Matthi Bolte-Richter: „So, dass die digitale Verwaltung agiler, schneller bürgernäher ist und besser und effizienter für die Bürgerinnen und Bürger funktioniert“

Entwurf zum Haushaltsplan 2020 - Innovation und Digitalisierung - zweite Lesung

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Florian Braun, ich habe gerade schon gedacht, ob wir uns vielleicht im nächsten Jahr nicht einfach gegenseitig die Reden schreiben sollten. Das war schon gut antizipiert, was bei uns an Kritikpunkten zu diesem Einzelplan anzumerken ist.
Ich finde es interessant, dass wir uns an einer Stelle einig sind, denn Sie haben am Ende gesagt: Na ja, vielleicht doch gar nicht so schlecht. – Das war ja recht ostwestfälisch. Daher scheint es eventuell zu klappen.
Wir sollten uns an einer Stelle aber durchaus – es hat sich durch die ganze Debatte gezogen, dass da eine gewisse Einigkeit besteht – klar darüber sein, dass wir vor einem enormen Transformationsprozess stehen.
Ich will an dieser Stelle ganz klar sagen, dass uns dieser Transformationsprozess, dass uns die Bekämpfung der Klimakrise nur dann gelingen wird, wenn wir das digital gestalten.
Dafür brauchen wir Innovationen, dafür brauchen wir ganz großes Engagement. Wir haben einfach noch mehr zu tun, als das, was bisher passiert.
Was passiert bisher? – Wir bewundern im Moment ausschließlich die Investitionen, die es in künstliche Intelligenz in China und in Amerika gibt, ohne selbst einmal einen europäischen gemeinsamen Weg, der irgendwo zwischen den beiden „Anything goes“ – entweder radikal libertär oder radikal autoritär – liegt, zu definieren.
Das gelingt, wenn wir Algorithmen demokratisch zu kontrollieren lernen. Das gelingt auch, wenn wir IT-Sicherheit und Datenschutz als den Markenkern der deutschen IT-Wirtschaft definieren, stärken und nicht länger die deutsche Innenministerkonferenz das größte Risiko für den IT-Standort Deutschland ist.
(Beifall von den GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir hatten heute Mittag schon eine kleine digitalpolitische Generaldebatte. Ich will aus dieser Debatte mitnehmen, dass wir noch eine ganze Menge zu tun haben.
Über das Thema „Infrastrukturausbau“ haben wir sehr viel gesprochen. Ich würde mir da deutlich mehr Akzente wünschen, wenn es darum geht, die Kommunen wirklich zu unterstützen.
Das ist nicht nur eine Frage von Fördermitteln, sondern vor allem, wie es uns gelingt, dass die Fördermittel auch tatsächlich vor Ort ankommen. Es ist doch eine Quote, die uns allen gemeinsam Sorge machen muss:
Wenn 870 Millionen Euro bewilligt sind und davon nur 29 Millionen Euro ankommen, muss doch irgendetwas im System nicht funktionieren. Dann muss man wirklich die Vereinfachung des Verfahrens angehen und Bürokratie abbauen.
Das ist genauso bei der Gründungsförderung. Ich hoffe, dass die Gründungsförderung bei Schwarz-Gelb auch jetzt noch im Fokus bleibt. Dem letzten Start-up-Monitor konnten wir nämlich entnehmen, dass Gründerinnen und Gründer zu 43,6 % die Grünen als die Start-up-Partei wählen.
Hoffentlich bleiben Sie an dem Thema trotzdem dran, weil gerade jedes dritte Start-up, was in dieser Untersuchung befragt wurde, ein grünes Geschäftsmodell hat, das aktiv diese Transformation, von der ich eben gesprochen habe, mitgestalten will.
Diese Start-ups brauchen eine Unterstützung, die darüber hinausgeht, dass man schöne Fotos mit ihnen macht, man bewundert, was da passiert, und sie dann darauf verweist, dass es irgendwie eine allgemeine Gründungsförderung gibt, aber keine speziellen Angebote für sie.
Da erwarten wir tatsächlich ein deutliches Vorankommen. Bisher haben Sie alle Anträge von uns abgelehnt; vielleicht klappt es ja beim nächsten Anlauf.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte gern noch einen Punkt herausheben, nämlich die digitale Verwaltung – zum einen, weil wir bei der digitalen Verwaltung die Erfahrung machen, dass Verwaltung für viele Menschen der einzige Zugang zur Staatlichkeit ist und wir insofern diesen Digitalisierungsprozess als einen Demokratierevitalisierungsprozess nutzen müssen.
Zum anderen – das ist etwas, was wir wirklich von Estland lernen können; es ist in Deutschland immer eine gewagte These, wenn man das sagt – kann öffentliche IT eine Top-Runner-Funktion haben und den Digitalstandort tatsächlich voranbringen, wenn man es gut macht, wenn man es sicher macht und wenn man es mit funktionierenden Infrastrukturen aufbaut, vor allem, wenn man digitale Administration nicht allein als ein Kostensparmodell versteht, sondern so aufbaut, dass diese digitale Verwaltung agiler, schneller bürgernäher ist und besser und effizienter für die Bürgerinnen und Bürger funktioniert.
Da hat Schwarz-Gelb die Hausaufgaben eindeutig nicht gemacht. Herr Minister, Sie haben dreimal Zeitpläne angekündigt, Sie haben sie dreimal gerissen.
Wir haben immer noch keinen Entwurf für das E-Government-Gesetz im Parlament. Es ist schön, dass Sie dazu noch eine weitere Konsultation machen; aber machen Sie da bitte endlich etwas.
Vor allem unterlegen Sie das tatsächlich mit einer wirklichen Finanzausstattung, die dann auch dazu führt, dass dieses Ziel erreicht wird. Wenn es schneller gehen soll, habe ich überhaupt nichts dagegen, aber es muss dann auch finanziell unterlegt sein, sodass es für die Verwaltung, für die Beschäftigten und am Ende des Tages auch für die Bürgerinnen und Bürger funktioniert.