Mehrdad Mostofizadeh: „Inklusion gilt überall und nicht nur an den Stellen, an denen es Ihnen gerade passt“

Antrag der SPD-Fraktion zur UN-Behindertenrechtskonvention

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Lenzen, nach Ihrem Vortrag müsste man den Eindruck haben, dass in Nordrhein-Westfalen irgendwie alles super ist,
(Jochen Ott [SPD]: Wir tanzen Samba!)
dass sich die Behindertenvertretungen alle geirrt und in den Anhörungen nur gesagt haben: Es ist großartig, was CDU und FDP hier abgeliefert haben. – Ich hatte in den letzten anderthalb Jahren hier im Landtag einen völlig anderen Eindruck.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Um mit dem letzten Punkt, mit der Landesbauordnung, anzufangen, Herr Kollege: Ich wollte mich eigentlich nicht so aufregen, sondern ich wollte hier ein paar Punkte abarbeiten. Aber wenn Sie die NRW-Koalition so definieren, Herr Kollege, dann muss ich dazu schon ein paar Punkte ausführen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Bei der Verabschiedung der Landesbauordnung waren es die Behindertenverbände und der SoVD, also der Sozialverband VdK, die auf den Barrikaden standen und gesagt haben: Das ist nicht unser Gesetz. Ihr verschlechtert die Situation für Menschen mit Behinderungen, und zwar gerade auf dem Wohnungsmarkt, Herr Kollege Lenzen.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Es ist doch abenteuerlich, das hier als positives Beispiel vorzutragen. Das finde ich, ehrlich gesagt, nicht in Ordnung.
Ein zweiter Punkt, Herr Kollege Hagemeier, den ich auch ansprechen muss, weil ich das als sehr wichtig empfinde, ist die Frage des Wahlausschlusses von Menschen mit Behinderung und von Menschen, die unter Betreuung stehen.
Gerade in dieser Woche berät der Deutsche Bundestag einen Gesetzentwurf von Linken und Grünen, der zum Ziel hat, den Wahlrechtsauschluss, der ja verfassungswidrig ist, zu beseitigen, Kollege Neumann. Das haben Sie nicht ganz richtig dargestellt. Das hat sich nicht gegen unser Gesetz gerichtet, sondern gegen die Regelung auf Bundesebene, dass nämlich das Bundeswahlgesetz verfassungswidrig ist. Es ist verfassungswidrig, was CDU und leider auch die Kollegen von der SPD auf Bundesebene machen, diesen Menschen das Wahlrecht zu verweigern. Da bitte ich Sie dringend, kurzfristig nachzuarbeiten, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Auch was die Realität betrifft, ist es mir ein wichtiges Anliegen, Herr Ministerpräsident und andere, die im Moment den Geräuschpegel ziemlich hochziehen, darauf hinzuweisen, dass bei der politischen Teilhabe vor Ort sowohl bei meiner Partei als auch bei jeder anderen Partei sicherlich Luft nach oben ist. Wie ist es denn mit Hör- und Sehgeschädigten auf Parteiveranstaltungen? Wie ist es denn auf Ämtern? Wie ist es denn um die Kommunikation des Gehörlosenverbandes mit der öffentlichen Verwaltung bestellt? Da haben wir doch noch Luft nach oben.
Lassen Sie uns nicht so tun, als wenn das alles in Ordnung wäre. Die Teilhabe aller Menschen in Nordrhein-Westfalen muss unser Ziel sein statt einzelner Maßnahmenblöcke, die sich hintereinander aufreihen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ein wichtiger Punkt, den ich ansprechen möchte und den auch die UN-Konvention hergibt, betrifft die Monitoring-Stelle. Ich hoffe, ich habe Sie von CDU und FDP richtig verstanden: Sie halten es für richtig und notwendig, dass die Monitoring-Stelle ihre Arbeit in der bisherigen Form weiterführt, dass sie weiterhin vom Land Nordrhein-Westfalen entsprechend ausgestattet wird und uns immer wieder den Spiegel vorhält, ob die Maßnahmen, die in Nordrhein-Westfalen gemacht werden, auch richtig sind? Es wäre sehr wichtig, dieses Signal abzugeben und nicht zu sagen: Die stören uns, dann stellen wir möglicherweise die Förderung ein. – Es wäre ganz gut, wenn das heute noch, vielleicht auch vom Minister, klargestellt würde.
Neben dem Thema „Wohnen“ stellt die Monitoring-Stelle fest, dass gerade bei der Mobilität sehr viel zu tun ist. Ich will Ihnen sagen: Fahren Sie doch einmal mit einem Rollstuhl im ÖPNV durch Nordrhein-Westfalen. Sie werden kaum barriere- oder hindernisfrei Ihr Ziel erreichen. Sie werden kaum – da nehme ich keine Stadt aus – substanziell die Information bekommen, wo Sie denn aussteigen können, wo ein Aufzug funktioniert und wo nicht.
Es ist für die Teilhabe von hohem Wert, ob Menschen sich außerhalb ihrer Wohnung bewegen können oder nicht. Deswegen hat das mit Schönreden und Gesundbeten nichts zu tun. Das muss konzeptionell ausgestaltet werden. Die Forderung, die hier auch formuliert wird, dass der ÖPNV bis 2022 systematisch barrierefrei gemacht wird, ist doch das Mindeste, was wir anstreben müssen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Was die Umsetzung der Konvention angeht, so hätte ich mir, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, gewünscht, wir hätten die Möglichkeit gehabt, das auch im Ausschuss zu diskutieren; denn ein Monitoring allein im Rahmen einer Plenardebatte zu beraten, ist nicht möglich. In fünf Minuten diese 70 Seiten durchzugehen, das übersteigt, glaube ich, all unsere Kräfte. Deswegen wäre es klug, wenn wir im Laufe des Jahres einzelne Bausteine noch einmal herausnehmen und dann im Ausschuss noch einmal gesondert darüber sprechen würden.
Der letzte Punkt: Schule. Es ist ja gestern wieder dieses Spielchen gemacht worden: Wer ist schuld? Wer hat es gemacht, was das Thema Inklusion anbetrifft? – Die Monitoring-Stelle formuliert sehr klar und eindeutig, dass auch behinderte Kinder, und zwar zieldifferent, in allen Schulformen unterrichtet werden müssen, dass die Voraussetzungen dafür geschaffen wer- den müssen, dass sie sich ihren Schulplatz frei aussuchen können und nicht das passiert, was jetzt geschieht, dass nämlich faktisch das Gymnasium ausgenommen wird. Inklusion gilt überall und nicht nur an den Stellen, an denen es Ihnen gerade passt. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)
Der zweite Redebeitrag zu diesem Tagesordnungspunkt von
Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Es erfreut und überrascht mich immer wieder, dass die Koalitionsfraktionen dann, wenn die Landesregierung ihre Redezeit überschreitet und jemand das ihm nach der Geschäftsordnung zustehende gute Recht wahrnimmt, reden zu wollen, in Stöhnen ausbrechen. Das mag ja Ihr Stil sein.
Ich habe nur einen ganz konkreten Hinweis, Herr Minister. Sie haben vorhin sehr viel ausgeführt, was Sie persönlich meinen, wie mit Behindertenpolitik umzugehen ist. Es gibt aber zwei ganz konkrete Punkte, nach denen ich Sie auch gefragt hatte.
Erstens. Sind Sie der Meinung, dass die Monitoring-Stelle ihre Arbeit in Nordrhein-Westfalen mindestens so fortsetzen muss wie jetzt? Sichern Sie auch zu, dass die Förderung weiterhin stattfindet? Darauf hätte ich gerne noch eine Antwort.
Zweitens. Bezüglich der Beschreibung zum Thema „Mobilität und Schule“ würde ich gerne noch einmal klarstellen: Wir haben sehr viel Ausbaubedarf, was das Thema „Mobilität“ betrifft. Wir sind himmelweit davon entfernt, dass sich Menschen mit Behinderung systematisch daran beteiligen können. Das ist auch nicht mit „schrittweise“ zu erklären. Vielmehr muss jede einzelne verkehrspolitische Entscheidung danach ausgerichtet werden, ob sie barrierefrei und behindertengerecht ist. Das muss dann auch in Ausbautatbestände umgesetzt werden.
Deswegen müssen wir systematisch daran herangehen und nicht stückchenweise. Das wer- den wir – ich hatte es bereits angekündigt – im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales sicherlich noch intensiver ausführen.
Ich hätte jetzt gerne von Ihnen ein klares Signal, was die weitere Arbeit der Monitoring-Stelle betrifft. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)

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