Josefine Paul: „Eher aus der Abteilung ’schad‘t nix, nützt nix’“

Antrag der Fraktionen von CDU und FDP zum Ehrenamt

Portrait Josefine Paul

Josefine Paul (GRÜNE): Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Aktuell rollt die Ehrenamtstour durch das Land. Gestern hat sie hier im Landtag Station gemacht. Sie ist Teil des gerade schon erwähnten Erarbeitungsprozesses für die Ehrenamtsstrategie des Landes.
Dieser Fokus auf Engagement und Ehrenamt ist natürlich absolut zu begrüßen. Allerdings stellt sich mir schon die Frage, warum die regierungstragenden Fraktionen nicht einfach ein bisschen abwarten, was eigentlich Teil dieser Ehrenamtsstrategie sein soll. Da ist man ein bisschen vorgeprescht. Aber gut, wenn man glaubt, man müsste der Staatssekretärin auf die Sprünge helfen, dann wissen Sie vielleicht mehr als wir.
Der Antrag schlägt als Baustein der Ehrenamtsstrategie eine App vor. Auch das ist grundsätzlich erst einmal nichts Falsches. Aber ich frage mich schon: Trauen Sie der Staatssekretärin nicht zu, auf diese wirklich bahnbrechende Idee allein zu kommen?
(Beifall von den GRÜNEN)
Mir stellt sich auch die Frage, ob Sie sich als regierungstragende Fraktionen nicht zutrauen, vielleicht ein bisschen mehr zum Thema Ehrenamt beizutragen, statt nur diesen Miniaspekt herauszugreifen.
Sehr geehrte Damen und Herren, zivilgesellschaftliches Engagement ist selbstverständlich ein zentrales Merkmal unserer Demokratie und eine wichtige Stütze des sozialen Zusammenhalts. Die Zivilgesellschaft lebt vom Engagement von unten. Menschen schließen sich aus unterschiedlichsten Gründen für die unterschiedlichsten Bereiche zusammen und engagieren sich. Deshalb kann man Engagement natürlich nicht von oben verordnen und kann es auch von oben nicht steuern.
Die Ehrenamtsstrategie des Landes soll in einem breiten partizipativen Prozess erarbeitet werden. Das unterstützen wir. Das ist gut und richtig so. Dementsprechend frage ich mich weiterhin, warum Sie hier diesen kleinen Teilaspekt herausgreifen, statt sich mit der Staatssekretärin und den vielen Engagierten an dem Erarbeitungsprozess zu beteiligen.
Wir erkennen auch – das ist schon angeklungen –, das Engagement ist nicht generell rückläufig, aber es steht vor Herausforderungen und Veränderungen. Hier hilft sicherlich nicht allein eine App, auch wenn sie einen Beitrag dazu leisten kann.
Aber – das wäre eigentlich das gewesen, worüber wir uns hier hätten breiter unterhalten können und vielleicht auch unterhalten müssen –Ehrenamt braucht verlässliche Strukturen und gleichzeitig die nötige Flexibilität für die unterschiedlichen Engagementformen. Wir brauchen auf der einen Seite Menschen, die sich in Vorständen engagieren wollen, und auf der anderen Seite Menschen, die sich ad hoc in Projekten zusammenschließen wollen, die Projektmitarbeiterinnen und -mitarbeiter. Wir brauchen eine Vereinsförderung, die verlässlich ist. Gleichzeitig brauchen wir aber auch Zugänge zu Projektmitteln für ad hoc entstandene Zusammenschlüsse und für das projektbezogene Engagement.
Natürlich braucht das Ehrenamt auch Unterstützung durch Hauptamtliche. Aber gleichzeitig brauchen wir für die ehrenamtlich Engagierten auch die Anerkennung in Schule, Ausbildung, Studium und Beruf, beispielsweise durch Freistellungsregelungen. Wir müssen uns darüber hinaus über Credits im Studium unterhalten und möglicherweise auch über das Heranziehen von außerschulischen engagementbezogenen Leistungen bei der Bewertung in der Schule.
All das sind Themen, über die man sich dringend unterhalten müsste, wenn man Engagement und die Engagementstrategie ganzheitlich betrachten möchte. Aber in dieser Hinsicht greift der Antrag leider zu kurz.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ehrenamt lebt von den Menschen, die sich engagieren. Auch diesbezüglich gibt es einen Punkt, den wir dringend in den Blick nehmen müssen. Es gibt Zielgruppen, die bislang unterrepräsentiert sind. Es stellt sich die Frage nach den Frauen, die sich ehrenamtlich engagieren, und zwar nicht nur beim Kuchenbacken, sondern auch bei der Führung in Ehrenamtsstrukturen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Nach wie vor ist es schwierig, für viele Vorstände Frauen zu gewinnen, die sich dort engagieren wollen. Es geht auch darum, mehr Menschen mit Migrationshintergrund in das ehrenamtliche Engagement zu bringen bzw. ihr ehrenamtliches Engagement zu würdigen.
Ehrenamtliches Engagement hängt auch – dies stellt man fest, wenn man sich das Freiwilligen-Survey anschaut – vom Bildungsstatus und vom sozialen Hintergrund ab. Wir müssen uns einmal dringend darüber unterhalten, wie wir die gesellschaftliche Teilhabe über gezieltes Werben in diesen Zielgruppen und die Erreichung dieser Zielgruppen verbessern können.
All das wird leider in dem Antrag nicht angesprochen. Eine App allein wird es nicht richten.
Nichtsdestotrotz, sehr geehrte Damen und Herren, ist das Thema Digitalisierung natürlich auch im Bereich der Engagementpolitik ein wichtiges Thema. Es ist angesprochen worden, Sie haben es erläutert. Die Zugänge zum Ehrenamt sind vielfältig. Heute wird man nicht mehr quasi in den Verein hineingeboren, ob es nun ein Sportverein, ein Schützenverein oder die freiwillige Feuerwehr ist, sondern Menschen suchen auch gezielt danach, sich projektbezogen engagieren zu können. Da kann eine App, da können Internetplattformen sehr hilfreich sein.
Aber die Digitalisierung bietet natürlich auch gute Möglichkeiten für die Organisation der Arbeit. Beispielsweise kann durch die schnelle Kommunikation über digitale Medien auch ein Mehr an Mitgliederbindung erreicht werden.
Nichtsdestotrotz muss man sagen, ja, der Antrag ist okay. Er stammt eher aus der Abteilung „schad‘t nix, nützt nix“. Denn die Staatssekretärin macht sich gerade auf den Weg, eine umfassende Strategie zu erarbeiten. Ich bin mir sicher – das habe ich auch auf der Homepage gefunden –, dass auch die Frage der Digitalisierung dabei Thema sein wird.
Wenn wir uns mit dem Thema ganzheitlich befassen wollen – das würde ich sehr befürworten –, dann wünsche ich mir, dass die Staatssekretärin einen Bericht über den aktuellen Sachstand zum Erarbeitungsprozess für die Ehrenamtsstrategie in den beteiligten Ausschüssen abgibt und wir nicht nur über dieses kleine Thema sprechen. Das ist schade, das ist verschenkt und das ist für eine Ehrenamtspolitik in Nordrhein-Westfalen eigentlich auch ein bisschen zu klein. – Danke schön.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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