Horst Becker: „Wir wollen dass diese Arbeitsplätze hier sind“

Antrag der "AfD"-Fraktion zur Förderung von E-Mobilität

Horst Becker (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich feststellen: Selbst wenn wir diesen Antrag heute beschließen würden, würde das die Welt nicht ändern, weil es in China Quoten für Elektrofahrzeuge gibt.
In China setzt zum Beispiel VW die meisten Fahrzeuge weltweit ab. In Norwegen wird weiterhin inzwischen mehr als jedes zweite Auto als Elektroauto verkauft. Es würde sich also nichts ändern, wenn wir ihn heute beschließen würden.
Er ist gleichwohl aus sehr vielen Gründen falsch. Ich will versuchen, das in einigen Skizzen deutlich zu machen:
Erstens. Die Frage, ob Akkus, ob Batterietechnik umweltgerecht ist oder nicht, ist für sich genommen eine richtige Frage; sie ist aber in diesem Zusammenhang völlig irrsinnig. Sie ist deswegen falsch, weil beispielsweise auch Ölförderung Probleme hervorruft und ganz erhebliche Umweltprobleme mit sich bringt.
Ich erinnere zum Beispiel an die Schieferöl- und Schiefergasförderung in den USA, in Kanada und in einigen anderen Ländern dieser Erde mit riesigen Folgen. Ich erinnere aber auch an die Ölförderung in Katar, in Saudi-Arabien und anderen Ländern. Auch das gibt Umweltprobleme.
Wir haben an all diesen Stellen immer die Optimierung von Prozessen und tatsächlich auch umweltgerechte Förderung im Auge zu haben. Das gilt selbstverständlich auch bei der Elektromobilität.
Zweitens. Es ist auch da so, dass man heute schon ganz unterschiedliche Fahrzeuge mit ganz unterschiedlichen Belastungen hat, wenn man sich beispielsweise anschaut, für welche Entfernungen Elektrofahrzeuge hergestellt werden.
Nehmen wir ein Elektrofahrzeug aus Nordrhein-Westfalen, den e.GO, der ab April in Serie hier produziert wird und mit einer ausgesprochen kleinen Batterie ausgestattet wird. Selbst in
der Variante, die am weitesten fährt, sind das 150 bis 160 km. Warum? – Weil diese Batterie dann leicht ist, weil man eben nicht viele Rohstoffe braucht und weil man damit auch mit einem Elektrofahrzeug ausgesprochen sparsam fahren kann.
In der Tat ist das ein Fahrzeug, mit dem man nicht in Urlaub fahren wird. Aber ich kann Ihnen zum Beispiel sagen, dass es bereits über 1.000 Vorbestellungen für diesen Wagen gibt, zum Beispiel von Pflegediensten, die in den Städten fahren. Die Caritas hat über 1.000 dieser Fahrzeuge für Nordrhein-Westfalen bereits bei e.GO bestellt. Das ist also ein Wirtschaftszweig. Die wollen mit diesem Fahrzeug fahren, weil sie damit hinkommen.
Das ist eines der Themen, mit dem man sich in den nächsten Jahren in der Tat – da hat Kollege Middeldorf recht – in den Städten besonders beschäftigen wird.
Es hat kein Mensch gesagt, dass in Zukunft alle Autos mit Elektromobilität fahren müssen. Selbstverständlich wird auch die Brennstoffzelle in Zukunft insbesondere im Nutzfahrzeugsektor eine Alternative darstellen.
Selbstverständlich werden wir auch noch viele Jahre mit normalen Verbrennungsmotoren in Deutschland zu tun haben. Das ist so.
Ich will Ihnen aber auch noch einige andere Gedanken mit auf den Weg geben, weil Sie von Arbeitsplätzen gesprochen haben.
Dass Ford im Moment Probleme mit Arbeitsplätzen und der Wirtschaftlichkeit hat, hat null mit der Elektromobilität zu tun; gar nichts, null.
(Zustimmung von Arndt Klocke [GRÜNE])
Das hat etwas mit Wechselkursschwankungen und mit dem Brexit zu tun, über den wir gestern und vorgestern wie auch an anderen Stellen schon gestritten haben.
Das hat auch etwas damit zu tun, dass sie zu teure Teile einkaufen. Es hat noch nicht einmal etwas mit den Lohnkosten zu tun; diese sind dabei das geringste Problem. Das hat etwas mit diesen Fragen zu tun.
Im Gegenteil stellt sich Ford im Moment hin und arbeitet mit StreetScooter zusammen, einer nordrhein-westfälischen Firma. Was machen die? – Die haben festgestellt, als die Post StreetScooter gekauft hat von den gleichen Leuten, die jetzt e.GO machen: Das ist eine super Sache. Wir wollen solche Fahrzeuge. Niemand in Deutschland hat die angeboten. Daraufhin sind sie zur Universität gegangen, zur RWTH Aachen, und haben mit denen dieses Fahrzeug besprochen. Die haben das für die entwickelt. Dann hat die Post das komplett gekauft. Mit diesem Geld wird übrigens jetzt der e.GO entwickelt.
Ford hat erkannt, dass das ein Markt ist, und macht jetzt zusammen mit StreetScooter einen größeren StreetScooter, das heißt, die bauen das Chassis für den größeren StreetScooter und entwickeln zusammen ein weiteres großes Fahrzeug.
Das bedeutet Arbeitsplätze Nordrhein-Westfalen, Arbeitsplätze in Köln. Dann muss man sich auch einmal mit dem Betriebsrat unterhalten und hören, was wirklich Sache ist.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich will Ihnen weitere Beispiele nennen. Sie sprechen von der Zuliefererindustrie. Wissen Sie, wer den Akku und wer den Elektromotor für den e.GO baut? – Bosch.
Wissen Sie, wer den Akku und den Motor für den Bus, den die im Moment in der Planung haben und im nächsten Jahr am Markt anbieten, den sogenannten People Mover, baut? – Die Zahnradfabrik Friedrichshafen.
Das sind deutsche Firmen. Das sind in diesem Fall keine ausländischen Firmen. Die Zellen in den Akkus kommen tatsächlich aus dem Ausland.
Ich will Ihnen aber einmal sagen, woher sie kommen, wenn sie in Europa gefertigt werden. Es gibt zwei große Fabriken in Europa, die diese Zellen herstellen, die nicht aus Asien kommen. Die eine ist in Norwegen. Warum ist die in Norwegen? – Weil die Norweger billig Energie aus Wasserkraft gewinnen und weil man dafür viel Energie braucht. Die andere ist bedauerlicherweise in Frankreich und macht das gleiche Spiel mit Atomenergie, weil die Franzosen Atomenergie bis heute subventionieren. Das sind zwei Firmen in Europa, die diese Zellen im großen Stil herstellen.
Wenn wir uns nicht mit der Frage auseinandersetzen, wo in Deutschland – und zwar mit umweltfreundlicher Energie, zum Beispiel Windenergie – solche Firmen entstehen können, verschlafen wir diesen Zug auch wieder.
Deswegen ist es völlig falsch, die Elektromobilität zu verdammen. Sie sind in Wahrheit diejenigen, die verhindern, dass sich Deutschland vernünftig aufstellt, wenn man Ihnen folgt.
Glauben Sie denn ernsthaft, dass die Chinesen deswegen ihre Quote verändern?
Glauben Sie ernsthaft, dass die Skaleneffekte, die die Chinesen in diesem Bereich erzeugen werden, sich zugunsten Deutschlands verändern, weil wir sagen, wir wollen keine Elektromobilität? Wie kann man so naiv und verrückt sein, dass man das glaubt?
(Beifall von Arndt Klocke [GRÜNE])
Ich will Ihnen ein weiteres Beispiel nennen: Die Firma BYD – ein englischer Begriff, der übersetzt interessanterweise Build Your Dreams bedeutet – stellt weltweit die meisten Elektrobusse her.
Die Deutschen haben bis vor Kurzem keine Elektrobusse angeboten, BYD bietet die an. Das führt dazu, dass wir im Moment Elektrobusse tatsächlich in Polen oder China kaufen und kaum in Deutschland. Das ist doch verrückt. Sie geben vor, aus nationalen Gründen etwas tun zu wollen, und Sie arbeiten in Wahrheit – wenn man Ihnen folgen würde – genau in die Gegenrichtung.
(Beifall von Arndt Klocke [GRÜNE])
Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Kollege Becker, es gibt vom Abgeordneten Loose den Wunsch nach einer Zwischenfrage. Wollen Sie die zulassen?
Horst Becker (GRÜNE): Ja, von mir aus gern.
Vizepräsidentin Angela Freimuth: Bitte sehr, Herr Abgeordneter Loose.
Christian Loose (AfD): Ich habe heute echt viel Glück mit den Zwischenfragen, dass alle die zulassen. – Danke, Herr Becker. Ich habe auch nur eine kurze Frage. Sie sprachen von dem günstigen Wasserkraftstrom in Norwegen und dem günstigen Kernenergiestrom aus Frankreich.
(Horst Becker [GRÜNE]: Weil der subventioniert ist, ja!)
–  Es ist aber Fakt, dass er da ist. – Können Sie sich angesichts der aktuellen Strompreise in Deutschland denn vorstellen, dass wir jemals eine Batteriezellenproduktion ohne Subvention bekommen?
Horst Becker (GRÜNE): Ich kann mir das selbstverständlich vorstellen. Bei Subventionen in die erneuerbaren Energien ist es ähnlich wie mit allen derartigen Entwicklungen. Fast alle dieser Entwicklungen sind immer dann zustande gekommen, wenn der Staat am Anfang neue Sachen gefördert hat, wenn er sie angeschoben hat und es dann einem Markt überlassen hat, sie weiterzuentwickeln.
(Zuruf von Christian Loose [AfD])
Das ist genau das, was gemacht werden muss und was wir hier in Nordrhein-Westfalen auch machen.
Ich kritisiere an dieser Landesregierung wirklich viel, aber ich bin sehr dankbar, dass sie wie die rot-grüne Landesregierung StreetScooter und e.Go unterstützt hat und hier in Nordrhein Westfalen dafür gesorgt hat, dass zum Beispiel auf dem alten …
(Zuruf von Sven Werner Tritschler [AfD])
Ich bin immer noch bei der Beantwortung der Frage; ich bitte, die Uhr zu stoppen.
(Zuruf von Martin Börschel [SPD])
… Philips-Röhrenwerksgelände eine moderne Fabrik entstehen kann wie e.Go, die dem- nächst 20.000 Autos im Jahr produziert, die ab Sommer dieses Jahres noch in 2019 10.000 Autos produzieren wird. Das sind die Zahlen, um die es geht. Die sind jetzt schon dabei, das nächste Werk zu planen, weil sie so viele Vorbestellungen haben. Ich weiß überhaupt nicht, wo Sie hernehmen, dass das keine Zukunft haben soll.
Das hat die alte Landesregierung getan, das tut die neue Landesregierung. Es ist gut, dass sie das fortsetzt, und das ist auch richtig. Also noch mal: Der Staat schiebt solche Sachen tatsächlich mit Subventionen an, und über Skaleneffekte und über Konkurrenz und über den Markt werden die Dinge dann am Ende weiterentwickelt.
So macht das China im Übrigen auch. Wenn Sie nicht wollen, dass BYD demnächst auch noch Pkw hier in Deutschland verkauft, sondern dass die hier gebaut werden, dann müssen Sie sich damit auseinandersetzen, dass dieser Wirtschaftszweig tatsächlich hier gefördert wird und am Anfang auch angeschoben wird. Das ist vernünftig und das ist richtig, denn ansonsten werden wir völlig abgehängt.
Lassen Sie mich noch einen kleinen Nebenaspekt zur Automobiltechnik ausführen: Es gibt nicht nur Automobile mit E-Mobilität, sondern es gibt gerade im Zweiradsektor eine riesigen Boom mit E-Mobilität.
Auf dem deutschen Markt gibt es die Firma Kumpan. Die sitzt zurzeit noch in Remagen. Die vergrößert sich jetzt und hat inzwischen sehr viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus Nordrhein-Westfalen. Demnächst wird die Firma nach Nordrhein-Westfalen umziehen, weil sie in Remagen nicht genug Firmengelände hat. Auch das gehört dazu. Die bezieht zum Beispiel ihre Akkus – nur um das noch mal zu sagen – aus Norwegen. Der ganze restliche Teil dieses Mopeds ist aus Deutschland, ist teilweise von der Zulieferindustrie aus Nordrhein-Westfalen und schafft hier Arbeitsplätze, übrigens auch innovative Jobs, die sich dann auch an anderen Stellen wieder niederschlagen.
(Das Ende der Redezeit wird angezeigt.)
Also wenn Sie so ein Cluster – um das jetzt auch noch mal mit diesem Begriff zu belegen – woanders haben wollen, dann müssen Sie so weitermachen. Wir wollen das in Nordrhein-Westfalen haben. Wir wollen, dass diese Technik hierbleibt, wir wollen dass diese Arbeitsplätze hier sind. Insofern unterscheiden wir uns auch da von Ihnen. – Schönen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD) 

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