Das Land muss bei der Herstellung von Entgeltgleichheit mit gutem Beispiel voran gehen

Entschließungsantrag zum Antrag der SPD-Fraktion „In ganz Europa: Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit“ (Drs. 17/5373)

Portrait Josefine Paul

I.             Ausgangslage
Noch immer verdienen Frauen in Deutschland durchschnittlich 21% weniger als ihre männlichen Kollegen. Dieser Wert hat sich in den letzten Jahren nur marginal verändert. Nach wie vor klafft eine überdurchschnittliche große Lohnlücke zwischen Frauen und Männern. Deutschland nimmt damit auch im Bereich der Entgeltgleichheit im europäischen Vergleich keine gleichstellungspolitische Vorreiterrolle ein. Laut dem Gender Equality Report der EU verringerte sich die Lohnlücke in den letzten zehn Jahren in allen Mitgliedsstaaten bis auf Griechenland und Deutschland.
Die Gründe für das sog. Gender-Pay-Gap sind vielfältig. Frauen sind auf dem Arbeitsmarkt nach wie vor häufig mit strukturellen Hemmnissen und geschlechtsspezifischen Benachteiligungen konfrontiert. So arbeiten Frauen sehr viel häufiger in Teilzeit bzw. prekären Beschäftigungsverhältnissen als Männer. Auch sind sie weit weniger in Führungspositionen repräsentiert. Erwerbsunterbrechungen durch Erziehungs- und/oder Pflegezeiten wirken sich nachteilig auf die Karrierechancen von Frauen aus und haben darüber hinaus Auswirkungen auf die Alterssicherung. Das Gender-Pay-Gap steigert sich im Alter zu einem durchschnittlichen Gender-Pension-Gap von 53%. Damit haben Frauen auch ein deutlich höheres Altersarmutsrisiko.
Darüber hinaus werden Berufe, die mehrheitlich von Frauen ausgeübt werden, oftmals schlechter bezahlt als vergleichbare Tätigkeiten, in denen mehrheitlich Männer zu finden sind.
In diesem Jahr steht der Equal Pay Day am 18.03.2019 unter dem Motto „Wertsache Arbeit“. Zentrale Forderung ist die Neubewertung von Tätigkeiten, um tatsächliche Gleichberechtigung und Chancengerechtigkeit durchzusetzen. Die unterschiedliche Bewertung von Tätigkeitsfeldern trägt zu einem erheblichen Teil zur geschlechtsspezifischen Lohnlücke bei.
Das Lohnniveau in Berufsfeldern des sog. Care-Sektors, also sozialen, erzieherischen und Gesundheitsberufen, in den überdurchschnittlich häufig Frauen arbeiten, ist deutlich niedriger als in den sog. MINT-Berufen, also Tätigkeiten im Bereich Informatik, Mathematik, Naturwissenschaften und Technik.
Hier bedarf es einer Überarbeitung der Messinstrumente zur Bewertung von Tätigkeiten.

Wirkliche Transparenz in Entgeltstrukturen bringen

Das „Gesetz zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen – Entgelttransparenzgesetz“ (EntgTranspG) soll das Gebot des gleichen Entgelts für Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit durchsetzen. Es sieht einen individuellen Auskunftsanspruch für Betriebe und Unternehmen mit mehr als 200 Beschäftigten vor. Darüber hinaus sind private Arbeitgeber mit mehr als 500 Beschäftigten aufgefordert, ihre Entgeltstrukturen und die Einhaltung der Entgeltgleichheit zu überprüfen. Viele weibliche Beschäftigte arbeiten allerdings in Betrieben mit weniger als 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, so dass das Entgelttransparenzgesetz für sie überhaupt nicht greift. Neben einer Ausweitung des Entgelttransparenzgesetz auf alle Betriebe, müssen Frauen, die gegen Entgeltdiskriminierung klagen wollen, gestärkt werden. Bislang müssen diese individuell klagen. Um aber die strukturelle Benachteiligung von Frauen bei der Bezahlung nachhaltig aufzubrechen, bedarf es eines Verbandsklagerechts, das Gruppenverfahren möglich macht.
Geschlechtsspezifische Ungleichheiten betreffen gleichermaßen den öffentlichen Dienst. Auch hier zeigt sich, dass die sog. „bereinigte Lohnlücke“ bei nur etwa 4-5% liegt, aber die Verteilung von Frauen und Männern in Arbeitsbereichen und Hierarchieebenen sehr unterschiedlich sind.
Zwar erscheint der Öffentliche Dienst als ein attraktiver Arbeitgeber für Frauen, ihre Aufstiegschancen sind aber auch hier schlechter als die ihrer männlichen Kollegen. So zeigt sich, dass der Anteil von Frauen in den Eingangsämtern bei über 50% liegt, ihr Anteil über die Beförderungsämter bis zum jeweiligen Endamt aber kontinuierlich abnimmt. Im polizeilichen Dienst liegt er in der Besoldungsgruppe E16/A16 bei unter 10%. Auch öffentliche Arbeitgeber sind aufgefordert, systematisch Verdienststrukturanalysen durchzuführen, um strukturelle Hemmnisse für Frauen transparent zu machen und zu beseitigen.
Die Rücknahme des novellierten §19 Abs.6 Landesbeamtengesetz und des §7 Landesgleichstellungsgesetz hat den Bedeutungsverlust der Quotierungsregelung manifestiert. Durch die Ausschärfung der Beurteilungskriterien kommt die derzeit gültige Quotierungsregelung kaum zum Tragen. Da die Beurteilungen für die Beförderungen im öffentlichen Dienst entscheidend sind, kommt ihnen besondere Bedeutung zu. Eine Analyse des DBB NRW zeigt allerdings, dass Frauen bei Beurteilungen deutlich seltener die Bestnote bekommen als ihre männlichen Kollegen und damit später und/oder seltener befördert werden. Auch diese Ungleichheit lässt sich auf strukturelle Faktoren zurückführen. So werden Beschäftigte in Teilzeit meist schlechter beurteilt als jene in Vollzeit. Da auch im öffentlichen Dienst über 80%der Teilzeitbeschäftigten weiblich sind, trifft dies überproportional Frauen.
Aber auch Rollenstereotype und Begrifflichkeiten, die diese reproduzieren, spielen eine Rolle bei der dienstlichen Beurteilung. Auch wenn dies vielleicht nicht bewusst geschieht, so lassen sich doch geschlechterspezifische Verzerrungseffekte bei Beurteilung und Beförderung erkennen.
Dem Land kommt bei der Durchsetzung der Geschlechtergerechtigkeit eine Vorbildfunktion zu. Die Landesregierung ist daher aufgefordert, endlich wirksame Maßnahmen zu ergreifen,
um Frauen auch im öffentlichen Dienst bessere Aufstiegsmöglichkeiten zu eröffnen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern.

II.           Der Landtag fordert die Landesregierung auf:

·        Verbindliche Strukturanalyseverfahren zur Entgeltgleichheit in der öffentlichen Verwaltung des Landes einzuführen.
·        Maßnahmen vorzulegen, die die tatsächliche Durchsetzung der Geschlechtergerechtigkeit im öffentlichen Dienst bei Beförderungen und Entgeltgleichheit sicherstellen.
·        Die Beurteilungskriterien für den öffentlichen Dienst des Landes zu vereinheitlichen und im Sinne geschlechtsneutraler Begrifflichkeiten zu überarbeiten.
·        Die Entwicklung der Geschlechtergerechtigkeit im öffentlichen Dienst und den Umsetzungsstand des Landesgleichstellungsgesetz in einem Bericht vorzulegen.
·        Sich mit den Tarifpartnern für eine tatsächliche Lohngerechtigkeit durch eine Neubewertung unterschiedlicher Tätigkeitsfelder einzusetzen.
·        Auf Bundesebene darauf hinzuwirken, dass Entgeltransparenzgesetz weiterzuentwickeln und auf alle Betriebe auszuweiten sowie ein Verbandsklagerecht einzuführen.