Die Forschung an den Hochschulen für angewandte Wissenschaften angemessen regeln und finanzieren

Antrag der GRÜNEN im Landtag

I.         Ausgangslage:
Fachhochschulen bzw. Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW) haben seit ihrer Gründungszeit vor fast 50 Jahren eine bemerkenswerte Entwicklung geschafft. Das gilt für die Lehre, aber auch gerade für den Bereich der Forschung. Die HAW sind zu zentralen Akteurinnen im Innovationssystem geworden. In den letzten rund zehn Jahren hat ihre Forschungsaktivität deutschlandweit deutlich zugenommen. Die 16 öffentlich-rechtlichen HAW in Nordrhein-Westfalen leisten hierzu einen bedeutenden Anteil. Ihre Drittmitteleinnahmen sind deutlich gestiegen und liegen im Mittel pro Professur über dem Bundesdurchschnitt. Auch qualitativ und in der Wahrnehmung in Öffentlichkeit, Politik und Wirtschaft hat ihre Rolle in der Forschung deutlich zugenommen. Forschung und Entwicklung gehören zu den Dienstaufgaben ihrer Professorinnen und Professoren und das Qualifikationsniveau des Hochschulpersonals ist erheblich gestiegen.
Die Hochschulen für angewandte Wissenschaften erfüllen ihre gesetzlichen Forschungs- und Transferaufgaben durch vielseitige und differenzierte Forschungstätigkeiten. Gerade die vielfältigen und intensiven Kooperationen mit Unternehmen zeichnen die anwendungs- und transferorientierte Forschung aus und bilden ein sehr eigenständiges Profil für diesen Hochschultyp. Dabei ist Forschung auch an den HAW eng mit der Lehre verbunden und eine grundlegende Voraussetzung für wissenschaftliche und anwendungsorientierte Studiengänge, insbesondere Master-Studiengänge. Nur so lässt sich eine praxisgerechte wissenschaftliche Ausbildung durchführen.
Die Forschung an den Hochschulen für angewandte Wissenschaften ist bisher auf eine über- schaubare Anzahl staatlicher oder privater befristeter Programme angewiesen. Zwar wurden die staatlichen Programmmittel von Land und Bund in den letzten Jahren erhöht, sie liegen jedoch auf vergleichsweise niedrigem Niveau. Die Grundfinanzierung der HAW enthält keine Mittel für Forschung. Das derzeitige System stößt an seine finanziellen, personellen und organisatorischen Grenzen.
Dabei sind die Professorinnen und Professoren an den HAW mit einem mehrfachen Problem konfrontiert: Die aus den aktuellen Aufgaben entstehende Belastung der Professorinnen und Professoren ist in den letzten Jahren stetig gewachsen. Aber nicht nur gibt es keine Grundmittel für ihre Forschung und auch so gut wie keine Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, mit ihrem sehr hohen Lehrdeputat bleibt ihnen schon rein zeitlich nur wenig Raum für Forschung. Die flexiblen Möglichkeiten der zeitlich befristeten Lehrermäßigungen stoßen an ihre Grenzen, da sie kaum aus dem Bestandspersonal kompensiert werden können. Auch eine Finanzierung aus den Overheadpauschalen von Forschungsprojekten ist nicht möglich, da aus diesen Pauschalen nicht gleichzeitig der zusätzliche Aufwand in Verwaltung und Lehre kompensiert werden kann.
Zudem besteht eine erhebliche Förderlücke im Innovationssystem Deutschlands. Bisher kommt nur ein Bruchteil der Fördermittel von Bund und Europäischer Union bei den HAW an. Ebenso fehlt ein der Deutschen Forschungsgemeinschaft ebenbürtiges Äquivalent für den Bereich der anwendungsnahen und transferorientierten Forschung. Die DFG-Förderung ist grundlagenorientiert und verschafft mit einem Budget von über drei Milliarden Euro bislang im Wesentlichen den Universitäten enorme Forschungsmöglichkeiten.
Damit wurden zentrale Bestandteile der Ausgangslage aufgeführt, welche auch das „Positionspapier zur Forschung an Hochschulen für Angewandte Wissenschaften“ der Landesrektorenkonferenz der Fachhochschulen und der Konferenz der Kanzlerinnen und Kanzler der Fachhochschulen vom 17. Januar 2019 erwähnt. Zu diesem Positionspapier hat die Landespersonalrätekonferenz der wissenschaftlich Beschäftigten an den Hochschulen und Universitätsklinika eine Stellungnahme abgegeben. Auch der Hochschullehrerbund NRW hat sich unlängst zu diesem Thema geäußert. In der Gesamtschau ergeben sich folgende Anforderungen an eine angemessene Ausstattung und Regulierung für die Forschung an den öffentlichen Hochschulen für angewandte Wissenschaften.
II.       Anforderungen für eine zukunftsfähige Forschung:
Das Land muss die Rahmenbedingungen schaffen, damit die Forschungsarbeit an den Hochschulen für angewandte Wissenschaften effektiv und dauerhaft fortgeführt und bedarfsgerecht ausgebaut werden kann. Dafür müssen die HAW die erforderlichen Mittel und auch verbesserte rechtliche Rahmenbedingungen erhalten.
Erforderlich sind im Wesentlichen drei konkrete Schritte. Erstens muss das Land die Grundfinanzierung der Hochschulen für angewandte Wissenschaften deutlich erhöhen, um auch Forschungsarbeit zu finanzieren. Zweitens ist das Lehrdeputat aller HAW-Professorinnen und – Professoren um mindestens 1,8 Semesterwochenstunden zu reduzieren. Drittens muss die Zahl der Stellen im wissenschaftlichen Mittelbau angemessen erhöht werden – auf möglichst eine Stelle pro Professur. Aber auch zusätzliche Professuren sind notwendig, um den Anteil professoraler Lehre nicht unverhältnismäßig zu senken. Eine bessere Personalausstattung wird auch die Attraktivität von Professuren an HAW erhöhen und damit die Zahl der Bewerbungen auf freie Stellen verbessern.
Eine essenzielle Maßnahme zur Stärkung der Forschung an Hochschulen für angewandte Wissenschaften ist die Verleihung des Promotionsrechts an das Graduierteninstitut NRW. Eine ausreichende Zahl an zusätzlichen Stellen im wissenschaftlichen Mittelbau an den Hochschulen für angewandte Wissenschaften muss für die Promovendinnen und Promovenden, auch denen in kooperativen Promotionsverfahren, der Qualifizierung dienen. Dies ist notwendig, da Landes- und Bund-Länder-Programme bisher nur auf die Schaffung von Stellen im Postdoktoranden-Bereich abzielen, HAW ihre Promotionsstellen aber höchstens projektgebunden finanziert bekommen. Im Rahmen dieser Stellen wird geforscht und gelehrt, so dass die HAW davon doppelt profitieren können.
Ebenso muss das Land auf Bundesebene darauf hinwirken, dass eine „Deutsche Transfergemeinschaft“ (DTG) eingerichtet wird. Analog und parallel zur Deutschen Forschungsgemeinschaft, soll sie anwendungs- und transferorientierte Forschungsprojekte fördern. Das Budget einer DTG muss angemessen hoch ausfallen und die Ausschreibungen auch für Universitäten zugänglich sein. Diese Förderung ist ein entscheidender Faktor, damit HAW neben der Lehre kontinuierlich anwendungsorientiert und innovativ forschen und entwickeln können. Zusätzlich soll die DTG auch Unternehmensgründungen und den dauerhaften Aufbau von Kooperationen zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und öffentlichem Sektor ermöglichen.
Steigende Personalzahlen bringen auch steigende Anforderungen an die Personalführung mit sich, sowohl von Professorinnen und Professoren gegenüber Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, als auch von Hochschulleitungen gegenüber dem gesamten Hochschulpersonal. Darauf müssen sich alle Personalverantwortlichen einstellen, gegebenenfalls weiterbilden und entsprechende Strukturen und Prozesse schaffen oder weiterentwickeln.
Nicht zuletzt müssen die Interessen und Bedürfnisse der Studierenden beachtet werden. Die Hochschulen für angewandte Wissenschaften zeichnet ein deutlicher Schwerpunkt auf der Lehre aus. Eine Vielzahl von Professorinnen und Professoren engagiert sich leidenschaftlich in der Lehre. Dieser Schwerpunkt darf beim Ausbau von Forschungsaktivitäten nicht verloren gehen.

III.     Der Landtag beschließt:

1.       Der Landtag fordert die Landesregierung auf, die Hochschulen für angewandte Wissenschaften besser auszustatten und die rechtlichen Rahmenbedingungen für sie zu verbessern, damit die dort geleistete Forschungsarbeit angemessen geregelt, finanziert und ausgebaut wird. Dazu gehört vor allem:
·         Die deutliche Erhöhung der Grundfinanzierung der Hochschulen für angewandte Wissenschaften.
·         Eine Senkung des Lehrdeputats der Professorinnen und Professoren an HAW um mindestens 1,8 Semesterwochenstunden.
·         Die Schaffung von zusätzlichen Stellen im wissenschaftlichen Mittelbau, sodass auf eine HAW-Professur möglichst eine Stelle im wissenschaftlichen Mittelbau kommt. Damit einhergehen muss eine angemessene Erhöhung der Professuren und der Stellen in Technik und Verwaltung.
·         Dem Graduierteninstitut NRW muss das Promotionsrecht verliehen werden. Eine ausreichende Zahl an zusätzlichen Stellen im wissenschaftlichen Mittelbau an den HAW muss für die Promovendinnen und Promovenden, auch denen in kooperativen Promotionsverfahren, der Qualifizierung dienen.
·         Die Perspektiven, Interessen, Bedürfnisse und Probleme aller Statusgruppen an den HAW – Studierende, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Technik und Verwaltung, wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer – müssen berücksichtigt werden.
2.       Der Landtag fordert die Landesregierung auf, sich gegenüber dem Bund dafür einzusetzen, dass eine „Deutsche Transfergemeinschaft“ parallel und analog zur Deutschen Forschungsgemeinschaft gegründet und diese angemessen ausgestattet wird.