Verbot der Entgasung von Tankschiffen endlich umweltfreundlich umsetzen!

Antrag der GRÜNEN im Landtag

Portrait Norwich Rüße

I.       Großes Umweltproblem verkannt
Die Wasserstraßen Nordrhein-Westfalens sind für den Güterverkehr unerlässlich. In Deutschland werden etwa 85 Prozent der flüssigen Güter auf dem Rhein bzw. im Rheinstromgebiet transportiert, das zum bedeutendsten Wasserstraßensystem Deutschlands und Europas zählt.
Tankschiffe, die Erdöldestillate wie Kraftstoffe, Kraftstoffgemische oder Rohbenzin befördern, müssen regelmäßig entlüftet beziehungsweise entgast werden. Dabei handelt es sich um Ladungsrestdämpfe flüchtiger organischer Verbindungen, die nach der Entleerung des Tanks dort verbleiben, bis sie über eine Abgasreinigungsanlage abgesaugt werden. Das Umweltbundesamt schätzt die Entgasungsmenge deutschlandweit auf bis zu 900 Tonnen jährlich.
Hinter dem Vorgang der Entgasung steckt nicht allein eine technische Routine, sondern eine große Ursache für Luftverschmutzung, die bisher kaum Berücksichtigung findet. Die Gase sind reich an Kohlenwasserstoffen und Benzol, die krebserregend und mutagen wirken können. Das Ablassen der Gase in die Umgebungsluft ist deshalb seit 2006 gemäß 20. BImSchV nicht zulässig. Nur in bestimmten Ausnahmefällen, wie bei technischen Defekten oder Unglücksfällen, kann eine Entgasung in die Umluft im Einzelfall beantragt werden. Zur Einhaltung dieses Verbots ist die Installation von Abgasreinigungsanlagen unerlässlich, um den Schiffsführerinnen und Schiffsführern die notwenige Infrastruktur für Entgasungsvorgänge bereitzustellen.
In Juni 2017 wurde zusätzlich über das Übereinkommen über die Sammlung, Abgabe und Annahme von Abfällen in der Rhein- und Binnenschifffahrt (CDNI) ein umfangreiches Entgasungsverbot eingeführt. Eine Ratifizierung durch die Bundesregierung, durch Verabschiedung eines entsprechenden Ratifizierungsgesetzes und ein Änderungsgesetz zum Ausführungsgesetz, ist bislang noch nicht erfolgt.
Trotz der enormen Bedeutung der Binnenschifffahrt und den großen Hafenanlagen in NRW gibt es hierzulande keine Möglichkeiten zur sachgerechten Entgasung. Die Gase können somit nicht in geschlossenen Einrichtungen abgesaugt und sicher entsorgt beziehungsweise recycelt werden. Auch ist die Nachfrage der Binnenschifffahrt nach derartigen Anlagen derzeit nicht hoch, da eine ordnungsgemäße Entsorgung mit Kosten und einer längeren Liegezeit verbunden wären. Dies sind zusätzlich zur schlechten Entsorgungsinfrastruktur Gründe dafür, dass viele Tanker ihre Gase überwiegend während der Fahrt in die Umluft ventilieren.
Die Situation verschärft sich dadurch, dass die Niederlande das öffentliche Entgasen erst ab 2023 verbieten. Das führt dazu, dass viele Binnenschiffer die Benzolgase ihrer Tanker kurz hinter der niederländischen Grenze in die Luft ablassen, was – je nach Windrichtung – insbesondere die Bevölkerung am Niederrhein stark belastet. Der Schaden für Umwelt und Gesundheit ist enorm und muss endlich ambitioniert grenzübergreifend unterbunden werden.
In den Niederlanden werden zusätzlich technische Lösungen entwickelt, mit denen aus den Gasen Erdöldestillate wiedergewonnen werden können. Derartige Forschungs- und Entwicklungsprojekte sollten auch im Industriestandort NRW angesiedelt werden.
II.      Kontrollen ausweiten, Vergehen sanktionieren
Ein weiterer Grund für die geringe Nachfrage nach der notwendigen Entsorgungsinfrastruktur ist die niedrige Überwachungs- und Sanktionsrate seitens staatlicher Behörden.
Für die Überwachung der Wasserstraßen sind als Landesbehörde das Polizeipräsidium Duisburg, Direktion Wasserschutzpolizei, sowie die Hafenbehörden in den Häfen zuständig. Im Umkehrschluss sind weder das Landesumweltamt noch die Bezirksregierungen als Umweltbehörden involviert. Daher gilt es zu prüfen, inwiefern diese Landesbehörden besser als bisher in das Kontrollsystem eingebunden und somit die Kontrollraten dauerhaft erhöht werden können. Nur ein funktionierendes Kontrollsystem mit entsprechenden Sanktionsmöglichkeiten kann dauerhaft die Nachfrage nach Abgasreinigungsanlagen und Möglichkeiten zur Gaswiederverwertung steigern und eine Reduzierung der Luftverschmutzung erreichen.
Darüber hinaus gibt es keine kontinuierlichen Luftmessungen entlang von Hauptwasserstraßen, wie beispielweise dem Rhein. Solche Messungen sind nicht nur vor dem Hintergrund der Entgasungsproblematik von Tankschiffen sinnvoll, sondern auch aufgrund der anhaltend hohen Schadstoffbelastung durch die Binnenschifffahrt insgesamt. Daher gilt es gemeinsam mit den für Luftreinhaltung zuständigen Bezirksregierungen und dem Landesumweltamt ein Messsystem entlang der Hauptwasserstraßen zu erarbeiten.
III.     Der Landtag fordert die Landesregierung auf:
1.      Sich im Bundesrat in Form einer Entschließung gegenüber der Bundesregierung für eine zügige Ratifizierung des CDNI-Abkommens einzusetzen und dem Landtag darüber zu berichten.
2.      Umgehend die Errichtung von Abgasauffang- und Reinigungsanlagen für die Binnenschifffahrt in Hafengebieten Nordrhein-Westfalens zu planen und umzusetzen.
3.      Möglichkeiten und Maßnahmen zur Wiederverwertung dieser Gase zu entwickeln und diese in die Entsorgungsinfrastruktur einzubeziehen.
4.      Landeseigene Umweltbehörden, wie die Bezirksregierungen, stärker in die Kontrolle einer umweltgerechten Entgasung von Tankschiffen einzubinden. Dafür müssen den Behörden ausreichend Personalmittel zur Verfügung gestellt werden.
5.      Luftmessstationen entlang der Hauptwasserstraßen zu errichten, um auch hier eine kontinuierliche Schadstoffmessung vorzunehmen.
6.      Sich auf Bundesebene für eine einheitliche Dokumentation der Entgasung einzusetzen, die zum Ziel hat, dass die Kosten für das ordnungsgemäße Entgasen von Tankschiffen künftig vom Auftraggeber übernommen werden.