Matthi Bolte-Richter: “ Ich finde es immer schwierig, Kinderbetreuung allein als Frauenthema zu diskutieren“

Antrag der SPD-Fraktion zu familienfreundlichen Start-Ups

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ja, es ist zunächst gut, Kollegin Kampmann, dass Sie dieses Thema hier auf die Bühne gebracht haben, denn es ist ein wichtiges Thema.
Ich hätte mir nichtsdestotrotz gewünscht, dass wir den Antrag heute hier nicht direkt abstimmen, sondern im Ausschuss beraten, damit wir dieses Thema vertiefen können. Ansonsten sieht dieser Antrag der SPD an vielen Stellen so aus: Wir wollten als SPD-Fraktion die erste Initiative und irgendetwas zum Thema machen.
An einigen Stellen ist es unausgegoren, und anderen Stellen ist es eher Symbolpolitik. Daraus hätte man sicherlich mit einer vertieften Beratung vielleicht noch die eine oder andere Idee extrahieren können, um das Thema wirklich nach vorn zu bringen.
So sprechen wir heute alle fünf Minuten darüber und stellen fest, wie wichtig uns das Thema ist. Die Kolleginnen und Kollegen von der Regierungsseite sagen: Wir machen jetzt alles superduper.
Wir sehen das naturgemäß anders und stimmen am Ende ab. So richtig weit fortgeschritten in der Debatte sind wir dann nicht. Da haben wir sicherlich eine Chance vergeben, ein wichtiges Thema tiefgehend zu diskutieren.
(Beifall von den GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir einmal schauen, was tatsächlich die Themen sind, die Frauen, die gründen wollen oder Gründerinnen sind, umtreiben, dann können wir zum Beispiel in den „Female Founders Monitor“ schauen, den der Bundesverband Deutsche Start-ups herausgibt. Da werden die drei größten Herausforderungen aufgelistet, denen sich Gründerinnen gegenübersehen.
Das ist bei reinen Frauenteams das Thema „Kundengewinnung, Unternehmenswachstum und Produktentwicklung“ als größte Herausforderung.
Bei Mail und Mixed Teams sieht es etwas anders aus. Da steht dann „Produktentwicklung“ und „Kapitalbeschaffung“ ganz vorn.
Das sind nicht die originären Vereinbarkeitsfragen, sondern das sind eher die allgemeinen Fragen der Gründungsförderung.
Nichtsdestotrotz gibt es da gewisse Anschlüsse. Zum Beispiel ersehen wir daraus, dass Frauenteams bei der Gründung durchaus andere Unterstützungsbedarfe und andere Herausforderungen haben, als es reine Männerteams oder gemischte Teams haben.
Deswegen ist es zum Beispiel auch klug, sehr genau hinzuschauen, etwa mit Beratungsinfrastrukturen wie dem Female Innovation Hub: Was gibt es an Erfahrungswerten, wo Frauen bestimmte Beratungsbedarfe haben, die anders sind als bei Männerteams? Das nur als ein Hinweis.
Es gibt solche Infrastrukturen schon. Die machen gute Arbeit. Man kann durchaus, wenn man Interesse an einem vertieften Debattenprozess hat, mal da hingehen und schauen, wo wir insoweit etwas verbessern können.
Dann zu den Einzelpunkten Ihres Antrags. Die haushaltsnahen Dienstleistungen – Sie haben es in dem Antrag selbst geschrieben – sind eine Empfehlung der Enquetekommission aus der letzten Legislaturperiode. Sie sind, wie das in der letzten Legislaturperiode bei den Berichten der Enquetekommissionen üblich war, von allen Seiten mitgetragen worden.
Die Frage ist natürlich: Ist das allein ein Thema für Gründerinnen und Gründer? Ist es realistisch, einfach zu sagen: Wir führen das flächendeckend ein?
Das kann man immer leicht fordern, wenn man in der Opposition ist. Aber wenn man sich zum Beispiel die Frage stellt, ob man als Sozialdemokratie nicht auf Bundesebene auch irgendwie in der Verantwortung ist, könnte man vielleicht auch dort das Thema angehen.
Das zweite Thema, bei dem mir wirklich Fragezeichen erschienen sind, als ich das gelesen habe, war das Thema „Kinderbetreuung bei Coworking-Spaces“. Sie haben selbst einen Beispielfall zitiert, bei dem es schon nach der heute geltenden Rechtslage möglich ist – das betrifft den Coworking-Space in Köln, den Sie genannt haben –, das über eine Großtagespflege zu realisieren. Es ist sicherlich ein relevantes Thema.
Schon jetzt kann eine Kommune hingehen, das im Rahmen ihrer Kita-Bedarfsplanung – natürlich durch das Land kofinanziert, wie das immer bei Kitas und bei Kinderbetreuung der Fall ist – vorsehen und das machen.
Die Frage ist natürlich: Welches Konzept steht bei Ihnen dahinter? Wo soll das Land das konkret anpacken, das durch ein gesondertes Programm, durch ein reformiertes KiBiz konkret fördern? Wo sind dazu die Ideen? – Schon dieses Thema allein hätte die Beratung im Ausschuss gelohnt.
Betreuung – das finde ich als letzten Aspekt ganz wichtig – ist nicht ein Frauenthema. Ich sage: Es ist zum Glück nicht ein Frauenthema.
(Beifall von den GRÜNEN)
Heute gibt es viele Männer, die in anspruchsvolle Berufe gehen wie auch diesen hier zum Beispiel, und sagen: Wir wollen das trotzdem mit Familie, mit Kindern, auch mit kleinen Kindern vereinbaren können. – Ich finde es immer schwierig, Kinderbetreuung allein als Frauenthema zu diskutieren.
Fazit: Ihr Antrag benennt ein Thema, aber ich hätte darüber gern an anderer Stelle mehr diskutiert, mehr erfahren, ob Sie tatsächlich auch Ideen dazu haben. An dieser Stelle bleibt uns deshalb nur die Stimmenthaltung. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)