Josefine Paul: „Die Absenkung des Wahlalters ist ein guter Baustein für mehr Demokratie in Nordrhein-Westfalen“

Antrag der GRÜNEN im Landtag zu Hochschulen für angewandte Wissenschaften

Portrait Josefine Paul

Josefine Paul (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kollegin Freimuth, zugegebenermaßen war ich besonders gespannt darauf, was Sie jetzt in dieser Debatte sagen, denn Frau Müller-Witt hat ja schon darauf hingewiesen, dass Sie eine eindeutige Beschlusslage Ihrer Partei haben, die nämlich auf Initiative der Jungen Liberalen besagt, dass Sie auch parteilich – Parteitagsbeschluss aus 2018 in Siegen – für eine Absenkung des Wahlalters auf 16 sind.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
In der letzten Legislaturperiode im Übrigen hätte es ja eigentlich auch eine verfassungsändernde Mehrheit im Landtag gegeben für eine solche Absenkung, denn im Grunde genommen war auch die FDP grundsätzlich an der Seite von SPD, Piraten und Grünen.
Nur leider konnte man sich in der Verfassungskommission nicht darauf einigen, weil Sie sich so viel zum Thema: Es gibt keine Koalition in der Opposition – damals schon an die CDU gekettet hatten, die sich eben – wie man gerade schon gemerkt hat – mit Händen und Füßen gegen eine solche Absenkung des Wahlalters wehrt.
Sie haben das interessant begründet. Ich kann mir auch vorstellen, was am Ende der Beratungen im Ausschuss dann für ein Abstimmungsverhalten der FDP steht.
Sie haben mir ja – Gott sei Dank, Frau Müller-Witt – nicht das ganze Zitat von Moritz Körner weggenommen, was er gesagt hat im Zusammenhang mit diesem Parteitagsbeschluss, denn er hat auch noch darauf hingewiesen: Niemand kann mir erklären, warum eine 17-Jährige darüber bestimmen darf, wer der Bürgermeister ihrer Kommune wird, nicht aber darüber, ob ich ihr Landtagsabgeordneter bleibe.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Dem ist eigentlich nicht viel mehr hinzuzufügen, außer: Wenn ich mit 16 an Kommunalwahlen teilnehmen kann, aber nicht an den Landtagswahlen, stellt sich mir, wenn ich das mal weiterdenke, die Frage: Ist aus Ihrer Sicht die Kommunalwahl also mehr ein Übungsplatz für Demokratie?
Ich glaube, das wird weder den Kommunalwahlen noch der Kommunalpolitik gerecht. (Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Wer junge Menschen als Expertinnen und Experten in eigener Sache ernst nehmen will, kann aus meiner Sicht gar nicht zu einem anderen Schluss kommen, als sie auch tatsächlich politisch zu beteiligen. Da geht es auch nicht um Planspiele etc., sondern um tatsächliche politische Partizipation.
Dabei ist die Absenkung des Wahlalters im Übrigen nur ein Baustein demokratischer Teilhabe, aber sie ist natürlich ein ganz entscheidender Baustein. Die jungen Aktivistinnen und Aktivisten von „Fridays For Future“ zeigen jede Woche – und dies nicht nur freitags, um das mal ganz deutlich zu sagen –, dass sie die entscheidenden Zukunftsfragen und Herausforderungen erkannt haben.
(Helmut Seifen [AfD]: Überhaupt nicht!)
Sie schreiben uns doch ganz klar auf die Tagesordnung, dass wir ihre Zukunft nicht verzocken sollen. Wer wenn nicht diese jungen Menschen sind denn eigentlich die „Profis“ für ihre eigene Zukunft, um dieses Wort einmal aufzugreifen? – Das sind doch wohl die jungen Menschen selber. Es ist unsere Aufgabe, unsere Verantwortung und Verpflichtung, sie ernst zu nehmen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Wenn wir wollen, dass junge Menschen Verantwortung übernehmen – und so habe ich die Debatte auch verstanden –, muss man ihnen auch welche geben. Man muss ihnen zutrauen, dass sie diese Verantwortung übernehmen können und dass sie in diese Verantwortung hineinwachsen können.
Denn Demokratie, da sind wir uns hoffentlich alle einig, ist keine Trockenübung. Man kann sie sich nicht anhand von Büchern erschließen, sondern Demokratie wird durch das Gelebte gelernt.
Einmischende Jugendpolitik – wir haben darüber beispielsweise im letzten Ausschuss für Kinder, Jugend und Familie länger mit dem Landesjugendring diskutiert, und wir waren eigentlich alle einer Meinung – heißt: wirkliche Partizipation und wirkliche Folgenabschätzung aus Jugendperspektive.
Da geht es nicht nur um die Frage des Wahlalters, es geht auch um Jugend-Check-Verfahren, Jugend-Monitoring und um die Frage, welche weiteren Beteiligungsformate Politik eigentlich finden kann. Das ist nicht nur eine Frage von mehr Teilhabe und Partizipation junger Menschen; es würde vielmehr allgemein unsere politische Kultur beleben, wenn wir weitere Verfahren und Formate finden würden, wie wir mehr Menschen beteiligen können.
(Beifall von den GRÜNEN)
Das fängt im Übrigen schon mit kleinen Dingen an; das kann man auch mit ganz kleinen Kindern einüben. Bei der Quartiersentwicklung kann man zum Beispiel schon mit Kindergartenkindern Quartiersbegehungen machen, Spielleitplanungen gemeinsam machen kann, weil man sich den Stadtteil gemeinsam anschaut.
Das ist gelebte Demokratie. Das sind Bausteine, die viel angemahnte Mündigkeit junger Menschen auch zu befördern, denn die entsteht nicht einfach mit dem 18. Geburtstag, sondern vielmehr dadurch, dass ich mich politisch beteiligen kann und dass ich es so lernen kann.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Alle politischen Entscheidungen haben Folgen für junge Menschen; das zeigen uns die Aktivistinnen und Aktivisten von „Fridays For Future“ jeden Freitag. Sie wissen, dass wir das manchmal vergessen. Die Jugendlichen haben das begriffen. Sie haben – das ist schon angedeutet worden – ein hohes Interesse an Politik.
Die Shell-Jugendstudie zeigt aber auch, dass sie nicht unbedingt immer ein hohes Interesse an Parteien haben. Die Konsequenz daraus für Parteien und für die organisierte Politik wie uns kann doch nur sein, dass wir uns und unsere Strukturen einmal hinterfragen müssen und und nicht die Jugendlichen, ihren Protest, ihre Forderungen und ihr Engagement.
Ich hoffe, wir kommen innerhalb der Beratungen doch noch dazu, dass die Absenkung des Wahlalters ein guter Baustein für mehr Demokratie in Nordrhein-Westfalen ist. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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