Matthi Bolte-Richter: „Die Wissenschaft lebt vom Austausch gerade auch über Grenzen hinweg“

Antrag der SPD-Fraktion zum "Brexit"

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Eigentlich kann ich direkt an der Stelle weitermachen, an der mein Vorredner geendet hat. – Ich denke, wir sind uns weitgehend einig, dass der bevorstehende Brexit – wie, wann und unter welchen Bedingungen auch immer er kommen wird – für die Britinnen und Briten eine schlechte Sache sein wird, dass er aber auch für uns im Kontinentaleuropa nach wie vor ein schwerer Verlust ist.
Auch die Wissenschaft wird von diesem Brexit besonders betroffen sein. Die Wissenschaft lebt vom Austausch, und sie lebt gerade auch vom Austausch über Grenzen hinweg, vom internationalen Austausch. Wir stellen auch fest, dass die britischen Hochschulen einen großen, einen gewichtigen Teil ihrer Forschungsmittel aus den Förderprogrammen der Europäischen Union einwerben; sie sind ein wichtiger Partner für Hochschulen und Forschungseinrichtungen hier bei uns in Nordrhein-Westfalen.
Ich sagte es eingangs: Wir wissen nicht genau, wie der Brexit aussehen wird, sollte er eines Tages kommen. Wir sehen aber, dass die Zeichen doch eher auf ein irgendwie ungeregeltes Verfahren stehen. Damit fällt das Vereinigte Königreich sehr wahrscheinlich aus den meisten EU-Fördergrammen heraus. Die Überlegungen des Antrags sind es daher zunächst grundsätzlich wert, genauer betrachtet zu werden.
Wir haben aber – das muss man an dieser Stelle festhalten – ein Gremium, das genau diese Betrachtung vornehmen soll. Wir als Landtag haben eine Enquetekommission eingesetzt, die sich mit dem Thema „Gestaltung und Konsequenzen des Brexit für Nordrhein-Westfalen“ beschäftigen soll. Der Inhalt dieses Antrags ist insofern eine sehr weitreichende Vorwegnahme dessen, was im Rahmen dieser Enquetekommission zum Brexit geklärt werden muss und dort auch geklärt wird.
Ich hätte mir von der SPD gewünscht, dass sie es ernst nimmt, dass wir diese Enquetekommission haben. – Kollege Bell, Sie sind selbst Vorsitzender einer Enquetekommission. Ich denke, Sie können es nachvollziehen, dass man diese Arbeit ernstnehmen sollte.
(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von der SPD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Schaffung von Wissenschaftsallianzen ist nur ein Aspekt aus einem Gesamtkomplex. Zur Bewältigung des Brexits im Bereich Wissenschaft werden noch weitere Punkte gehören. Wir können gespannt sein, was die Enquetekommission da erarbeitet. Es ist jedenfalls nicht sinnvoll, nur eine Forderung von externer Seite zu übernehmen.
Um zu sehen, wo wir mehr Kooperationen brauchen, müssen wir erst einmal wissen, was derzeit genau läuft. Dazu gab es einmal eine Berichtsanfrage der SPD aus dem Februar; da wurde eine Übersicht verlangt. – Ja, wir brauchen natürlich eine Übersicht zu Wissenschaftskooperationen zwischen Nordrhein-Westfalen und dem Vereinigten Königreich. Aber auch da ist die Enquetekommission dran.
Wir haben uns gefragt, warum Sie das nicht einfach im Ausschuss einmal vertieft berichten lassen, Anfragen stellen oder Ähnliches, wenn Sie nicht darauf nicht warten wollen. Stattdessen sind drei Monate verstrichen, und jetzt kommt so ein einzelner Antrag.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssten uns über all diese Themen keinen Kopf machen, wenn vor etwa drei Jahren mehr – insbesondere junge – Menschen im Vereinigten Königreich den Weg an die Wahlurne gefunden hätten. Wir stehen in zwei Tagen ebenfalls vor einer gewichtigen Entscheidung.
Angesichts des Brexits und des Erstarkens der Rechtspopulisten ist die kommende Europawahl eine Richtungswahl. Fallen wir zurück in gefährlichen Nationalismus, der in der Geschichte immer zu größeren Katastrophen geführt hat? Oder erneuern wir Europa als starke Gemeinschaft? Bauen wir ein Europa des Klimaschutzes, der Demokratie und der Gerechtigkeit?
Da können insbesondere die jungen Menschen einen gewichtigen Unterschied machen. Aus ihrem Leben und aus ihren Erfahrungen eines grenzenlosen Zusammenlebens, eines grenzenlosen Studierens, einer grenzenlosen Freiheit in ganz Europa wissen sie, dass dieses Europa ein Erfolgsprojekt ist und es wichtig und richtig ist, den Weg der europäischen Einigung fortzusetzen.
Viele dieser jungen Menschen sind auch heute wieder auf den Straßen und setzen sich dafür ein, dass die ältere Generation endlich ambitioniert daran arbeitet, Fehler und Versäumnisse beim Schutz unseres Planeten zu korrigieren.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Abschließend vor diesem Hintergrund der Appell an die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes: Gehen Sie am Sonntag wählen – das betrifft nicht nur die jungen Menschen, sondern alle. Machen Sie von diesem wunderbaren Recht, mitgestalten zu dürfen, Gebrauch. Sorgen Sie dafür, dass wir den Weg in ein demokratisches, soziales, vielfältiges und ökologisches Europa gemeinsam gestalten. Darum geht es am Sonntag.
Vor allem geht es aber darum, dass wir dieses Europa nicht den Feinden unseres europäischen Hauses überlassen dürfen – ob sie Farage, Le Pen, Salvini oder Meuthen heißen.
Wenn der Brexit eines zeigt, dann doch, dass wir Demokratinnen und Demokraten in unserem europäischen Haus zusammenstehen und es gegen die Nationalisten verteidigen müssen, wenn wir weiter in Frieden, in Freiheit und in Einheit und Wohlstand leben wollen. – Ich danke Ihnen.
(Beifall von den GRÜNEN)