Norwich Rüße: „Es wird auf Dauer nicht ausreichen, nur den Ertragsausfall zu finanzieren“

Antrag der GRÜNEN im Landtag zum Okölandbau

Portrait Norwich Rüße

Norwich Rüße (GRÜNE): Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Ökolandbau trägt durch seine umweltschonende Bewirtschaftungsform wesentlich zum Erhalt und zum Schutz natürlicher Ressourcen bei. Insbesondere der Verzicht auf chemischsynthetische Pflanzenschutzmittel und die deutlich geringere Düngung entlasten unsere Gewässer und tragen dazu bei, Artenvielfalt zu erhalten.
Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte über Artensterben und der Frage „Wie bekommen wir eine naturverträglichere Landwirtschaft hin?“ kann der Ökolandbau ein Schlüssel sein, um hier zu einer Entlastung zu gelangen.
Die eine Seite ist die der Naturverträglichkeit, die im Moment aktuell ist. Es gibt aber auch die andere Seite, nämlich die der Ökonomie, die wirtschaftliche Seite. Wir erleben seit Jahren einen dynamischen Ökomarkt bei Lebensmitteln, der in Deutschland deutlich mehr Ware nachfragt, als hier erzeugt wird. Wir importieren in großen Mengen aus Österreich und aus anderen Ländern Ware hinzu. Es ist eigentlich schade, dass wir nicht in de Lage sind, mehr aus der heimischen Region für den heimischen Markt zu produzieren.
(Beifall von den GRÜNEN)
Die DZ BANK hat unlängst festgestellt, dass die Ökobranche eine dynamische Branche mit dynamischem Wachstum sei und längst ihr Nischendasein verlassen habe. – Von daher macht es Sinn, wenn wir als Politik diesen Sektor etwas stärker ins Visier nehmen und genau schauen, was da passiert, um auch Chancen zu nutzen, die für das Land Nordrhein-Westfalen und seine Landwirtschaft entstehen könnten.
Wer die Möglichkeit hat – Henning Höne, ich kann mich daran erinnern, dass wir das vor Jahren mal zusammen gemacht haben –, zur BIOFACH nach Nürnberg zu fahren, erlebt dort eine Branche mit enormer Dynamik und einem hohen Potenzial, mit einer Wirtschaftskraft, die man im ersten Moment so nicht erwarten würde.
Wir sind uns im Prinzip von der Bundes- bis zur Länderebene darüber einig, den Ökolandbau voranbringen zu wollen. Es gibt eine klare Zielvereinbarung, wo wir hinwollen. Alle Parteien stehen zumindest mit Worten dahinter. Wir Grüne sind der Meinung, dass man dem auch Taten folgen lassen muss.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wir müssen konstatieren – da nehme ich unsere eigene Regierungszeit nicht aus, aber die letzten zwei Jahre von Schwarz-Gelb auch nicht –, dass wir in Nordrhein-Westfalen Nachholbedarf haben. Wir hinken eindeutig hinterher. Gleichzeitig gehören wir zu den Bundesländern mit den am höchsten belasteten Regionen in Deutschland, was die Gewässerbelastung angeht. Würden wir den Ökolandbau stärker fördern, hätten wir eine Win-Win-Situation. Damit könnten wir gerade in Gebieten wie dem Münsterland und am Niederrhein zur Entlastung der Gewässer beitragen.
Wir sollten schauen, wie wir diesen Markt für unsere heimischen Landwirte nutzen können. Wie können Perspektiven aufzeigen, hier aktiv zu werden? Ich verweise kurz auf den Milchpreis. Der Milchpreis der letzten sieben bis acht Jahre im Ökobereich konstant um die 50 Cent. Die Betriebe haben ein gutes Auskommen. Alle Betriebe, die in den Ökobereich gewechselt haben, sind hochzufrieden.
Dagegen haben wir in den letzten Jahren im konventionellen Milchbereich eine Berg- und Talfahrt erlebt, was dazu geführt hat, dass sehr viele Betriebe – jedes Jahr ungefähr 6 % – aufgegeben haben. Es macht ganz sicher Sinn, den Bäuerinnen und Bauern ein gutes Angebot zu machen. Denn der heimische Markt mit Ökoprodukten ist garantiert verlässlicher als der Weltmarkt mit seinen völlig unberechenbaren Schwankungen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Aber auch die Verlässlichkeit ist ein wichtiger Faktor. Ich will daran erinnern: Die vorherige schwarz-gelbe Landesregierung hat damals den gesamten Sektor völlig verunsichert, als die Ökoprämien zusammengestrichen worden sind. Das höre ich von Landwirten, die umstellen wollen, bis heute: Dieser Schritt damals hat uns so verunsichert; wir wissen ja gar nicht: Wie verlässlich ist Politik? Können wir uns auch mal 10 oder 20 Jahre darauf verlassen? – Das, was wir im Bereich Tierhaltung auch immer einfordern, nämlich dass wir eine langfristige Perspektive geben müssen, gilt an dieser Stelle genauso.
Ich erinnere mich an das Bundesprogramm Ökologischer Landbau. Obwohl wir sowieso einen Mangel an Forschung für den ökologischen Landbau verzeichneten, sind wieder Gelder herausgenommen worden, um sie in anderen Bereichen einzusetzen. Auch diese Entscheidung war ein Riesenfehler. Wir könnten gerade im Forschungsbereich beim Ökolandbau deutlich weiter sein, wenn wir damals diesen Schritt nicht getan hätten, der nur aus ideologischen Gründen erfolgte.
Ich will aber nach vorne blicken. Was können wir gemeinsam bewegen? Welchen Punkten müssen wir uns zuwenden? – Es lohnt sich, aus dem Antrag drei Punkte herauszunehmen:
Entscheidend ist die Frage nach der Ausbildung, der Berufsausbildung. Wir müssen dazu kommen, dass die jungen Bäuerinnen und Bauern wissen, wie ein Ökobetrieb als Alternative überhaupt funktioniert, um die Entscheidungsmöglichkeit zu haben: Will ich diesen Weg gehen oder nicht? – Im Moment ist es doch so, dass sie darüber kaum etwas erfahren. Das halte ich für komplett falsch.
Wie man sich dann entscheidet, das ist unternehmerische Freiheit. Aber wir als Staat sind berufen, über unsere Berufsschulen ein entsprechendes Ausbildungsangebot vorzuhalten, damit die Entscheidung – so oder so – fallen kann.
(Beifall von den GRÜNEN)
Dasselbe gilt für die Stärkung der Landwirtschaftskammer, also Haus Düsse, Haus Riswick. Wenn sich ein Schweinehalter – das betrifft die Ökobauern in hohem Maße – über gute, tiergerechte Haltungsformen erkundigen will: „Was kann ich da im Stallbau machen?“, dann müsste doch der Weg nach Haus Düsse gehen, in die Schweinehochburg Westfalens. Das ist für die Bauern ein Weg von 50 km bis 60 km. Um aber wirklich etwas zu erfahren, müssen sie derzeit bis nach Österreich oder in die Schweiz fahren. Da wird zurzeit the State of the Art dargestellt. Und das ist nicht richtig.
Außerdem: Wenn wir uns für den Ökolandbau entschieden haben und sagen: „Das ist eine Form, die wir fördern wollen; wir haben ein gemeinsames Ziel“, dann müssen wir auch sagen: Wir sorgen in unseren landeseigenen Kantinen und Mensen dafür, dass auch dort ein entsprechender Anteil von Ökoprodukten verwendet wird.
Da haben wir doch die Aufgabe, als Land aktiv zu werden und das Ganze entsprechend umzusetzen.
Das gilt übrigens – diese Anmerkung sei mir erlaubt – auch für die Kantine hier im Haus. Da waren wir schon mal deutlich weiter. Ich sehe da im Moment eher Rückschritte. Ich finde, wir sollten alle zusammen noch einmal darüber nachdenken, wie sich eine Landtagskantine aufstellt, und ob sie nicht eine Vorbildfunktion in puncto Ernährung haben muss.
(Beifall von den GRÜNEN)
Der letzte Punkt – ich habe es eben im Zusammenhang mit der Verlässlichkeit erwähnt – ist, dass wir uns gemeinsam dafür einsetzen, dass die Mittel für Agrarumweltmaßnahmen insgesamt gesichert sind. „Gesichert“ kann dabei nicht heißen, dass die Mittel auf dem jetzigen Stand bleiben müssen. Schließlich werden wir ein Wachstum haben; daher werden wir deutlich mehr Mittel einsetzen müssen, auch um die Artenvielfalt zu erhalten.
Wir müssen im Bereich Naturschutz im Hinblick auf die Landwirtschaft mehr machen, und wir müssen das auch finanzieren. Es wird auf Dauer nicht ausreichen, nur den Ertragsausfall zu finanzieren. Da gehört vielmehr auch eine Anreizkomponente dazu, sodass die Bäuerinnen und Bauern tatsächlich einen Mehrwert haben, wenn sie mehr für Natur und Umwelt leisten. Daran ist, glaube ich, noch zu arbeiten.
Wir sollten uns zusammen darum bemühen, dass sich die nordrhein-westfälische Landwirtschaft aus dem schönen Kuchen Ökomarkt hier vor der eigenen Haustür ein richtig großes Stück herausschneiden kann. Daran sollten wir gemeinsam aktiv arbeiten.
Ich freue mich auf die Beratung des Antrags im Ausschuss. – Vielen Dank. (Beifall von den GRÜNEN)

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