmal gesondert und auch zeitlich abgesetzt Informationen zur psychosozialen Prozessbegleitung erhalten,
–        ein Formular für die Beantragung einer Beiordnung psychosozialer Prozessbegleitung für Verletzte bereitzustellen,
–        auf eine beschleunigte Bearbeitung von Beiordnungsanträgen für psychosoziale Prozessbegleitung an Gerichten hinzuwirken,
–        auf Bundesebene darauf hinzuwirken, dass das Antragserfordernis zur Beiordnung einer psychosozialen Prozessbegleitung für minderjährige Verletzte einer Straftat entfällt,
–        auf Bundesebene darauf hinzuwirken, dass die beiordnungsfähigen Deliktsgruppen, insbesondere auf Betroffene von häuslicher Gewalt, um §§ 223 I, 224 StGB erweitert werden sowie darauf hinzuwirken, dass ein Beiordnungsanspruch für erwachsene Opfer von Sexualdelikten unabhängig vom Kriterium der besonderen Schutzbedürftigkeit in die Strafprozessordnung aufgenommen wird,
–        und auf Bundesebene auf eine Anpassung bzw. Umbenennung hinzuwirken, die verdeutlicht, dass das Instrument der psychosozialen Prozessbegleitung bereits ab dem Ermittlungsverfahren in Anspruch genommen werden kann.