Mehrdad Mostofizadeh: „Sie haben uns auch ganz klar an Ihrer Seite, wenn es um die Verstärkung von Personal geht“

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktionen von CDU und FDP zur Clankriminalität

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin ehrlich gesagt etwas erstaunt, dass wir in der Aktuellen Stunde in dieser Art und Weise über das Thema reden, aber jetzt tun wir es. Ich möchte einige Argumente aufgreifen, die hier in der Debatte gefallen sind.
Frau Kollegin Erwin, Sie haben eben – ich glaube, wörtlich – gesagt: In NRW gilt das Gesetz des Staates und nicht das der Familie. – Wenn man das betonen muss, Frau Kollegin, dann hat man doch ein Problem mit dem Rechtsstaatsverständnis. Wenn das wirklich in diesem Parlament infrage gestanden hätte, dann müssten wir uns doch alle miteinander fragen, was hier los ist. Ich weise das mit Entschiedenheit zurück, falls Sie das auf andere Fraktionen gemünzt haben. Wenn Sie das für Ihre Fraktion feststellen mussten, ist das aus meiner Sicht ein ziemlich beachtliches Bild, das Sie von Ihrer Fraktion abgeben.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Aber mir ist ein anderer Punkt sehr wichtig. Wir haben es bei der Organisierten Kriminalität – und das ist der Begriff, der im Strafgesetzbuch steht – mit einem Phänomen zu tun, das sich zu meinem Bedauern und zu meinem Erschrecken leider auch in einigen Stadtteilen von Essen in besonderer Weise abspielt. Es geht darum, dass in Familien mit patriarchalen Strukturen, mit Unterdrückung und männlicher Stärke Familienmitglieder, die sich dem entziehen wollen, unter Druck gesetzt werden, wenn sie nicht mitmachen möchten. Es muss Aufgabe des Staates, Aufgabe der Sozialarbeit und aller beteiligten Gruppen sein, das zu unterbinden und die zu stärken, die genau darunter leiden, und nicht, hier mit Parolen auf dicke Hose zu machen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Herr Innenminister Reul, Sie haben uns – gerade die grüne Fraktion – ganz klar an Ihrer Seite, wenn Sie dafür sorgen, dass Recht und Ordnung eingehalten werden.
(Zurufe von der CDU und der FDP)
Sie haben uns an Ihrer Seite, wenn Polizistinnen und Polizisten dafür sorgen, dass Straftaten bekämpft werden.
Und Sie haben uns auch ganz klar an Ihrer Seite, wenn es um die Verstärkung von Personal geht, wenn das nicht funktionieren sollte. Das stellen wir auch mit keiner Silbe infrage.
Fragen haben wir aber zum Umgang mit der Begrifflichkeit. Da kann ich nur den Lagebericht selbst zitieren, liebe Kolleginnen und Kollegen. Darin steht:
„Der Begriff ‚Clankriminalität‘ ist nicht legal definiert. Auch auf polizeifachlicher Ebene besteht weder im Bund noch in den Ländern ein einheitliches Verständnis darüber, welche Kriterien einen – sogar hier in Anführungszeichen – ‚Clan‘ ausmachen, ab wann eine Gruppierung dem zuzurechnen ist und welche Phänomene und Sachverhalte unter ‚Clankriminalität‘ zu subsumieren sind.“
Nichts anderes hat Frau Schäffer hier in ihrer sehr sachlichen Rede vorgetragen.
(Dr. Christos Georg Katzidis [CDU]: Weiterlesen!)
– Was?
(Erneut Zuruf von Dr. Christos Georg Katzidis [CDU] – Gegenruf von der SPD)
– Herr Kollege, „nicht legal definiert“ wird auch später nicht definiert. Was Sie machen, ist eine sozialwissenschaftliche Definition, aber keine rechtliche Definition. Das ist der große Unterschied.
Deswegen, Herr Kollege Katzidis, komme ich auch auf das zu sprechen, was im Rechtsausschuss gelaufen ist.
(Zuruf von der CDU)
Herr Minister Reul, uns liegt ein Bericht des Rechtsausschusses vom 20. November vor. In der Sitzung wurden die Fragen gestellt: Wie viele Ermittlungsverfahren laufen zurzeit gegen Clanmitglieder? Bei welcher Staatsanwaltschaft wurden diese Ermittlungsverfahren geführt? – Es gab noch viele weitere Fragen. Die Antwort lautete: Im Übrigen liegt noch keine valide Grundlage für eine umfassende Beantwortung der aufgeworfenen Fragen vor. – Sie haben keine Grundlagen, diese Fragen zu beantworten, suggerieren aber dem Parlament, auf Basis von Grundlagen zu agieren. Das ist doch absurd, Herr Minister Reul.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich bin ganz froh, dass eine Fraktion in diesem Haus etwas aufgegriffen hat, was auch die Junge Union Essen versucht hat, nämlich Personen zu titulieren; denn es könnte um Wahlniederlagen im Ruhrgebiet gehen. Ich kann nur davor warnen, dieses Thema dafür zu missbrauchen, rechtslastigen Tendenzen und der Diffamierung Vorschub zu leisten. Da werden weder CDU noch SPD noch Grüne gewinnen, sondern eine ganz andere Gruppierung.
(Zuruf von der AfD)
Ob das im Sinne derjenigen ist, die im Ruhrgebiet leben, das wage ich zu bezweifeln.
Ich kann nur dazu raten – und ich werde in den nächsten Monaten alles dafür tun, dass es so kommt –, dass wir uns mit hohem Engagement diesem Problem stellen, dass wir uns mit hohem Engagement damit auseinandersetzen, und zwar sachlich, vernünftig und präzise.
Aber was ich und meine Fraktion ganz bestimmt nicht mitmachen werden – deswegen bin ich Frau Schäffer dankbar für ihren sehr sachlichen Beitrag –: Sippenhaft, Diffamierung und Ausgrenzung wird es mit der Grünen-Fraktion definitiv nicht geben, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall von den GRÜNEN)

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