Gleiches Geld für gleiche Leistung in Spitzen- und Breitensport

Josefine Paul zur Fußballweltmeisterschaft in Frankreich

Portrait Josefine Paul
Derzeit findet die Fußballweltmeisterschaft der Frauen in Frankreich statt. Eine Frage scheint fast das Geschehen auf dem Spielfeld zu überstrahlen: Wie hält der Fußball es mit der Gleichstellung? Unsere Sprecherin für Sportpolitik, Josefine Paul, zieht Bilanz – für den Fußball und für die öffentliche Sportförderung.

Längst geht es – zumindest nicht in Deutschland – nicht mehr um die Frage, ob Frauen Zugang zu allen Sportarten haben sollten. Auch das Kaffeeservice als Prämie für den ersten Europameistertitel der Frauen 1989 ist zum Glück nur noch eine Anekdote. Und doch wird in vielen Verbänden und Medien immer noch über die Gleichbehandlung von Frauen- und Männersport diskutiert und gestritten. So verklagt das US-Team derzeit den eigenen Verband, um gleiche Prämien zu erzwingen. Die dänischen Frauen boykottierten sogar das entscheidende Qualifikationsspiel und verpassten so lieber die WM-Teilnahme als eine anhaltende Ungleichbehandlung hinzunehmen.
Ungleichbehandlung vom Spitzen- bis in den Breitensport
Noch bis vor wenigen Jahrzehnten mussten Frauen um das Recht kämpfen, überhaupt Fußball spielen zu dürfen. Der Deutsche Fußball Bund (DFB) untersagte Frauenteams bis 1970 die Zulassung. In den vergangenen Jahren aber hat sich der Frauenfußball emanzipiert: Frauen und Mädchen spielen heute genauso engagiert und mit demselben Einsatz und Anspruch wie ihre männlichen Kollegen. Allein die strukturellen Bedingungen haben mit der sportlichen Entwicklung nicht Schritt gehalten. So lobt der DFB immer noch grotesk unterschiedliche Prämien aus. Für eine erfolgreiche Titelverteidigung hätten die Männer im vergangenen Jahr pro Spieler 350.000 Euro kassiert. Holen die Frauen bei der gerade laufenden Weltmeisterschaft den Titel, erhält jede von ihnen 75.000 Euro – also fast 80 Prozent weniger.
Diese Ungleichbehandlung betrifft auch den Breitensport. Eine Analyse des Deutschen Frauenrats zur geschlechtergerechten Haushaltsführung zeigt, dass Frauen- und Männersport auf allen Ebenen sehr unterschiedlich unterstützt werden. Während Männer häufiger Sportarten im Verein betreiben, die durch die öffentliche Sportförderung unterstützt werden, nutzen Frauen vermehrt Angebote kommerzieller Anbieter wie Fitness, Yoga oder Tanz. Dadurch profitieren Frauen weniger stark von der öffentlichen Sportförderung. Die Förderung ist offensichtlich auf männliches Sportverhalten zugeschnitten. Die ungleiche Mittelverteilung mag nicht absichtlich gewollt oder dem explizitem Ausschluss von Frauen geschuldet sein, hat aber diskriminierende Wirkung.
Gleichberechtigung im Sport stärken
Sport bedeutet Teilhabe und stärkt das Selbstvertrauen. Das ist insbesondere für Mädchen wichtig. Öffentliche Gelder müssen aber auch transparent und vor allem gerecht eingesetzt werden. Der Sport in Deutschland ist im wortwörtlichen Sinne die größte Bürger*innenbewegung. Allein im Deutschen Olympischen Sportbund sind 27 Millionen Menschen organisiert. Knapp 36 Prozent der männlichen und etwa 22 Prozent der weiblichen Bevölkerung sind Mitglied in einem Sportverein. Es kann also nicht sein, dass nur ein Teil der organisierten Sportler*innen von öffentlicher Förderung profitiert. Wir brauchen im deutschen Sport gleiche Chancen und gleiche Ressourcen. Dafür muss die Sportpolitik Gleichberechtigung und Förderung von Vielfalt zu einem Kriterium der öffentlichen Mittelvergabe machen und den organisierten Sport dabei unterstützen, dass Gleichstellung überall Realität wird: auf dem Platz und in den Vorständen!