Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Lenzen, Ihr Auftritt war nah an der Infamität, das muss ich ganz ehrlich sagen.
(Beifall von der SPD – Zurufe von der FDP)
Wenn sich die Bundestagsfraktion der FDP zulasten der Zusatzversorgungskasse 6 Millionen Euro bei den Beitragszahlerinnen holt, dann kann ich nur sagen: Das ist die Solidarität, die wir von der FDP kennen!
(Beifall von der SPD – Zuruf: Nepper, Schlepper, Bauernfänger! – Weitere Zurufe) Jetzt möchte ich ein paar Punkte sortieren, die immer wieder durcheinandergeworfen werden.
Erstens: Es gibt bei der Rente keine Bedürftigkeitsprüfung. – Ich weiß gar nicht, wer das hier immer erzählt.
(Beifall von den GRÜNEN)
Allerdings ist mir schon klargeworden, warum das immer wieder in die Debatte eingeführt wird: weil das Sozialstaatmodell der FDP – ich muss befürchten, Herr Kollege Preuß, in Teilen auch der CDU – offensichtlich ein anderes ist. Das funktioniert nämlich so: Der Staat finanziert immer nur Reparaturleistungen. Alles, was darüber hinausgeht, kann man ja irgendwie dazuverdienen. Das ist aber nicht das solidarische, umlagefinanzierte Rentensystem, das es in Deutschland gibt.
(Marc Herter [SPD]: So ist das!)
Da erwirbt jemand einen persönlichen Anspruch. Man kann über die Modalitäten reden, wie das im Einzelnen auszugestalten ist. Wir wollen nicht reparieren, sondern wir Grünen – das will ich ausdrücklich in Richtung Sozialdemokraten sagen – sind dafür, dass man schon nach 30 Jahren Arbeit eine faire, über der Grundsicherung liegende Garantierente – wir nennen es Garantierente, Sie nennen es Grundrente – beziehen kann.
Zweitens. Die Finanzierung der Abschaffung des Solidaritätszuschlages würde je nach Berechnungsformel zwei- bis viermal so viel kosten wie das Modell der Garantierente. So viel zur Solidarität in Deutschland!
Drittens. Einen Vorwurf muss ich Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, allerdings machen. Dazu hätte ich mir die Einbettung in eine Generalüberlegung erhofft. Herr Kollege Lenzen, das ist selbstverständlich eine landespolitische Debatte, die hier zu führen ist. Wir haben Hunderttausende von Beamtinnen und Beamten, wir haben Abgeordnete, die ins Versorgungswerk einzahlen, und wir haben andere Leute, die massiv von Einnahmen profitieren, aber nicht in das Rentensystem einzahlen. Das halten wir Grünen schlicht für ungerecht.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ein Wort zur Bedürftigkeitsprüfung: Vorhin wurde von Ärzten und deren Ehepartnern gesprochen. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass Sie sich keine Illusionen machen sollten, was die Verdienstmöglichkeiten mancher niedergelassener Ärztinnen und Ärzte anbetrifft. Aber lassen wir mal die Vorurteile so stehen. Gehen wir von hohen Einkommen aus und davon, dass der Familienpartner, der nur eine kleine Rente erworben hat, die Bedürftigkeitsprüfung durchlaufen kann. Ich halte generell – Stand heute – eine Einbeziehung des Einkommens des Familienpartners für durchaus nachvollziehbar.
Allerdings könnte man es auch anders lösen – Stichwort: Gerechtigkeit –, nämlich durch einen ganz einfachen Mechanismus, der für alle Überlegungen sinnvoll sein könnte. Bei einer solchen Finanzierung könnten wir das, was die Leute insgesamt zu viel verdienen, über eine zusätzliche Steuerprogressionslinie auch wieder abschöpfen. Dann hätten wir ein solidarisches Modell, das für beide Finanzierungsmöglichkeiten funktionieren sollte.
Jetzt komme ich zu den Stichwörtern „solidarischen Finanzierung“ und „Bürgerversicherung“. Wenn ein Normalrentner, auch ein gut verdienender Normalrentner, zum Pflegefall wird, ist er sofort ein Sozialfall. Bei einer Zusatzzahlung von über 2.000 Euro ist das einfach so. Mit der Beihilfe erhalten Pensionsberechtigte 2.000 Euro und noch mehr zusätzlich. Ich gönne es den Beamtinnen und Beamten von Herzen, aber das ist einfach nicht fair. Das gehört in eine solche Überlegung mit hinein.
Drittens. Herr Kollege Lenzen, Sie haben es vorhin selber angeführt: Wenn jemand hohe Einkünfte zum Beispiel aus Vermietungen hat, warum kann man die nicht mit einbeziehen? Ich würde sogar vorschlagen: Verkomplizieren wir das System nicht, sondern beziehen das über den Steuertarif mit ein und machen die Garantierente steuerfinanziert. Dann haben wir weder ein Finanzierungsproblem noch ein Gerechtigkeitsproblem. Das wäre ein ganzheitlicher Ansatz.
Eines, lieber Kollege Preuß, muss ich Ihnen sagen: Das Modell, das die SPD vorschlägt, und das im Bundestag jetzt zur Debatte steht, geht aus unserer Sicht von der Anspruchsseite her in die richtige Richtung. Jetzt aber zu sagen: „Wenn jemand nach 34 Jahren und elf Monaten diese Rente nicht bekommt, dann sollte niemand etwas bekommen“, das ist kein sozialpolitischer Ansatz. Das ist vielmehr ein Ablenken von den sozialpolitischen Problemen, mit denen wir es hier in Deutschland zu tun haben.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Wenn wir Altersarmut zielgenau bekämpfen wollen, dann müssen wir nicht den Solidaritätszuschlag abschaffen, sondern gerade bei denjenigen Rentnerinnen und Rentnern, die in der Mehrzahl sind, besonders bei den Frauen, die eben nicht über die Grundsicherung hinauskommen, nachsteuern. Das funktioniert mit dem Modell, das Minister Heil vorgeschlagen hat, das die Grünen schon vor Jahren „Garantierente“ genannt haben, bei dem die SPD aus Koalitionsgründen aber nicht mitziehen konnte. Das geht in die richtige Richtung. Das würde Zehntausende Rentnerinnen und Rentner in Deutschland entlasten.
Wir müssen aber auch den zweiten Schritt tun. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, wäre meine Bitte und die Aufforderung an den Bundesfinanzminister. Der Bundesfinanzminister muss ein Konzept vorlegen, mit dem er entweder eine solidarische Bürgerversicherung vorschlägt oder ein anderes Einkommenssteuermodell, das die entsprechenden Erträge bringt.
Lassen Sie die Finger davon, in dieser Größenordnung Solidaritätszuschläge abzuschaffen! Sorgen Sie lieber für eine faire und solidarische Finanzierung des Rentensystems. Dann sind wir Grünen ganz klar an Ihrer Seite. Dann stellen wir uns den populistischen Anschuldigungen, die FDP und CDU heute in den Raum gestellt haben, mit Mann und Maus entgegen. Das kann ich Ihnen versprechen. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)