Die Mobile Digitalwerkstatt – wie es wirklich war…

Kleine Anfrage von Sigrid Beer

Die freihändige Vergabe der Mobilen Digitalwerkstatt an HABA hat zu kritischen Nachfragen geführt und war verschiedentlich Gegenstand von Debatten im Schulausschuss und im Plenum des Landtags. Dabei ging es um die Frage, ob eine europaweite Ausschreibung hätte erfolgen müssen, worauf das Ministerium auch vor der Vergabe hingewiesen wurde. Das Ministerium vertrat die Auffassung, dass sie eine Markterkundung gemacht habe und es keine weiteren Anbieter gebe, womit die Vergabe an HABA möglich sei. Auf meine Nachfrage im Schulausschuss am 13.03.2019, wer diese durchgeführt hat, antwortete die Ministerin mit:
„Durchgeführt wurde sie vom zuständigen Fachreferat im Ministerium für Schule und Bildung.“ (Ausschussprotokoll APr 17559, S. 34). Aus den Unterlagen, die über das Informationsfreiheitsgesetz vom Ministerium veröffentlicht sind, ergibt sich aus dem Mailverkehr, dass eine Mitarbeiterin des Büros der Ministerin damit beauftragt wurde, die zu dem Zeitpunkt eben noch nicht Mitarbeiterin des entsprechenden Referats (laut Organigramm vom 1.7.2018) war.
Die Markterkundung erfolgte laut Ministerin Gebauer in den deutschsprachigen Ländern. Von einer eigentlich vorgeschriebenen europaweiten Markterkundung sei abgesehen worden. Als Begründung erläuterte Ministerin Gebauer: „Da es bundesweit keinen Markt für das Projekt gab, war nicht zu erwarten, dass es im europäischen Ausland Anbieter für eine mobile Lösung auf der Grundlage des Medienkompetenzrahmens in Nordrhein-Westfalen gibt.“ (APr 17/559, S. 36)
In der Beratung im Schulausschuss am 13. März 2019 ging es auch um die Frage, ob eine parteipolitische Nähe vermutet werden kann. Die Auftragnehmerin Verena Pausder hatte 2017 an die 50.100 Euro gespendet und ist Mitglied im Wirtschaftsforum der FDP.
Im Ausschussprotokoll (APr17/559, S. 36) heißt es:
Sigrid Beer (GRÜNE): Frau Ministerin, vielen Dank für die Ausführungen. Meine Frage, wie der Kontakt zum Anbieter letztlich zustande gekommen ist, wurde allerdings noch nicht beantwortet.
(Ministerin Yvonne Gebauer [MSB]: Doch, habe ich getan!)
Ich frage noch mal präzise nach: Gab es Vermittlungen von Abgeordneten, die auf Sie zugekommen sind? Ist im Rahmen der Markterkundung der Erstkontakt zwischen Ministerium und Anbieter zustande gekommen? Oder ist Ihnen das über andere Kanäle vorgestellt worden? Wie sind Sie darauf aufmerksam geworden?
Und einige Zeit später die erneute Nachfrage (APr 17/559, S. 39)
Im Übrigen habe ich noch immer keine Antwort auf die Frage bekommen, wie denn nun der Erstkontakt zu der Anbieterin zustande gekommen ist: Ist das über politische Kreise an Sie herangetragen worden?
Ministerin Gebauer antwortete dann laut Protokoll (APr 17559, S. 42):
Ministerin Yvonne Gebauer (MSB): Ich bin noch die eine oder andere Antwort schuldig geblieben, was nichts damit zu tun hat, dass ich sie Ihnen nicht geben wollte, aber manchmal muss man erst mal seine Sachen sortieren.
Frau Beer, Sie hatten gefragt, wie der Erstkontakt zu HABA zustande gekommen ist. – Ich habe bereits ausgeführt, dass wir im Hause von Frühjahr bis Sommer 2018 die Markterkundung durchgeführt haben. Dabei ist auch – und das ist selbstverständlich nachvollziehbar – die Firma HABA zutage getreten.
Die Firma HABA hat im April ihre stationäre Digitalwerkstatt in Lippstadt, Nordrhein- Westfalen, eröffnet. Es waren bereits viele Abgeordnete und Bürgermeister vor Ort. Wegen eines Termins in Berlin haben wir die stationäre Digitalwerkstatt dort besucht, die allerdings gleichwertig mit der in Lippstadt ist. Da es sich aber – in Anführungszeichen – nur um einen Besuch handelte und keine Gespräche stattfanden, kamen wir im Nachgang zu dem Schluss, dass es interessant wäre, mit den Verantwortlichen zu sprechen. Dieses Gespräch – ich erwähnte es bereits – fand im Landtag am Rande des Plenums statt, da das die einfachste Möglichkeit der Terminierung war.
Aus dem veröffentlichten Mailverkehr geht hervor, dass das Treffen am Rande des Plenums am 25.04.2018 stattfand. Die Lippstädter Zeitung „Der Patriot“ berichtet nun am 17.07.2019, dass der FDP-Fraktionsvorsitzende Christof Rasche für sich die Anbahnung in Anspruch nimmt. Im Artikel heißt es:
„Kennen gelernt hatte Rasche die Unternehmerin bei einer Veranstaltung der Hochschule Hamm-Lippstadt. Ein weiteres Treffen gab es am Rande des FDP-Bundesparteitages in Berlin im Jahre 2017. Mit Parteifreunden, u.a. Andreas Pinkwart, besichtigte Rasche damals die Haba-Digitalwerkstatt in der Hauptstadt. In einem anschließenden Gespräch zwischen Pausder und Rasche soll dann die Idee entstanden sein, eine ähnlich ausgestattete Werkstatt mobil durch die NRW-Schullandschaft rollen zu lassen. Rasche sorgte letztlich im Herbst 2018 dafür, dass das rollende Digitalklassenzimmer im Herbst 2018 an der Lippstädter Friedrichschule seine Feuertaufe erleben sollte.“
Der Parteitag fand vom 28. – 30.April 2017 in Berlin statt. Das steht im Widerspruch zur Darstellung im Schulausschuss, es habe erst eine Projektbeschreibung im Ministerium gegeben, auf deren Grundlage eine Markterkundung erfolgt sei, bei der man dann auf Haba gestoßen sei. Vielmehr ist nun klar, dass das Projekt tatsächlich durch ein Partei- und Fraktionsmitglied angebahnt wurde, nämlich sogar durch den Fraktionsvorsitzenden der FDP- Landtagsfraktion, u.a. im Rahmen einer Parteiveranstaltung.
Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:
1.           Warum hat die Ministerin die Frage nach einer Vermittlung des Projekts durch Abgeordnete am 13.3.2019 im Ausschuss nicht zutreffend beantwortet?
2.           Wann ist die Ministerin vom Fraktionsvorsitzenden der FDP im Landtag von NRW über seine Idee einer mobilen Werkstatt das erste Mal informiert worden?
3.           Wann ist Staatssekretär Richter vom Fraktionsvorsitzenden der FDP im Landtag von NRW über seine Idee einer mobilen Werkstatt das erste Mal informiert worden?
4.           Warum ist die „Markterkundung“ im Laufe des Jahres 2018 lediglich durch eine Mitarbeiterin aus dem Büro der Ministerin erfolgt ist, die mindestens bis zum 1.7.2018 noch kein Mitglied des Fachreferats war?
5.           Wie erklärt sich der Widerspruch in der Darstellung der Ministerin, die Markterkundung sei durch das Fachreferat im Ministerium durchgeführt worden?