Mehrdad Mostofizadeh: „…weil es richtig ist, die Stichwahl beizubehalten“

Antrag der "AfD"-Fraktion zum Kommunalwahlrecht

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Tritschler, Sie schaffen es ja immer wieder, sich selbst zu widersprechen bei Ihren Argumentationen.
(Zuruf von Sven Werner Tritschler [AfD])
Auf der einen Seite erklären Sie, die Grünen würden die SPD mittlerweile einholen, um hinterher zu sagen, wir wären ein Anhängsel der SPD. Was das mit Logik zu tun hat, bleibt AfD-Geheimnis.
Oder es gäbe zwei Machtblöcke, einmal rot-grün und einmal schwarz-gelb. In vielen Bundesländern können Sie sich einmal angucken, dass das nicht nur arithmetischer Unsinn ist.
(Zustimmung von der AfD)
Und – das nehme ich für alle Parteien in Anspruch; sonst würden wir ja fusionieren –: Wir haben alle eigene Ansprüche an politische Schwerpunktsetzung; auch deswegen ist diese Analyse schon einmal falsch.
Der zweite Punkt, der mir in Bezug auf den vorgelegten Antrag wichtig ist: Warum haben Sie diesen Antrag nicht früher eingebracht? Warum haben Sie das nicht ins Verfahren eingebracht?
Sie müssen sich doch eines selbst vorhalten lassen – das ist ein schwerwiegender Punkt bei der Frage der Stichwahl; der wird auch in der Klage eine wichtige Rolle spielen –: Wahlrechtsverfahren ändert man nicht im Hopplahopp-Verfahren. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, den das Verfassungsgericht selbst ins Stammbuch geschrieben hat. Das ist auch Hauptteil des Leitsatzes vier, den das Verfassungsgericht im Jahr 2008 entschieden hat.
Deswegen wäre es ja geradezu widersinnig, wenn wir vor das Verfassungsgericht gehen und sagen „Passen Sie mal auf, diese Landesregierung bzw. die Koalitionsfraktionen haben das Wahlrecht nicht nur stümperhaft, sondern auch auf eine Art und Weise, die dem ganzen Verfahren nicht angemessen ist, geändert“, um dann selbst Änderungen im Verfahren vorzunehmen. Das ist schon aus Verfahrensgründen völlig unsinnig.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD) Ich will hinzufügen: Wir sind auch inhaltlich nicht dieser Meinung.
Herr Präsident, eines muss ich Ihnen – als Abgeordnetem, nicht in Ihrer Funktion als Präsident schon sagen: Vielleicht unterhalten Sie sich einmal mit Ihrem Kollegen Hoppe-Biermeyer, welche Position die CDU in den letzten fünf Jahren zur Zustimmungswahl mit integrierter Stichwahl eingenommen hat.
Das war deutlich weniger skeptisch, als das, was Herr Hoppe-Biermeyer hier vorgetragen hat. Auch das Lesen des Protokolls könnte dabei weiterhelfen, Herr Kollege; da hat die CDU sich noch ganz anders positioniert.
Warum sage ich das? – Der Grund ist: Sie haben es nicht einmal für notwendig gehalten, diese beiden Punkte, die ich zum jetzigen Zeitpunkt ablehnen würde – ich werde Ihnen gleich sagen, warum –, überhaupt mal zu prüfen.
Das macht deutlich, dass CDU und FDP überhaupt nicht geprüft haben, welche Hauptvarianten, welche Mindervarianten es gibt und warum man das überhaupt prüfen sollte.
Bei Ihrem Parteitagsbeschluss war das Motto „Stichwahl abschaffen“, und deswegen wurde es gemacht. Mit politischer Prüfung hatte das überhaupt nichts zu tun; das wurde in Ihrem heutigen Redebeitrag nur allzu deutlich.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Ich will einige Zahlen zitieren, um das nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, wie dramatisch deutlich unsere Argumentation richtig ist: Die Stichwahlen 2015 zu den Bürgermeister- und Oberbürgermeisterwahlen haben gezeigt, dass in 45 von 49 Fällen die Zustimmung für den gewählten Kandidaten höher war als im ersten Wahlgang.
(Beifall von Michael Hübner [SPD])
Ihre Unterstellung, die Stichwahl würde nicht wirken, ist also schlicht falsch.
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
In den vier übrig gebliebenen Fällen sind für zwei die Zahlen nahezu gleich. Es gibt einen einzigen Fall – das scheint ein Trauma der CDU zu sein –, nämlich in Lippe, wo der Kandidat im ersten Wahlgang noch fulminant vorne lag und im zweiten Wahlgang unterlegen ist, weil er deutlich weniger Stimmen als der SPD-Kandidat bekommen hat.
Ich will Ihnen mal Kandidaten zitieren – auch von der CDU:
Thomas Kufen in Essen steigerte die Stimmenzahl von 65.069 im ersten Wahlgang um immerhin fast 20 %, Herr Verfassungsminister, auf über 77.000 Stimmen im zweiten Wahlgang.
In Lünen ist es zu einem Zuwachs von fast 82 % der Stimmen gekommen, wenn man den zweiten mit dem ersten Wahlgang vergleicht.
In Krefeld gab es gegenüber dem ersten Wahlgang im zweiten Wahlgang ein Plus von 35 %, in Geilenkirchen plus 52 %, in Witten plus 18 %. Interessanterweise war bei den Letztgenannten die CDU meistens nicht dabei.
Deswegen sage ich Ihnen: Dieser Gesetzentwurf von der AfD kommt nicht nur zur Unzeit, sondern er ist auch unangemessen, weil es richtig ist, die Stichwahl beizubehalten.
Das werden wir mit aller Vehemenz vor dem Verfassungsgericht vortragen. Deswegen bin ich guten Mutes, dass wir damit durchkommen, und brauchen diesen Gesetzentwurf deswegen nicht. – Herzlichen Dank.
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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