Monika Düker: „Das ist für uns keine zukunftsfähige Finanzpolitik“

Entwurf der Landesregierung für das Haushaltsgesetz 2020 - zweite Lesung

Monika Düker (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Arne Moritz, ja, unsere Kritik in der ersten Lesung, dass dieser Haushalt zu wenige Investitionen aufweist, die Investitionsquote zu gering ist, können wir nur aufrechterhalten, denn alle Sachverständigen in der Anhörung haben auf diesen Mangel sehr deutlich hingewiesen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Studierendenwohnheime, Krankenhäuser, Schulen, Kommunen: Nahezu alle öffentlichen Einrichtungen beklagen mangelnde Investitionen und mahnen an, dass die Investitionsquote gesteigert wird.
Schaut man sich die Steuereinnahmen an, wäre das ja auch möglich. 55 Milliarden Euro hatten wir noch 2017. Der Finanzminister verfügt im Jahr 2020, drei Jahre später, über 10 Milliarden Euro mehr Steuereinnahmen. – Herr Lienenkämper, das sind fast 20 % Steuereinnahmen mehr.
Sie schaffen es, die Investitionsquote in der Mittelfristigen Finanzplanung sinken zu lassen. Gleichzeitig haben Sie weniger Ausgaben. Allein für flüchtlingsbedingte Kosten mussten wir 2016 noch 2 Milliarden Euro mehr ausgeben. Das heißt, Sie haben Minderausgaben in einem wesentlichen Bereich der Politik. Sie haben Mehreinnahmen durch Steuern. Die Investitionsquote sinkt. Das ist für uns keine zukunftsfähige Finanzpolitik, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Was wurde denn früher vollmundig versprochen? Der Ministerpräsident hat in seiner letzten Haushaltsrede in der letzten Legislaturperiode am 14.12.2016 zum Haushalt 2017 der rot­grünen Landesregierung gesagt: Unsere Perspektive ist eine sogenannte Eindrittellösung für die Steuermehreinnahmen – ein Drittel für Schuldenabbau, ein Drittel für Investitionen, und ein Drittel soll den Bürgerinnen und Bürgern zurückgegeben werden.
Von den 10 Milliarden Euro Steuermehreinnahmen, Herr Lienenkämper, geben Sie nichts in den Schuldenabbau. Sie geben zu wenig in Investitionen, und entlastet werden die Bürgerin­nen und Bürger auch nicht. Das könnten Sie zum Beispiel bei der Grunderwerbsteuer machen, die ja auch üppig sprudelt.
Auch hier gilt: Hätten Sie das gemacht, was der jetzige Ministerpräsident und damalige Op­positionsführer angekündigt hat, hätten Sie also diese wunderbare Drittelformel tatsächlich umgesetzt, Herr Laschet, hätten wir jetzt statt 8 Milliarden Euro für Investitionen 10 Milliarden Euro, und dann hätten wir statt einer Investitionsquote von 10 % eine Quote von 12,5 %.
Herr Ministerpräsident, es gibt Ministerpräsidenten, die tatsächlich tun, was sie sagen. Leider muss ich da das Beispiel Bayern anführen. Aber Sie vergleichen sich doch so gern mit Bayern und sind da oft in Gesprächen. Fragen Sie doch mal Herrn Söder, wie die das machen. Er twitterte gestern:
„Investitions-Turbo für Bayern: Mit 8,8 Mrd. Euro erreicht der bayerische Haushalt 2020 eine Investitionsquote von fast 15 Prozent. Der Bund kommt 2020 auf nur 11,9 Prozent. Wir machen Bayern fit für die Zukunft.“
(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])
Herr Ministerpräsident, das gibt nicht nur Likes, viele Likes, sondern das ist auch gut fürs Land. Vielleicht fragen Sie den Kollegen mal …
(Zurufe von Armin Laschet, Ministerpräsident, und Matthias Kerkhoff [CDU]) – Ja, natürlich! Natürlich!
Der Finanzminister, Ihr Kollege Herr Füracker, Herr Lienenkämper, sagt zu Recht, bei dro­hender wirtschaftlicher Eintrübung müsse man Investitionen den Vorrang geben. Die kommen nur auf diese Investitionsquote, weil sie mit Nachtragshaushalten für 2019 und 2020 noch mal ordentlich nachlegen, 900 Millionen Euro für Investitionen draufpacken, und zwar genau da, wo sie hingehören: für Sanierungsprogramme, Hochschulen, Digitalisierung, Klimaschutz und anderes mehr.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, großer Verlierer dieser schwarz-gelben Haushaltspolitik sind vor allen Dingen die Kommunen. Sie scheinen keine gute Lobby hier in der Landesregierung zu haben. Dabei stehen sie vor großen Herausforderungen im Bereich Klimaschutz. Die Verkehrswende muss gemanagt werden. Energetische Sanierungen sind notwendig, Klimafolgeanpassungen sind notwendig. Der Städte- und Gemeindebund mahnte das dringend an. Es geht nicht nur um Frischluftschneisen und Entsiegelungen. Die Kanalnetze müssen für Starkregenereignisse angepasst werden usw. usf.
Wir haben ein Programm vorgestellt, wie wir die Kommunen mit einem Investitionsprogramm unterstützen können. An der Stelle kommt nichts von der Landesregierung.
Beispiel Altschuldenlast: Insbesondere unsere Stärkungspaktkommunen warten dringend auf den Altschuldenfonds. Frau Scharrenbach, wann liefern Sie endlich? Sie haben es mehrfach angekündigt.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ja, man kann immer auf den Bund zeigen. Natürlich, Sie machen Kongresse. Wir haben auch eine nette Einladung zu Fachveranstaltungen bekommen. Man kann darüber noch Jahre weiterdiskutieren. Es muss jetzt gehandelt werden. Jetzt brauchen die Kommunen die Entlas­tung, damit sie wieder investieren können.
Beispiel Flüchtlingsfinanzierung: Auch hier wurde viel versprochen und nichts gehalten. Zur Anpassung der Pauschalen für die Unterbringung der Geflüchteten liegen die Zahlen auf dem Tisch. Die Pauschalen werden nicht angepasst.
Zur Erweiterung des Personenkreises der Geduldeten über drei Monate hinaus: Die Kommunen warten händeringend darauf, dass auch diese Ankündigung endlich umgesetzt wird.
Jetzt kommt das Allerinteressanteste: die Weiterleitung der Integrationspauschale, die die Landesregierung in diesem Jahr verweigert. Ich bin gespannt, ob die Koalitionsfraktionen in der dritten Lesung des Haushalts hier noch liefern.
Die Begründung ist, das sei jetzt gar keine Integrationspauschale des Bundes mehr. Sie heißt zwar so und wird überall so genannt – auch die Bundesregierung und die Große Koalition in Berlin kommentieren, dass das die Fortsetzung der Integrationspauschale in geringerem Umfang ist –, nur die Landesregierung sagt: Da steht zwar „Integrationspauschale“ drauf, das ist aber eigentlich etwas ganz anderes, und deswegen leiten wir sie nicht weiter. – Das ist nicht mehr nachvollziehbar. Das ist einfach ein Wortbruch.
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Wir erwarten, dass in der dritten Lesung noch Änderungsanträge dazu kommen. Die Kom­munen warten händeringend auf diese Mittel; denn sie haben ja schon weniger Einnahmen durch die Reduzierung. Sie brauchen dieses Geld für die Integration. Es wird ja immer angemahnt, dass wir Mittel dafür brauchen.
Letzter Punkt: Die Digitalisierungsstrategie war der ganz große Schwerpunkt beim Start dieser Landesregierung. Was lesen wir im Koalitionsvertrag nicht alles über Masterplan, Gigabit-Ziele, Taskforce „Breitband“, Digital First? Was ist von der großen Rhetorik geblieben, wenn man sich den Haushalt anschaut? Haushalt ist ja bekanntlich Politik in Zahlen. Für alle, wirklich für alle Vertreter öffentlicher Einrichtungen waren in der Anhörung neben dem Investitionsstau fehlende Mittel für den Digitalausbau der Hauptkritikpunkt.
Die Krankenhäuser sind erst gar nicht in der Digitalstrategie berücksichtigt. Bei der Polizei fehlen mobile Endgeräte.
Hochschulen: Allein eine Fachhochschule bräuchte so viele Mittel, wie die Regierung insgesamt pro Jahr an die Hochschulen gibt.
Zu den Pflegeeinrichtungen und der Finanzverwaltung bringt es Manfred Lehmann von der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, wie ich finde, gut auf den Punkt. Er sagte in der Anhörung – ich zitiere aus dem Ausschussprotokoll 17/784 –:
„Denn bei dem landesweiten Projekt der Digitalisierung können wir nicht einerseits die Kosten minimieren und andererseits die angestrebten Ziele erhöhen.“
So viel zu den ganzen Plänen.
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)
Beim eGovernment sind wir schon 2025 so weit. – Nein, hier fehlt es an allen Ecken und Enden.
Große Versprechen gab es beim Mobilfunkpakt. Was ist geblieben von der Zusage – Achtung, es gab eine Zusage von Minister Pinkwart –, dass es bis Ende 2019 wenigstens an den Verkehrswegen keine Funklöcher mehr in NRW gibt? Okay, wir haben November, es ist noch nicht ganz Ende 2019. Als ich in der letzten Woche im ICE von Köln nach Düsseldorf telefonieren wollte, war das immer noch nicht möglich. Von den Regionen in Ostwestfalen will ich gar nicht sprechen. In Nordrhein-Westfalen können wir also auf dem Weg von Köln nach Düsseldorf nicht telefonieren, im Ruhrgebiet ist es fast unmöglich. – So viel zu den vollmundigen Ankündigungen, die Funklöcher zu schließen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Warum kann Bayern eigene Mobilfunkmasken finanzieren, NRW schafft es aber offenbar nicht?
Zum Ausbauprogramm „Breitband“: Im Koalitionsvertrag wurde angekündigt, die Förderprogramme zu bündeln und zu vereinfachen. Achtung, Faktencheck beim Breitbandausbau: Aus dem Programm der Frequenzversteigerung 2015, also dem vorletzten Programm, sind für NRW 878 Millionen Euro seit 2016 bewilligt, bis jetzt aber nur 29 Millionen Euro tatsächlich abgerufen worden.
Ich frage diese Landesregierung: Was machen Sie denn, um die Kommunen konkret zu unterstützen, damit das Geld jenseits dieser Zahlen im Haushalt tatsächlich verausgabt wird, und um die Regionen, die es wirklich brauchen, endlich auch an Breitband anzubinden? Das Geld bleibt liegen. Nichts ist es mit der Vereinfachung von Förderprogrammen, der Bündelung und dem Bürokratieabbau. Das Geld wird schlicht nicht abgerufen und nicht ausgegeben.
(Beifall von den GRÜNEN)
Fazit: Die Landesregierung scheitert mit diesem Haushalt an den Ansprüchen an eine nachhaltige Finanzpolitik. Sträflich vernachlässigt werden die Investitionen, die angesichts der Konjunkturflaute, die kommen wird, dringend notwendig werden. Die großen Verlierer sind die Kommunen. Ich mache mir große Sorgen um unsere kommunale Verfasstheit; denn die Kom­munen haben in dieser Regierung offenbar wenig Lobby.
Bei der Zukunftsfrage „Digitalisierung“ bleibt es bei viel Rhetorik und Zielsetzungen. Mit dem Realitätscheck sieht es anders aus: Vor Ort kommt nichts an. Wir haben Änderungsanträge dazu vorgelegt, wie wir zukunftsfähige Investitionen tätigen können.
Die Regierung wird hoffentlich in der dritten Lesung zum Haushalt durch die Koalitionsfraktionen noch etwas liefern. Aber erst einmal bleibt es bei unserer Kritik, Herr Moritz: Dieser Haushalt hat keine Zukunftsstrategie. – Danke schön.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

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