Monika Düker: „Beenden Sie Ihre fahrlässige Finanzpolitik mit der Gießkanne nach dem Motto ‚irgendwie geht es schon weiter‘!“

Aktuelle Stunde auf Antrag der GRÜNEN im Landtag zum Landeshaushalt

Monika Düker (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Ministerpräsident! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Was kann es Schöneres geben, als die Regierung in Zeiten sprudelnder Steuereinnahmen zu übernehmen, wie vor zwei Jahren geschehen.
(Armin Laschet, Ministerpräsident: Sprudelländer!)
– Sprudelnde! – Immer weiter ging es bergauf, jedes Jahr wurde mehr eingenommen. Summa summarum haben Sie in diesen gut zwei Regierungsjahren 6,4 Milliarden Euro kumulativ mehr Steuern eingenommen, und aus nicht verausgabten Haushaltsresten hatten Sie weit über 2 Milliarden Euro jährlich zur Verfügung. Was macht eine Regierung in dieser geradezu perfekten, paradiesischen Lage? Aber besser gefragt: Was haben Sie nicht gemacht?
Erstens: Schuldenabbau. Herr Ministerpräsident, Sie haben in der Opposition angekündigt: Alle Steuermehreinnahmen werden zu einem Drittel in den Schuldenabbau gesteckt. – Das hieße rechnerisch: Gut 2 Milliarden Euro Schulden weniger hätte dieses Land. Was ist passiert? – Sie haben von den Steuermehreinnahmen etwas über 180 Millionen Euro – eine homöopathische Dosis – in den Schuldenabbau gesteckt, dazu noch einmalig 300 Millionen Euro aus Haushaltsausgaberesten. Herr Ministerpräsident, das ist das Gegenteil von dem, was Sie versprochen haben.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Zweitens: Investitionen. Der Investitionsstau hätte in dieser Situation abgebaut werden müssen. Alle – von rechts bis links, vom DGB bis zu den Wirtschaftsinstituten – haben gesagt, dass man das tut; denn Haushalte werden nicht in Krisenzeiten ruiniert. Sanierungsbedarf gibt es genug: Hochschulen, Studentenwohnheime, digitale Infrastruktur.
(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])
Was ist passiert? Eine magere Investitionsquote von 10 %, die in der mittelfristigen Finanzplanung – man höre und staune – sogar noch zurückgeht. Auch das ist das Gegenteil von dem, was Sie versprochen haben und was in diesen Zeiten nötig gewesen wäre.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Drittens. Was Sie mit Ihrer Totalamnesie komplett ignoriert haben, war Ihr Versprechen: Alle neuen Ausgaben werden durch Einsparungen gegenfinanziert. – Einsparungen gibt es fast null.
Also, an allen drei Stellen haben Sie das Gegenteil von dem gemacht, was Sie versprochen haben. Sie hatten Maß und Mitte versprochen, Herr Ministerpräsident. Stattdessen ist Ihre Finanzpolitik maßlos gewesen.
(Josef Hovenjürgen [CDU]: Das aus Ihrem Mund, Frau Düker!)
Herr Lienenkämper, das, was Sie den Ressorts haben durchgehen lassen – das Aufblähen der Ministerialbürokratie –, hat mich fassungslos gemacht. In zwei Jahren haben Sie es geschafft, summa summarum 452 zusätzliche Stellen bei den Ministerien aufzubauen. Herr Ministerpräsident, Sie haben auch das Versprechen gegeben: Am Ende der Legislaturperiode belaufen sich die Ausgaben der Ministerialbürokratie bei plus/minus null. – Dann müssen Sie mal langsam damit anfangen, das einzulösen und die zusätzlichen Stellen wieder abzubauen.
Ich muss sagen – man ist ja vieles gewohnt und hat da ein dickes Fell –: Was mich komplett fassungslos gemacht hat, war die Skrupellosigkeit der Koalitionsfraktionen in den letzten Haushaltsberatungen. Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Sie hatten für 2019 – das Jahr mit den höchsten Steuereinnahmen – im Vergleich zum Vorjahr 2,6 Milliarden Euro mehr zum Ausgeben zur Verfügung. Und Sie von den Koalitionsfraktionen schaffen es in den Haushaltsberatungen nicht, Ihre wohlmeinenden Wahlgeschenke, Ihre Wohltaten, Ihre Erhöhungsanträge aus diesen zusätzlichen Einnahmen zu decken. Nein, als Deckung greifen Sie vielmehr auf die Rücklage aus 2018 von nicht verausgabten Steuermitteln zurück. Das kann ja wohl nicht wahr sein!
(Beifall von den GRÜNEN)
Man kann nur sagen: Da machen Sie sich den Staat zur Beute, statt verantwortungsvoll mit Steuergeldern umzugehen. Bei allem Verständnis für die Bewahrung des verkehrshistorischen Kulturguts oder die autonome Binnenschifffahrt: Bei den Anträgen war für jeden etwas dabei.
Warnungen vor dieser Haushaltspolitik mit der Gießkanne gab es in den Haushaltsberatungen viele. Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung überschreibt seine Stellungnahme zum Haushalt mit „Die ‚schwarze Null‘ ist keine Strategie“ und stellt fest, dass Ihnen der finanzpolitische Kompass fehlt. Der Landesrechnungshof mahnt Sie an.
Was mich richtig geärgert hat: Vor vier Wochen, am 17. April, antworten Sie, Herr Finanzminister, auf unsere Kleine Anfrage, was die Warnungen der Wirtschaftsinstitute – Stichworte: die fetten Jahre sind vorbei, die Prognosen gehen zurück – denn nun für Auswirkungen haben, doch tatsächlich: „Eine unmittelbare Belastung des Landeshaushaltes Nordrhein-Westfalens kann aus den Prognosen des Bundes nicht hergeleitet werden.“ Und vier Wochen später sagen Sie der dpa: Ups, da fehlen ja 1,7 Milliarden Euro. – Und das – was kein Mensch versteht –, obwohl Bundesfinanzminister Scholz gesagt hat: Eigentlich besteht 2019 für die Länder noch ein Plus.
Wir erwarten heute von Ihnen Erklärungen, warum NRW von diesen Steuermehreinnahmen nicht profitiert. Haben Sie sich verrechnet, Herr Finanzminister? Oder geht da etwas an NRW vorbei? Sie bleiben auch die Erklärung schuldig, was das konkret heißt. Wir haben ja gerade festgestellt: Sparen gehört nicht unbedingt zu den Kernkompetenzen Ihres Kabinetts. Kratzen Sie wieder, um die Lücken zu schließen, Haushaltsausgabereste von den nicht besetzen Lehrerstellen von Frau Gebauer zusammen? Oder was machen Sie?
Und was heißt das für die Prognose für Ihre milliardenschwere To-do-Liste? Frau Ministerin Gebauer, Sie wollen noch knapp 600 Millionen Euro vom Finanzminister für die versprochene A13-Besoldung für die Grundschullehrer haben. Wir haben das Versprechen von Kollegin Ina Scharrenbach zur Absenkung der Grunderwerbsteuer – auch das haben Sie versprochen –; das kostet eine Milliarde Euro. Die Übernahme der Kosten der Geduldeten kostet 700 Millio- nen Euro. Und so weiter, und so fort.
Ich finde die Fragen spannend, Herr Finanzminister, und freue ich gleich auf Ihre Antworten. Wann fangen Sie eigentlich an, Ihre ganzen Ausgaben mal gegenzufinanzieren?
(Beifall von den GRÜNEN)
Vor allen Dingen: Was passiert jetzt mit der mittelfristigen Finanzplanung? Geben Sie den Schuldenabbau gänzlich auf? Bislang steht in der mittelfristigen Finanzplanung für die nächsten Jahre noch eine Milliarde Euro Steuerschuldenabbau.
Ich fordere Sie heute wiederholt auf: Beenden Sie Ihre fahrlässige Finanzpolitik mit der Gießkanne nach dem Motto „Prinzip Hoffnung; irgendwie geht es schon weiter“!
Und sehen Sie das auch als Weckruf, hier endlich ein zukunftsfähiges Finanzkonzept vorzulegen!
Zukunftsfähigkeit heißt für uns, die Steuermehreinnahmen prioritär auch in den Schuldenabbau und die Investitionen zu stecken – Geld haben Sie immer noch genug dafür. Zukunftsfähigkeit heißt für uns auch: Machen Sie sich endlich ehrlich. Bilden Sie dabei endlich ehrlich die realen Wachstumsprognosen und die Steuerentwicklung ab. Beenden Sie die Kopf-in- den-Sand-Politik!
Lösen Sie endlich auch Ihr Versprechen ein, das da heißt: Wir unterziehen den Landeshaushalt einer ausführlichen Ausgabenkritik, identifizieren Überschüsse und identifizieren vor allen Dingen Mehrausgaben, die wir nicht brauchen. – Von dieser Aufgabenkritik ist nichts zu sehen.
Präsident André Kuper: Frau Kollegin, die Redezeit, bitte.
Monika Düker (GRÜNE): Stattdessen wird das Geld weiter mit der Gießkanne verteilt. Ich fordere Sie heute auf: Beenden Sie diese Politik, und machen Sie ernst mit Ihren Ansagen!
(Beifall von den GRÜNEN)

Der zweite Redebeitrag zu diesem Tagesordnungspunkt von
Monika Düker (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute ist ein bisschen der Tag der Legendenbildung und Geschichtsklitterung. Herr Witzel, Herr Moritz, Herr Lehne haben sich da gerade hervorgetan. Kommen wir jetzt einmal zu Daten, Fakten, Hintergründen.
Wir haben in diesem wunderschönen Bundesland im Jahr 2010 die Regierung von Schwarz-Gelb übernommen und ein Haushaltsdefizit in Höhe von 6,6 Milliarden Euro angetroffen, das Sie angehäuft hatten. Das gehört zur Wahrheit dazu.
(Henning Höne [FDP]: Frau Düker, 2009/2010, was war da noch mal? – Michael Hübner [SPD]: Wer war 2009 Minister?)
Und was ist im Laufe der sechs Jahren passiert? Die rot-grüne Regierung hat trotz dieses ursprünglichen Haushaltsdefizits mit der Abrechnung des Landeshaushalts 2016 zum ersten Mal in der Geschichte Nordrhein-Westfalens einen ausgeglichenen Haushalt geschafft. Herr Witzel, Herr Moritz, das sind die Fakten, das ist die Realität. Sie müssen uns nichts darüber erzählen, wie man spart; denn Rot-Grün ist es in diesen Jahren gelungen, den Haushalt nachhaltig zu konsolidieren.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Schwarz-Gelb verfügt seit der Regierungsübernahme über 6,4 Milliarden Euro mehr an Steuereinnahmen gegenüber dem letzten Haushalt von Rot-Grün. Sie aber schaffen es 2019 lediglich, einen mickrigen Betrag von 30 Millionen Euro zur Schuldentilgung aufzuwenden. Sie müssen uns nicht erzählen, wie Sparen geht!
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Wir haben es damals geschafft, und Sie bleiben das nun schuldig, obwohl Lucky Lutz aus dem Vollen schöpfen kann.
Lieber Olaf Lehne, es reicht nicht, Lucky Lutz zu sein, Geld zu scheffeln und auf Jolly Jumper durch den Wilden Westen zu reiten. Der Finanzminister und auch die Koalitionsfraktionen haben heute wieder nicht die wirklich wichtigen Fragen beantwortet. Die Wirtschaftsinstitute haben Ihnen in der Anhörung gesagt, eine schwarze Null sei keine Strategie, Herr Minister. Sie aber haben nichts dazu gesagt, wie Sie Ihre Konsolidierungsversprechen, die Sie immer wieder gebetsmühlenartig vortragen, tatsächlich umsetzen wollen.
Sie haben nichts zum Thema „Schuldenabbau“ gesagt. Man achte auf die Zwischentöne: Ihr letzter Satz lautete: Wir halten an dem Ziel der schwarzen Null fest. – Halten Sie denn auch an dem bislang in Ihrer mittelfristigen Finanzplanung noch enthaltenen Ziel fest, ab 2020 pro Jahr 1 Milliarde Euro in den Schuldenabbau zu stecken? – Kein Wort davon.
(Beifall von den GRÜNEN)
Es ist auch keine Rede mehr von dem, was nach den Koalitionsverhandlungen noch vollmundig verkündet wurde. Ich sage nur: Digitalisierungsdividende – das Zauberwort von Herrn Lindner. Angeblich sollte damit 1 Milliarde Euro erwirtschaftet werden. Wir haben bald Halbzeit. Wo ist dieses Geld denn? Das Wort existiert in Ihrem Sprachgebrauch gar nicht mehr.
Noch so ein Zauberwort: Aufgabenkritik – auch das steht in den Wahlprogrammen und im Koalitionsvertrag, nach dem Motto: Wir führen mal eine Aufgabenkritik ein, und dann bauen wir ganz viele Stellen ab. – Herr Ministerpräsident, wir haben bald Halbzeit! Sie müssen bald mal damit anfangen – aber auch da passiert nichts, null.
Dann zu den Zauberworten „Bürokratieabbau“ und „Stelleneinsparungen“. Herr Ministerpräsident, Sie haben 2017 versprochen, dass am Ende der Legislaturperiode in der Ministerialverwaltung keine einzige Stelle mehr als bei der Amtsübernahme vorhanden sein wird. Derzeit müssten Sie also noch 452 Stellen abbauen.
(Zuruf: Abwarten!)
– “Abwarten“ ist gut. Sie haben nur noch zwei Jahre, um diese Stellen abzubauen. Da bin ich mal gespannt. Heute kam dazu seitens des Finanzministers keine Aussage.
Ihr hartnäckiges, beredtes Schweigen zu all diesen Dingen – Ihre Nicht-Stellungnahme zeigt, dass dieser Regierung nach wie vor eine Gesamtstrategie fehlt, die zu einer nachhaltigen Haushaltspolitik dazugehört. Noch verzeichnen wir steigende Steuereinnahmen; der Anstieg flacht sich nur ab. Wir werden weiterhin Milliarden Euro an Steuermehreinnahmen verzeichnen, wenn sich die Steuerschätzung bewahrheitet. Von Ihnen aber kommt kein Wort dazu, wie diese Steuermehreinnahmen prioritär eingesetzt werden sollen.
Eine Gesamtstrategie ist nicht zu erkennen, Herr Minister Lienenkämper. Sie haben die wesentlichen Fragen heute nicht beantwortet. Wir können uns um dieses Land und um eine nachhaltige Haushalts- und Finanzpolitik wirklich nur Sorgen machen.
Herr Witzel – das will ich Ihnen auch noch sagen –, Sie meinen ja, wir würden nur Erhöhungsanträge stellen und das Geld mit vollen Händen ausgeben wollen.
Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.
Monika Düker (GRÜNE): Im Gegensatz zu Ihnen haben wir alle Erhöhungsanträge mit Einsparungen gegenfinanziert.
(Henning Höne [FDP]: Im Heimatbereich wollen Sie sparen! – Zuruf von Ralf Witzel [FDP])
Sie haben sich nicht gescheut, das als Rücklage eingeplante Geld völlig skrupellos als Gegenfinanzierung Ihrer Mehrausgaben zu verwenden – das Geld, von dem der Finanzminister gerade gesagt hat, es sei für schwere Zeiten eingeplant. Damit haben Sie in Ihren Wahlkreisen Ihre Wahlgeschenke finanziert; das ist die Wahrheit. Erzählen Sie uns nichts von nachhaltiger und seriöser Finanzpolitik! – Danke schön.
(Beifall von den GRÜNEN – vereinzelt Beifall von der SPD)

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