Mehrdad Mostofizadeh: „Dafür stehen wir nicht zur Verfügung“

Antrag der "AfD"-Fraktion zur Kohleindustrie

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der zweite Teil der Rede von Herrn Brockes enthielt die notwendige Einschätzung dessen, was hier heute passiert. Gucken wir uns einmal ganz konkret an, was hier gemacht wird. Die AfD stellt einen Antrag, in dem gefordert wird, dass den Bergleuten gewisse Leistungen zukommen sollen. Und das soll in direkter Abstimmung heute hier vom Parlament verabschiedet werden.
(Andreas Keith [AfD]: Die Zeit drängt!)
Das suggeriert ein Bild, als wenn dieses Parlament das auch nur ansatzweise rechtlich tun könnte. Sie von der AfD wissen ganz genau, dass das nicht der Fall ist. Sie wollen Kapital aus begründeten und auch notwendigen, möglicherweise rechtlichen Auseinandersetzungen für Ihre persönlichen Zwecke schlagen. Sie wollen eine Show abziehen. Und das finde ich, ehrlich gesagt, nicht in Ordnung.
(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP – Andreas Keith [AfD]: Welche Forderungen sollen denn nicht gehen?)
In aller Sachlichkeit, liebe Kolleginnen und Kollegen: Natürlich haben 200 Bergleute, die um ihren Job fürchten, die sich möglicherweise eine bessere Stelle wünschen oder sich wünschen, an anderer Stelle zu arbeiten, als ihnen im Moment angeboten wird, das gute Recht, sich mit dem Unternehmen auseinanderzusetzen, eine Regelung versuchen zu treffen oder sich gerichtlich vertreten zu lassen. Das ist das Normalste von der Welt.
Dieses Parlament ist aber weder in der Lage noch geeignet noch der richtige Ort, das zu diskutieren. Denn dann würden wir nämlich auch alle anderen Rechtsverhältnisse in Nordrhein-Westfalen diskreditieren. Wir haben eine klare Trennung zwischen Parlament, Exekutive und Judikative. Und das versuchen Sie zu vermischen. Das wird mit uns nicht zu machen sein, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)
Und auch das in aller Ruhe: Wir hatten nach dem Zweiten Weltkrieg rund 340.000 Beschäftigte im Steinkohlebergbau. Aufgrund der Notwendigkeit, einen Wiederaufbau in Deutschland möglich zu machen, sind viele positive Maßnahmen auch finanzieller Art durchgeführt worden, sodass die Zahl der Beschäftigten auf über 600.000 Menschen im Jahre 1958 angestiegen ist.
Ich will auch hinzufügen: All das, was wir zum Teil verklärend rückblickend in Erinnerung haben, also Zusammenhalt und alles andere, wurde oft auf dem Rücken der Beschäftigten erkauft. Viele hatten Staublunge, sind frühzeitig verstorben und konnten die eigentlich beachtlichen Renten oder andere Leistungen gar nicht erst erreichen. Das wissen wir alles.
Wir wissen auch, dass seit 1958 – das war der harte Schnitt – trotz massiver Steinkohlesubventionen die Beschäftigtenzahl sank und im Jahr 1965 nur noch bei 377.000 Beschäftigten lag. Über 200.000 Stellen wurden also sozialverträglich abgebaut. Sozialverträglich abgebaut heißt aber auch: Diese 200.000 Arbeitsplätze fehlten, und die fehlen auch vielleicht heute.
Zur Wahrheit gehört auch, dass der Steinkohlebergbau – wir Grünen haben zum Teil durchaus über die Höhe der Subventionen gestritten – im Jahre 2003 oder 2004 immer noch 5 Milliarden Euro an Subventionen bekommen hat, damit die Arbeit überhaupt möglich war.
Wenn jetzt am Ende dieser langen Laufzeit – so bitter das für den Einzelnen sein mag – noch 200 Beschäftigte übrig sind, die sich mit der RAG über ein Ende dieser Beschäftigungszeit auseinandersetzen, dann ist das eher ein Beleg dafür, dass es bis dahin ziemlich gut funktioniert hat. Dieses bittere Ende ist dann möglicherweise auf dem Rechtsweg zu klären, aber bitte nicht in diesem Parlament! Dafür stehen wir nicht zur Verfügung, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wir wünschen allen Kolleginnen und Kollegen, wenn ich das so sagen darf, eine vernünftige Anschlussbeschäftigung, möglicherweise auch eine vernünftige Vorruhestandsregelung. Ich würde mich freuen, wenn das gütlich ausgeht. Aber ein Aufhetzen machen wir nicht mit. Die Solidarität der Bergleute werden wir nicht ausnutzen. Dafür stehen wir nicht zur Verfügung. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD, der CDU und der FDP)
Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege. – Auch hier gibt es eine Kurzintervention der AfD, in diesem Fall durch Herrn Wagner, bitte.
Markus Wagner (AfD): Vielen Dank, Herr Präsident. – Es löst einfach nur noch schieres Ent- setzen aus, wenn man in diesem Hause sitzt und sieht, wie sich die „Heilige Vierfaltigkeit“ aus CDU, SPD, FDP und Grünen gegen die Bergleute, die dort oben sitzen, vereinigt und mitei- nander kooperiert. Da schlägt der Sprecher der abgehalfterten ehemaligen Arbeiterpartei, SPD, den Bergleuten vor, sie sollten mal das Aktienrecht lesen, um zu wissen, warum Sie Ihre Versprechen brechen, meine Damen und Herren!
(Zurufe – Unruhe)
Sie sollten Angebote nicht ausschlagen, mit denen sie ihre Lebensarbeitszeit um 17 Jahre verlängern – entgegen allen Versprechungen, die Sie gemacht haben, hier in diesem Land- tag: Schwarz, Rot, Gelb und Grün, meine Damen und Herren!
Und wenn Sie, Herr Brockes, davon reden, dass die AfD ihre Probleme in den eigenen Reihen lösen soll, dann sage ich Ihnen einmal, wozu Sie da sind: Sie sind dazu da, um die Probleme der Bürger zu lösen, die hier oben sitzen, und nicht Probleme in den eigenen Reihen!
Mein lieber Herr Mostofizadeh, wenn das Parlament nicht geeignet ist, über einen solchen Antrag zu sprechen, dann sollten Politiker den Menschen, die hier oben sitzen, nicht über Jahrzehnte hinweg falsche Versprechungen machen! Ich sage Ihnen noch eines: Wenn Sie sich den Antrag denn mal durchgelesen hätten, dann würden Sie feststellen, dass der Land- tag die Landesregierung auffordern soll, mit der RAG zu sprechen, um den Bergleuten dort oben …
Präsident André Kuper: Die Redezeit.
Markus Wagner (AfD): … angemessen und adäquat zu helfen. Das ist eine Schande, was Sie hier abliefern!
(Beifall von der AfD)
Präsident André Kuper: Und die Antwort, bitte.
Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Normalerweise müsste ich jetzt nicht darauf reagieren, weil er mich ja in der Sache kaum angesprochen hat, und die Diffamierung gegenüber meinem Kollegen Norbert Römer wird Norbert Römer im Zweifel selbst gut genug zurückweisen können.
Ich möchte nur auf Folgendes hinweisen, Herr Wagner: Sie scheinen im Dauerwahlkampfmodus zu sein. Der Vorsitzende der Gewerkschaft IG BCE, Michael Vassiliadis, mit dem ich sicherlich sehr selten einer Meinung bin, führt in seinem Brief Folgendes aus:
Die Ausgangsvoraussetzungen für die noch gut 200 zu vermittelnden Arbeitnehmer sind gut. Es mangelt nicht an freien und attraktiven Arbeitsplätzen außerhalb des Bergbaus. Vielmehr warten zahlreiche Unternehmen, mit denen wir in Kontakt stehen, auf unsere qualifizierten Mitarbeiter, um ihre offenen Stellen mit ihnen besetzen zu können.
Ich will den nächsten Absatz zusammenfassen: Manche möchten diese Angebote annehmen, andere nicht. Andere haben andere Perspektiven. Das ist ihr gutes Recht. Das habe ich nicht zu entscheiden. Aber die Ausgangsvoraussetzungen haben wir gemeinsam geschaffen. Sie müssen fair für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gleich gemacht werden, und es dürfen nicht manche bevorzugt werden.
Die letzte Bemerkung, die ich mir erlauben möchte: Herr Minister Laumann, wir haben vor wenigen Wochen noch das Gesetz zum Bergmannsversorgungsschein diskutiert. Ich habe zu dieser Frage von der AfD nichts gehört. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)

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