Josefine Paul: „Gewalt gegen Frauen ist noch immer ein gesellschaftliches Tabuthema“

Antrag der "AfD"-Fraktion zu häuslicher Gewalt

Portrait Josefine Paul

Josefine Paul (GRÜNE): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Gewalt gegen Frauen ist noch immer ein gesellschaftliches Tabuthema. Es ist sehr gut, dass wir in diesem Parlament in den letzten Wochen und Monaten an vielen Stellen über genau dieses gesellschaftliche Tabuthema gesprochen haben. Wir hatten nicht nur eine Aktuelle Stunde dazu, sondern haben auch eine breite Diskussion über den rot-grünen Antrag zur Istanbul-Konvention geführt, zu dem wir auch eine breit gefächerte Anhörung hatten.
In dem gesamten Prozess ist noch einmal sehr deutlich geworden, dass natürlich nach wie vor Handlungsbedarf besteht und dass Frauen in dieser Gesellschaft – übrigens unabhängig von ihrer Herkunft und ihrem sozialen Status – immer noch Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt werden.
Ich will auch noch einmal sehr deutlich sagen, dass die Debatte um Gewalt gegen Frauen nicht instrumentalisiert werden darf, um weiter Ressentiments zu verbreiten. Gewalt gegen Frauen ist leider ein Phänomen, das in allen Teilen der Gesellschaft vorkommt. Dem muss man sich dementsprechend stellen.
Die Istanbul-Konvention – sie ist gerade schon angesprochen worden – ist eine Grundlage für eine ganzheitliche Beschäftigung mit dem Thema. Dazu gehört auch die Frage, welche Bedarfe im Hinblick auf den Ausbau der Frauenhilfeinfrastruktur noch bestehen.
In Nordrhein-Westfalen verfügen wir mit dem von Rot-Grün in der letzten Legislaturperiode auf den Weg gebrachten Landesaktionsplan „NRW schützt Frauen und Mädchen vor Gewalt“ über eine sehr gute Grundlage, auf der man ein solches ganzheitliches Konzept weiterentwickeln kann.
Außerdem ist die Frauenhilfeinfrastruktur in Nordrhein-Westfalen sehr gut und professionell aufgestellt.
Die Landesregierung plant jetzt ergänzend zum LAP für Frauen und Mädchen den Landesaktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Jungen und Männer. Auch die von Ihnen beschriebenen Anliegen werden also durch die Landesregierung aufgegriffen. Wir werden sehr genau verfolgen, in welcher Art und Weise wir dort noch zu einer Verbesserung der Infrastruktur kommen können.
Natürlich bestehen noch weitere Herausforderungen. Auch die in Ihrem Antrag beschriebenen Herausforderungen bestehen durchaus; das ist überhaupt keine Frage. Nur ist das, was Ihnen da aufgefallen ist, auch nicht ganz neu.
Rot-Grün hat bereits in der letzten Legislaturperiode mehr Mittel für die Arbeit mit Kindern in Frauenhäusern eingestellt. Ich habe auch schon vor zwei Wochen sehr deutlich gesagt, dass die Arbeit mit Kindern selbstverständlich auch ein Mittel der Prävention ist. Das ist deswegen so, weil wir leider wissen, dass die Kinder, die Gewalt erlebt haben – ob sie sie nun am eigenen Leib erfahren oder bei ihren Eltern beobachtet haben –, leider gefährdeter sind, später selbst entweder Opfer von Gewalt oder sogar Gewalttäterinnen und Gewalttäter zu werden.
Dementsprechend ist es natürlich auch ein Kernanliegen der Frauenhäuser, die Kinder in den Blick zu nehmen. Das wird durch die Bereitstellung dieser Mittel, die die neue Landesregierung fortsetzt, unterstützt.
Die Frage nach unterschiedlichen Wohnformen für unterschiedliche Bedarfe ist doch schon längst in der Frauenhilfeinfrastruktur angekommen. Die Frauenhilfeinfrastruktur wird konsequent weiterentwickelt. Ich nenne da nur einmal die Second-Stage-Projekte und andere Frauenhäuser, die neben den Zimmern in ihrem Stammhaus auch über weitere Appartements etc. verfügen, um den unterschiedlichen Bedarfen von Frauen – auch mit Söhnen – Rechnung zu tragen.
Ich will noch auf einen Punkt hinweisen, weil mich das doch ein bisschen geärgert hat. Sie schreiben in Ihrem Antrag, dass Frauenhäuser von ihrem Selbstverständnis her Frauenwelten seien. Aus meiner Sicht klingt das im Hinblick auf die wirklich wichtige gesellschaftliche Arbeit, die diese Frauenhäuser leisten, ein bisschen despektierlich.
(Beifall von der SPD und Norwich Rüße [GRÜNE])
Denn es geht nicht darum, dass es sich um Frauenwelten handelte oder irgendetwas mit Gender-Gedöns zu tun hätte. Auch Sie haben ja anerkannt, dass die Frage von Gewalt gegen Frauen und Mädchen eine gesellschaftlich höchst relevante Frage ist. Es geht darum, dass Frauenhäuser wichtige Schutzräume für Frauen sind. Sie sind dafür da, dass Frauen, die sich in einer akuten Gefahrensituation befinden, einen sicheren Ort für sich und ihre Kinder haben. Frau Troles hat es ja bereits beschrieben: Die Kinder sind in den Frauenhäusern selbstverständlich immer willkommen – auch die männlichen Kinder und in vielen Frauenhäusern sogar die männlichen Jugendlichen.
Ihres Antrages hätte es also nicht bedurft, auch wenn ich es wichtig finde, dass wir in diesem Haus immer wieder über die Frage von Gewalt gegen Frauen und Mädchen debattieren.
Auch speziell die Frage der Gewalt gegen Mädchen ist wichtig. Wir werden zu dem Antrag hinsichtlich der Istanbul-Konvention, den wir hier schon breit debattiert haben, noch einen Änderungsantrag vorlegen, weil wir dringend auch die Frage von Gewalt gegen Mädchen und Schutzräumen für Mädchen weiter in den Blick nehmen müssen.
Dementsprechend wird die Debatte weitergehen. Ob es dazu allerdings dieses Antrages be- darf, ist eine andere Frage. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und Heike Troles [CDU])

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