Monika Düker. „Die schwarz-gelbe Landesregierung hat keine Antworten auf die entscheidende große Herausforderung der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts“

Entwurf zum Haushaltsgesetz 2019 der Landesregierung - dritte Lesung

Monika Düker (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Generalaussprache zum Haushalt findet in diesem Jahr in Zeiten des Terrors statt, der gestern auch Straßburg erreicht hat. Jenseits des politischen Schlagabtausches, der heute wieder heftig und leidenschaftlich geführt wird, sind die Gedanken von allen Fraktionen heute bei den Opfern.
Auch wir in Nordrhein-Westfalen arbeiten in einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss immer noch an der Aufarbeitung des schrecklichen Anschlags vor genau zwei Jahren am Breitscheidplatz in Berlin. Ich möchte mich bei den Kolleginnen und Kollegen bedanken, die in diesem Ausschuss mitarbeiten – Herr Körner, Herr Sieveke, Herr Geerlings.
(Zuruf von der FDP: Herr Bombis ist auch dabei!)
Er findet nicht so sehr in der Öffentlichkeit statt, und da werden auch nicht die großen Auseinandersetzungen geführt. Wir arbeiten dort gut zusammen – das sind wir den Opfern schuldig –; denn wir wollen auch für unser Land Lehren ziehen, um uns besser gegen diese Terrorgefahren zu wappnen. – Danke schön.
(Beifall von den GRÜNEN)
Die Generalaussprache zum Haushalt findet aber auch in Zeiten statt, in denen über die Zukunft, über die Lebens- und Überlebensbedingungen unserer Kinder und Kindeskinder entschieden wird.
In Kattowitz ringt man auf der 24. UN-Klimakonferenz um die Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens. Man ringt darum, wie und ob man es schafft, die globale Erwärmung auf unter 2°C zu begrenzen. Dieses ehrgeizige Ziel ist von zentraler Bedeutung, um den Klimawandel, der nicht in einer fernen Zukunft liegt, sondern längst bei uns angekommen ist, beherrschbar zu halten. Um es christlich auszudrücken für die Kollegen und Kolleginnen der Christlichen Demokratischen Union: Es geht auch darum, diese Schöpfung zu bewahren.
(Beifall von den GRÜNEN)
In Berlin ringt man deswegen um einen schnellstmöglichen Ausstieg Deutschlands aus der Kohle. Ja, Herr Löttgen, die Braunkohle hat etwas damit zu tun, ob wir diesen Planeten retten können oder nicht.
(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])
Ja, dort wird ernsthaft um den Kohleausstieg gerungen. (Beifall von den GRÜNEN)
Das ist auch nötig; denn Deutschland ist beim internationalen Klimaindex eben wegen dieser fehlenden Maßnahmen im Bereich Kohle weit zurückgefallen. Im Verkehrsbereich steigen die Emissionen sogar; dort stehen wir auf Platz 27.
Herr Löttgen, es macht mich wirklich fassungslos, wie man so zukunftsvergessen sein kann, dieses Thema in seiner Rede nicht mit einem einzigen Wort zu erwähnen bzw. es nur lächerlich zu machen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Es ist zukunftsvergessen, den Klimaschutz auf eine Ebene mit dieser albernen Knecht-Ruprecht-Posse zu stellen und beides in einem Atemzug zu nennen; denn es geht um mehr.
(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU] – Beifall von den GRÜNEN)
Herr Kollege Kutschaty, danke schön, Sie haben es geschafft – ich habe es mir notiert –, immerhin einmal die Worte „erneuerbare Energien“ und „Windenergie“ in Ihrer Rede unterzubringen. Für die Sozialdemokratie ist das schon was – danke schön.
Beim Thema „Klimafolgenanpassung“ geht es aber um mehr als nur um die Erwähnung in einem Nebensatz. Der Klimawandel liegt nicht in ferner Zukunft, sondern er ist diesen Sommer in unserem Land –spürbar für alle Menschen – angekommen.
Die Umweltministerin hat das Thema inzwischen auch entdeckt und sieht Nachholbedarf in den Städten – immerhin etwas. Es geht um Hitzeinseln, Entsiegelung, Frischluftschneisen, Hochwasserschutz. Das alles sind bekannte Notwendigkeiten. Frau Ministerin Heinen-Esser kündigte gestern im „WDR“ an:
„Wir werden Klimaanpassungsmaßnahmen deutlich verstärken müssen. Denn in diesem Jahr haben wir gesehen, dass wir tatsächlich im Klimawandel stecken.“
Für diese bahnbrechende Erkenntnis hätte die Umweltministerin nicht nach Kattowitz fahren müssen. Sie hätte sich einfach mal vor Ort die Schäden in den Städten ansehen sollen: die Schäden von Stürmen, von Überschwemmungen, von Hitzefolgen. Deswegen fordern die Städte zu Recht mehr Unterstützung vom Land.
Passiert ist leider gar nichts. Gerade mal die mickrige Summe von 1 Million Euro steht bei diesem wichtigen Thema für die Kommunen und für die Klimaanpassung im Einzelplan 10 zur Verfügung. Nach Aussage des Bundesumweltamtes müssten die Mittel von Bund und Ländern zur Klimaanpassung allerdings verzehnfacht werden, um uns darauf entsprechend vorzubereiten.
Unsere Anträge dazu haben Sie selbstverständlich abgelehnt. Ich sage Ihnen hier und heute: Reden Sie nicht nur von Klimafolgenanpassung, handeln Sie!
(Beifall von den GRÜNEN)
Auch dieses Thema, Herr Löttgen, kam in Ihrer Rede nicht vor. Beim nächsten Sturm, bei der nächsten Überschwemmung sprechen wir uns wieder.
(Zurufe von Bodo Löttgen [CDU] und Christof Rasche [FDP])
Schaut man sich an, was die Menschen in unserem Land bewegt, fällt auf, dass das Thema „Klimaschutz“ und das, was man dafür tun müsste, sehr wohl bei den Bürgerinnen und Bürgern, also auch bei Ihren Wählerinnen und Wählern, angekommen ist – mehr jedenfalls als rechts und links auf den Regierungsbänken.
(Zuruf von der CDU: Schauen Sie doch mal in den Haushalt!)
Schauen Sie sich mal im Deutschlandtrend vom 3. Dezember dieses Jahres die Umfragen an!
(Bodo Löttgen [CDU]: Darum geht es – nur um Ihre Umfragen! Ausschließlich! – Zurufe von den GRÜNEN – Unruhe – Glocke)
92 % der Menschen in NRW halten den Ausbau der erneuerbaren Energien für sinnvoll und nötig. 90 % sprechen sich für strengere Umweltauflagen für die Industrie aus, und immerhin 69 % wollen einen schnelleren Kohleausstieg.
(Fortgesetzt Zurufe von der SPD und Gegenrufe von der FDP)
Sogar im Land der Automobilfetischisten sagen 53 % – immerhin mehr als die Hälfte –, dass es einen schnelleren Umstieg vom Verbrennungsmotor auf Elektroantrieb geben muss.
Das, lieber Herr Laschet, sind nachweislich nicht nur Wählerinnen und Wähler der Grünen. Das sind auch Ihre Wählerinnen und Wähler. Und was liefert die CDU auf ihrem Bundespar- teitag?
(Zurufe von der CDU)
Greenpeace hat gemessen: Gerade mal 2 % der Redezeit – ähnlich wie hier – haben die Kandidatin und die Kandidaten für den Bundesvorsitz auf dem Bundesparteitag der CDU für den Klimawandel verwendet. – Wie armselig und zukunftsvergessen ist das denn für eine Partei, die den Anspruch hat – Herr Laschet, Herr Löttgen –, eine Volkspartei zu sein?
(Beifall von den GRÜNEN)
Wo ist denn da die Politik für die vielbeschworene Mitte? Da hätte man meinen können – dank „Phoenix“ kann man so etwas inzwischen live und in Farbe verfolgen –, dass nach den Vorsitzendenwahlen bei der Vorstellung der Stellvertreterkandidaten mit Armin Laschet als Ministerpräsident eines großen, wichtigen Industrielandes endlich jemand kommt, der so etwas wie Mut und Tatkraft zeigt und erläutert, wie man ein Bundesland, ein Industrieland auf den Transformationsprozess vorbereitet, wie man zum Beispiel die Klimaschutzziele der Bundesregierung – nicht grüne Klimaschutzziele, sondern die der GroKo – bis 2030 umsetzen will, wenn es schon 2020 nicht gelingt.
Im Energiesektor eine CO2-Reduktion um minus 120 Millionen t von derzeit rund 300 Millio- nen t – Herr Löttgen, da braucht man nur einen Rechenschieber, da braucht man noch nicht mal einen Taschenrechner. Wenn Sie die Klimaschutzziele ernst nehmen, dann geht das bei uns im Rheinischen Revier nicht ohne einen Braunkohleausstieg.
(Beifall von den GRÜNEN)
Oder, Herr Laschet, Sie hätten darlegen können, wie der Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor mit einer Verkehrswende gelingen kann, bevor NRW im Stau und in Luftverschmutzung erstickt oder Fahrverbote das Land lahmlegen.
Im Klimaschutzplan steht auch ein Anteil von 65 % erneuerbarer Energien am Strommix. Wie wollen Sie das denn für NRW machen? Bestimmt nicht, indem Sie hier die Windenergie verteufeln und ausbremsen.
Last but not least: Mit welchen Maßnahmen wollen Sie denn im Rheinischen Revier zukunftsfähige Arbeitsplätze schaffen, bevor die Bagger und die Kohlemeiler stillstehen? – Da brauchen wir eine neue Leitentscheidung. Von Herrn Pinkwart hören wir nichts. Zu den Strukturfördermaßnahmen haben wir auch noch nicht viel gehört.
Man hätte meinen können – Achtung: Konjunktiv! –, dass sich Herr Laschet diesen Themen offensiv zuwendet und sie in seine Bewerbungsrede aufnimmt. Aber – man höre und staune was kommt stattdessen? Vollmundige Bekenntnisse zur Bewahrung dessen, was ist, und ganz viel Autosuggestion, dass man die energieintensive Industrie in NRW halten will. – Ja, das ist auch richtig, aber nur mit Beschwören und einem autosuggestiven: „Das kriegen wir schon irgendwie hin“ funktioniert das nicht. Pläne, Ideen, Konzepte für unser Land – Fehlanzeige.
Dann kommt mal wieder eine durch keine Fakten belegbare, aber offenbar in bestimmten Kreisen umso beliebtere These – Achtung: Verdrängung! –, dass die Fahrverbote eigentlich gar nichts mit diesen Dieselbetrügereien zu tun haben. Die eigentlichen Verursacher – man höre und staune – sind laut Armin Laschet nicht etwa die Autokonzerne mit ihren kriminellen Machenschaften, sondern diejenigen, die geltendes Recht vor Gericht einklagen.
(Arndt Klocke [GRÜNE]: Die Deutsche Umwelthilfe!)
Herr Laschet, so höhlt man den Rechtsstaat aus, so löst man aber keine Probleme. (Beifall von den GRÜNEN)
Wir haben in diesem Land unabhängige Gerichte, wir haben Gewaltenteilung, Rule of Law, die Herrschaft des Rechts. Daran sind Sie als Ministerpräsident eines Landes gebunden. Als das Verwaltungsgericht Leipzig urteilte: „Fahrverbote sind zulässig“, meinten Sie lapidar: Alles Quatsch.
(Ministerpräsident Armin Laschet: Bundesverwaltungsgericht!)
–  Bundesverwaltungsgericht. – Alles Quatsch, was die Richter erzählen, Fahrverbote sind unverhältnismäßig.
(Ministerpräsident Armin Laschet: Das ist doch gar nicht wahr!) Sie haben danach gesagt: Das ist alles unverhältnismäßig.
(Zuruf von Armin Laschet, Ministerpräsident)
Aber die deutschen Verwaltungsgerichte haben das nun mal anders gesehen als Sie, Herr Laschet, und haben wegen der Untätigkeit – auch Ihrer Politik – Fahrverbote verhängt.
(Beifall von den GRÜNEN)
Was passiert jetzt,
(Zuruf von Ministerpräsident Armin Laschet)
nachdem die Gerichte Ihnen sagen: „So läuft das nicht“? Was machen Sie da? – Sie fangen an, die Kläger zu beschimpfen
(Zuruf von Ministerpräsident Armin Laschet – Lebhafte Zurufe von den GRÜNEN) und zu diffamieren.
Der Kläger, die Deutsche Umwelthilfe, die schlicht und einfach geltendes Recht einklagt, soll nun in der Folge mundtot gemacht werden. Auf Ihrem Parteitag haben Sie nun mit sehr viel Verve nach dem Motto „Denen zeigen wir es jetzt mal!“ beschlossen, der Deutschen Umwelthilfe die öffentlichen Gelder wegzunehmen und die Gemeinnützigkeit abzuerkennen. Basta! Herr Laschet, solch eine Politik nach Gutsherrenart finden wir skandalös.
(Beifall von den GRÜNEN)
Herr Laschet, mit einer solchen Politik – indem Sie der DUH jetzt die Gelder wegnehmen – lösen Sie kein einziges der aktuellen Probleme.
Wenn Sie nur einen Bruchteil – ein klein wenig reicht schon – der Leidenschaft, die Sie bei Ihrer Rede darauf verwandt haben, die Deutsche Umwelthilfe zu beschimpfen und diejenigen zu bekämpfen, die Probleme im Land sichtbar machen, auch gegen die Verursacher, gegen die Betrügereien in der Automobilindustrie und für wirksame Lösungen für emissionsarmen Verkehr aufbringen könnten, wären wir bei der Bewältigung der Luftverschmutzung in unseren Städten schon sehr viel weiter.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich glaube, dass die Menschen dieses billige Manöver durchschauen. Es ist meine feste Überzeugung, dass es Ihnen nicht gelingen wird, den berechtigten Zorn der betroffenen Dieselfahrerinnen und Dieselfahrer in unserem Land umzulenken – weg von den Verursachern der Probleme und von Ihrer untätigen Politik im Auftrag der Autolobby hin auf die Gerichte und die Ankläger. Gott sei Dank entscheiden in unserem Rechtsstaat immer noch die Finanzämter über die Gemeinnützigkeit und nicht der Parteitag der CDU.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Diese Regierung zeigt immer wieder ihr gestörtes Verhältnis zum Rechtsstaat, nicht nur im Umgang mit denjenigen, die ihre Rechte vor Gerichten einklagen, sondern auch dann, wenn ein Minister wie Herr Stamp versucht, die Gerichte auszutricksen, um Gefährder abzuschieben. Der Fall Sami A. hat im Nachhinein eines deutlich gezeigt: Der Rechtsstaat ist nicht wehrlos. Der Rechtsstaat kann rechtssichere Abschiebungen durchsetzen. Er hätte einfach die Papiere organisieren müssen, dann hätte diese Abschiebung rechtskonform vollzogen werden können.
(Beifall von den GRÜNEN –Zuruf von der FDP)
Nein, der Minister hat sich für einen anderen Weg entschieden. Er hat die Gerichte ausgetrickst. Diese Abschiebung war rechtswidrig; man hätte das Ganze auch anders lösen können.
Rechtsstaatlich bedenklich in der Causa Sami A. ist nicht nur das Verhalten von Herrn Dr. Stamp, sondern auch das des Innenministers. Ich finde es nach wie vor unerhört, Herr Reul, wenn Sie als Verfassungsminister in solch einer Angelegenheit den Richtern in unserem Land Empfehlungen aussprechen. Das steht Ihnen erstens nicht zu, und zweitens empfehlen Sie ihnen auch noch, sie sollten ein bisschen mehr auf den Stammtisch hören,
(Lachen von Herbert Reul, Minister des Innern) statt es mit den Gesetzen so genau zu nehmen.
(Herbert Reul, Minister des Innern: Das habe ich so nicht gesagt!) Herr Reul, das war eine Entgleisung!
(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Herbert Reul, Minister des Innern)
Das steht einem Verfassungsminister, der die Verfassung und die damit verbundene Gewaltenteilung schützen sollte, nicht zu.
Rechtsstaatlich bedenklich ist auch Ihr Vorhaben im Zusammenhang mit dem Verbandsklagerecht für Tierschutzorganisationen, womit Sie Kläger in Sachen Tierrechten mundtot machen wollen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Den Verursacher wird es freuen – der Tierschutz bleibt auf der Strecke. Der Kollege Markus Diekhoff von der FDP ist gerade nicht im Raum.
(Zuruf von der FDP: Guter Mann!)
–  Guter Mann – für Sie vielleicht.
Er ließ sich in der Plenardebatte am 15. November dieses Jahres – lesen Sie das mal nach – zum Verbandsklagerecht doch tatsächlich zu der Äußerung hinreißen, dass er Tierschutzverbände nicht kriminalisiere – das war ja mein Vorwurf gegen ihn –, denn sie seien ohnehin kriminell.
(Mehrere Zuruf von den GRÜNEN: Unglaublich!)
Welch ungeheure Entgleisung einer demokratischen Fraktion in diesem Haus. (Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von der FDP: Guter Mann!)
Nein, liebe FDP-Kolleginnen und -Kollegen – diejenigen, die Tiere quälen, (Zuruf von Christof Rasche [FDP])
sind kriminell, und nicht diejenigen, die so etwas vor einem deutschen Gericht anprangern. (Beifall von den GRÜNEN – Widerspruch von der FDP)
Das unterscheidet uns offenbar fundamental von der FDP. (Zuruf von Dietmar Brockes [FDP] – Unruhe – Glocke)
Es ist gut, dass dieser Unterschied hier in diesem Haus einmal deutlich geworden ist. (Beifall von den GRÜNEN)
Heute wird in der Debatte noch einmal deutlich werden, dass Ihnen Tierleid und Tierschutz nicht gerade eine Herzensangelegenheit ist. Deswegen braucht es die Grünen, um dieses Thema hier im Landtag überhaupt auf die Tagesordnung zu bringen.
(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])
Neben dem Klagerecht für Tierschutzverbände (Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])
werden unter der Amtsführung der neuen Umweltministerin fleißig weiter ökologische Standards rückabgewickelt. Die Umweltpolitik spielte auch in den vorhergehenden Reden gar keine Rolle.
Das Jagdrecht wird ohne Beteiligung der Tier- und Naturschutzverbände, dafür aber mit Übenahme eigentlich aller Forderungen des Landesjagdverbandes auf den Weg gebracht. Jagdmethoden, die Tiere unnötig leiden lassen – egal –, werden wieder zugelassen. Die Liste der jagdbaren Tierarten, darunter auch gefährdete Tierarten, wird wieder ausgeweitet, usw. usf. Auch hier geht es um Tierschutz und um ein ökologisches Jagdrecht, das von Ihnen rückabgewickelt wird.
Auf Bundesebene streitet die Umweltministerin als Vorsitzende der Umweltministerkonferenz sogar weiter für die betäubungslose Kastration männlicher Ferkel, obwohl es tierschutzgerechte alternative Methoden gäbe. Eine Rückabwicklung von ökologischen Standards – unter dem Mantra der Entfesselungsideologie – gibt es auch beim Landesentwicklungsplan und beim Landesplanungsgesetz: mehr Flächenversiegelung statt Naturschutz, dafür weniger Freiflächenschutz, weniger Naturschutz.
Statt Planungssicherheit für Investoren bei Windenergieanlagen schüren Sie die Verunsicherung bei denjenigen, die mit Bürgerparks in die Zukunft investieren und zukunftsfähige Arbeitsplätze in diesem Land schaffen wollen. Zudem erleichtern Sie die Massentierhaltung durch vereinfachte Errichtung von agrarindustriellen Anlagen im Außenbereich usw. usf.
Diese Politik der neuen Umweltministerin knüpft nahtlos an die Politik der Vorgängerin an. Sie richtet sich gegen Naturschutz, gegen Tierschutz und gegen den Gesundheitsschutz von Tier und Mensch.
(Beifall von den GRÜNEN)
Mit dieser Politik, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, bekommen Sie vielleicht Zustimmung von den einschlägigen Lobbyisten beim Landesjagdverband und anderen, aber ganz sicher werden Sie mit dieser Politik nicht die vielbeschworene Mitte der Gesellschaft erreichen.
Wenn es für die Zukunft unseres Landes nicht so schlimm wäre, könnten wir Grünen uns eigentlich über diese Politik freuen. Denn, Herr Laschet, so bekommen Sie sicherlich nicht diejenigen Wählerinnen und Wähler zurück, die von Ihnen zu den Grünen abgewandert sind, und die Sie gerne zurückgewinnen wollen. Ihre Politik passt diesen Wählern nicht mehr.
(Beifall von den GRÜNEN)
„NRW braucht Geld statt Bildungs-Kleinstaaterei“ – so betitelt die „WZ“ am 5. Dezember die- ses Jahres einen Kommentar von Ulli Tückmantel. Hierin führt er aus, dass Lehrer weder dienstliche E-Mail-Adressen hätten noch Geräte, auf denen sie ihre E-Mails lesen könnten. Die Kinder würden noch immer nicht aktualisierbare Schulbücher zum dreifachen Preis eines E-Books schleppen.
Dann fragt sich der Kommentator – wie ich finde zu Recht –, wie der Ministerpräsident zu der verwegenen Annahme komme, in NRW hielten Eltern, Lehrer und Schüler ausgerechnet die Schulpolitik für das geeignete Feld, um den deutschen Föderalismus zu verteidigen und damit die Mittel für den Digitalpakt zu gefährden.
Das fragen wir uns auch; denn, Herr Laschet, das ist keine Politik, die im Interesse des Landes für eine gute Schule und gute Bildung handelt.
Das sind Machtspiele, die Sie in Berlin und im Bundesrat auf Kosten und auf dem Rücken unserer Kinder austragen.
Das ist auch nicht der Untergang des Bildungsföderalismus. Wir befinden uns da in guter Gesellschaft mit Herrn Lindner, der das ebenfalls sagt. – Wider besseres Wissen behaupten Sie hier, dass damit die Einheitsschule, diktiert von den bösen Bundespolitikern, auf den Weg gebracht würde. Das ist nachweislich falsch. Es geht um gute Bildung; es geht um mehr Geld für unsere Schulen – und Sie blockieren diese Maßnahmen.
(Beifall von den GRÜNEN – Norwich Rüße [GRÜNE]: Genau, richtig!)
Dabei hat doch die FDP – die Schulministerin ist nicht da – noch unter Herrn Lindner offenbar etwas ganz Vernünftiges in den Koalitionsvertrag hineinverhandelt. In Ihrem Koalitionsvertrag steht nämlich – vielleicht sollten Sie da einmal in der Woche reinschauen; dann würde Ihre Politik sicher etwas anders aussehen –,
(Zuruf von der FDP)
dass es für eine gute Bildung einer gesamtgesellschaftlichen Kraftanstrengung – wahrscheinlich ist das von Ihnen von der FDP gekommen – mit – Achtung! –
(Zuruf von der FDP)
„neuen Kooperationsmöglichkeiten“ – und jetzt kommt’s – „auch unter Einbeziehung des Bundes bedarf“. Genau das ist mit dem Digitalpakt passiert, und ich frage mich, warum Sie das blockieren. Das können Sie ja gleich ausführen.
(Beifall von den GRÜNEN – Armin Laschet, Ministerpräsident: Da fragen Sie mal Herrn Kretschmann, der versteht was davon!)
–  Leider haben wir es in den letzten Jahren nicht geschafft, auch Herrn Kretschmann davon zu überzeugen. Das schmälert aber nicht unsere Kritik an Ihrer Politik.
Der Koalitionsvertrag ist nicht nur hier mehr Schein als Sein und hält einem Realitätscheck nicht stand. Man sollte da wirklich ab und zu mal reinschauen.
Herr Lienenkämper, Sie heißen ja neuerdings – so las ich heute Morgen – Lucky Lutz. Also, bei Lucky Lutz unterm Weihnachtsbaum liegen viele bunte Päckchen, und da ist eigentlich für jeden etwas dabei. Heute wird dann auch jeder mit einem netten Geschenk in seinen Wahlkreis gehen, das er vor Ort – wahrscheinlich mit einem schönen Foto – überreichen kann. Der Finanzminister ist da sehr großzügig.
Was er allerdings nicht hat, ist ein Plan, wie man dieses Land in Zeiten sprudelnder Steuereinnahmen und niedriger Zinsen für die Zukunft aufstellt; denn es gilt der Satz – auch der wurde, glaube ich, mal von Herrn Lindner gesagt; es war ja nicht alles falsch, was er hier gesagt hat –, Herr Lienenkämper: Ein Haushalt wird nicht in Krisenzeiten ruiniert.
(Zuruf)
Richtig ruinös ist jedoch, was Sie hier machen. Nehmen wir uns noch einmal die Zahlen vor. Seit dem letzten rot-grünen Haushalt 2017 hatten Sie Steuermehreinnahmen von 6,4 Milliarden Euro und gleichzeitig geringere Ausgaben im Haushaltsvollzug – Sie hatten jedes Jahr ordentlich Geld übrig – von über 1 Milliarde Euro. Sie aber bringen es im Jahr 2019, dem Jahr mit den höchsten Steuereinnahmen ever – weit über 60 Millionen Euro; das hat es in NRW noch nie gegeben –, gleichzeitig aber auch dem Jahr mit dem höchsten Schuldenstand, den es in NRW je gab, tatsächlich auf mickrige 31 Millionen Euro Schuldenabbau.
Das muss man erst mal schaffen! Das sind 1,73 Euro pro Einwohner. Ziehen wir einen Vergleich mit Berlin und dem Saarland – nicht gerade reiche Länder –: In Berlin beträgt der Schuldenabbau 279 Euro pro Einwohner, und das Saarland schafft es auf 80 Euro. Sie schaffen gerade einmal 1,73 Euro bzw. 0,04 % des Haushaltsvolumens.
Herr Lienenkämper, das ist nicht genug! Wenn in Zeiten von sprudelnden Steuereinnahmen so wenig in die Konsolidierung geht, ist das das Gegenteil von dem, was Herr Laschet in seiner letzten Haushaltsrede vor Regierungsübernahme noch angekündigt hat. Da hat er noch von einem Drittel gesprochen – und ein Drittel von 6,4 Milliarden Euro wären weit über 2 Milliarden Euro und nicht lediglich 31 Millionen Euro.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Offenbar herrscht also auch hier eine Totalamnesie. Das gilt übrigens nicht nur im Hinblick auf den nötigen Schuldenabbau. Sie vernachlässigen darüber hinaus auch dringend nötige Investitionen in die Infrastruktur. Und auch hier ist ein Umdenken nicht in Sicht. Schaut man in die mittelfristige Finanzplanung, stellt man fest, dass die Investitionsquote sogar noch sinkt. Angesichts dessen, was alles mit reingerechnet wird, wird da auch viel schöngetrickst; ich nenne als Beispiel die Zuführungen zum Sondervermögen für die Risiken WestLB. Die werden auch unter Investitionskosten verrechnet. Das fließt schon mal nicht in die nötige Infrastruktur.
Gleichzeitig schaffen Sie aber auch wieder Rekorde, nämlich Rekorde bei den Personalaus- gaben für die Ministerien – über 450 Stellen, ohne zu sagen, wie das wieder bereinigt wird.
(Norwich Rüße [GRÜNE]: Unfassbar!)
Sie ignorieren alle Warnungen der führenden Wirtschaftsinstitute. Heute Morgen konnte man es wieder in den Zeitungen nachlesen: Die fetten Jahre sind vorbei. Der Steuersegen wird langsam nachlassen. Die Wirtschaftsdaten gehen zurück. – Und Sie verpassen gerade den Zeitpunkt für eine ganz wesentliche Maßnahme, die jetzt greifen muss, wo die Zinsen noch niedrig sind und das Wirtschaftswachstum noch anhält: den Kommunen dabei zu helfen, mit einem Altschuldenfonds aus der Schuldenfalle herauszukommen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Jetzt wäre die Zeit dafür. Aber auch diesen Zeitpunkt werden Sie verpassen.
Apropos Kommunen: Unter diesem schönen Weihnachtsbaum von Herrn Lienenkämper liegen aber auch Geschenke, die die Beschenkten selber bezahlen müssen. Die so sehr gerühmte Weiterleitung der Integrationspauschale
(Sigrid Beer [GRÜNE]: Taschenspielertricks!)
wird – man höre und staune – von den Kommunen selbst bezahlt; denn sie bekommen dafür nicht die von Ihnen versprochenen Mehrzuweisungen für die Flüchtlingsaufnahme, weil die Kosten höher sind.
(Anhaltender Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Ralf Witzel [FDP]: Das ist doch Unsinn!)
Sie haben aber versprochen, dass alle Kosten für die Flüchtlingsaufnahme bezahlt werden. (Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])
Herr Laschet, es war noch Rot-Grün, die in einer Vereinbarung mit den kommunalen Spitzenverbänden gesagt haben: Wir machen eine Ist-Berechnung. – Jetzt liegt das Gutachten vor. Wie viel kostet denn die Flüchtlingsunterbringung? Die Ist-Berechnung zeigt, dass sie weit höher liegt als die 10.000 Euro, die derzeit gerechnet werden.
Ich mache hier gar nicht unbedingt Herrn Lienenkämper verantwortlich, der genau das Geld im Haushalt eingestellt hat, damit die Kommunen auch diese erhöhten Kosten bezahlt bekommen. Genau die 332 Millionen Euro, die Herr Lienenkämper für die Maßnahmen, die Sie versprochen haben, vorgesehen hat, werden von den Fraktionen wieder rausgekürzt, um diese Integrationspauschale weiterleiten zu können. Das ist ein Taschenspielertrick, und damit veräppeln Sie die Kommunen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Das ist kein Geschenk, sondern das ist Veräppelung. Ich muss vorsichtig sein und darf das nicht noch schärfer formulieren; sonst würde ich wahrscheinlich eine Rüge bekommen.
Das sind Ihre eigenen Ansprüche, an denen Sie in der Haushaltspolitik immer wieder scheitern. Die Redezeit ist auch viel zu kurz, um all das aufzuzählen, was Sie hier versprochen haben, im Rahmen Ihrer Haushaltspolitik heute aber nicht einhalten.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich möchte das nicht überstrapazieren. Schließlich haben wir es bereits in der ersten Lesung und in der zweiten Lesung alles ausgeführt.
Christian Lindner ist in der Haushaltsdebatte des Deutschen Bundestages ja in seiner Lieblingsrolle als ewiger Oppositionsführer und kann da immer schön schwadronieren.
(Marc Lürbke [FDP]: Fünf Mal schon! – Dietmar Broc
Diesmal aber hat er dort aber etwas Richtiges gesagt. Am 12.09.2018 sagte er in der ersten Lesung des Bundeshaushaltes in Richtung der Bundesregierung – hören Sie genau zu –:
„Nachhaltige Haushaltspolitik haben Sie falsch verstanden und unsere Verfassung auch.“ Jetzt folgt der weltbewegende Satz:
„Es gibt keine Pflicht, alles Geld auch wirklich auszugeben. Das ist nicht verantwortliche Finanzpolitik.“
Herr Lürbke, genau das machen Sie aber hier. Sie geben einfach alles Geld aus. (Sigrid Beer [GRÜNE]: Und dann noch falsch!)
Das hat nichts mit Nachhaltigkeit zu tun. (Beifall von den GRÜNEN)
Weiter sagt er:
„Niemals wäre es leichter, dass sich unser Land neu erfindet. Nichts aber passiert. … Es wäre möglich, alte Schulden zu tilgen und das Risiko steigender Zinsen zu minimieren, wenn jetzt nicht benötigte Rücklagen und Sondervermögen aufgelöst würden.“
(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])
In der zweiten Lesung wirft er der Bundesregierung dann zu Recht die hohen konsumtiven Ausgaben und zu wenig Investitionen vor – das habe ich im Übrigen gerade auch getan – und benutzt dazu ein schönes Bild. Er spricht die Regierung an und sagt:
„Sie schaffen Ansprüche, die den Etat zukünftig strangulieren werden, Frau Bundeskanzlerin. Das ist mit Blick auf die weitere Entwicklung gefährlich.“
Es ist wirklich nicht alles schlecht, was Herr Lindner von sich gibt.
(Dietmar Brockes [FDP]: Das ist immerhin besser als das, was Herr Hofreiter macht!)
Ersetze „Frau Bundeskanzlerin“ durch „Herr Ministerpräsident“; dann stimmt die Sache. Sie halten sich aber nicht an diese Politikvorgaben, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP.
(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])
Sie haben einmal mehr bewiesen: In dem Moment, in dem Sie die Regierungsverantwortung haben – ich denke hier an die schönen Oppositionsblasen, die Herr Lindner immer wieder von sich gegeben hat; er hat sich ja schnell vom Acker gemacht –,
(Lachen von Dietmar Brockes [FDP])
entwickeln Sie sich zu dem zurück, was Sie schon immer waren, nämlich zu einer Funktionspartei und zu einem Mehrheitsbeschaffer, der seine eigenen Ansprüche im Übrigen nicht nur im Bereich der Bürgerrechte, sondern auch in der Haushalts- und Finanzpolitik komplett wieder einkassiert und vergisst.
(Beifall von den GRÜNEN)
Mein Fazit lautet daher: Die schwarz-gelbe Landesregierung hat keine Antworten auf die entscheidende große Herausforderung der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts.
Wie kann eine Dekarbonisierungsstrategie, eine Strategie ohne Kohleverstromung, für NRW und unsere Industriegesellschaft ohne soziale Brüche und ohne Deindustrialisierung gelingen? Herr Laschet wird gleich auch noch sprechen. Aber ich befürchte und bin mir fast sicher, dass er die Antworten darauf auch heute wieder schuldig bleiben wird. Das ist das größte Problem, Herr Laschet, das wir mit Ihrer Regierung haben.
Auf der bundespolitischen Bühne ist der Ministerpräsident wohl eher für eine parteipolitische Profilierung, nicht aber unbedingt für die Interessen unseres Landes unterwegs.
Zur Vermeidung von Fahrverboten haben Sie nichts Wirksames – zum Beispiel eine verpflichtende Hardware-Nachrüstung – erreicht. Sie zeigen keine klare Kante gegenüber der Autolobby für die Vermeidung von Fahrverboten. Stattdessen gibt es Beschimpfungen von Umweltorganisationen, die Rechte einklagen.
Wenn es Geld für Bildung gibt, lehnen Sie dankend ab, um sich als föderaler Fürst aufzuspielen.
Sie verhindern im Bundesrat Lösungen, mit denen beispielsweise erreicht werden könnte, Tihange vom Netz zu nehmen –
(Ministerpräsident Armin Laschet: Lesen Sie unseren Antrag! Kennen Sie unseren Antrag?)
Stichwort „Brennelementelieferung aus Deutschland“. (Ministerpräsident Armin Laschet: Kennen Sie unseren Antrag?)
Dazu lag ein guter Antrag aus Baden-Württemberg vor. Sie verstehen sich doch so gut mit Herrn Kretschmann. Warum haben Sie diesen Antrag nicht mitgetragen?
(Beifall von den GRÜNEN)
Denn in dem Moment, in dem es keine Brennelemente mehr aus Deutschland gibt, ist dieser Reaktor ganz schnell vom Netz.
(Ministerpräsident Armin Laschet: Nein, nein!)
Diese Politik würde mehr bringen, als nach Belgien zu fahren, schöne Fotos zu machen und ohne irgendetwas wieder nach Hause zu kommen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Auf Bundesebene sehen wir auch noch keine Erfolge von Ihnen, zum Beispiel dahin gehend, dass Sie Strukturmittel für das Rheinische Revier und im Übrigen auch für das Ruhrgebiet akquirieren konnten. Ich fürchte für Sie, Herr Laschet, dass mit einer solchen Politik wahrscheinlich auch die Kanzlerkandidatur nicht in Sicht ist.
(Zurufe von den Grünen: Oh!)
Wir warten wahrscheinlich bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag auf die Einhaltung der Versprechen aus Ihrem Koalitionsvertrag bezüglich einer nachhaltigen Finanzpolitik.
Herr Lienenkämper, die heute vernachlässigten Investitionen sind Ihre Schulden von morgen. Dieser Politik werden wir uns entgegenstellen und diesen Haushalt ablehnen. – Danke schön.
 (Lebhafter Beifall von den GRÜNEN)
Der zweite Redebeitrag zu diesem Tagesordnungspunkt von 
Monika Düker (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Laschet, was man Ihnen lassen muss und was Sie wirklich gut können – das muss ich Ihnen neidlos zugestehen –, ist, sich mit Selbstlob zu überschütten und sich mit fremden Federn zu schmücken.
(Zurufe von der CDU und der FDP: Oh!)
Denn all das, von dem Sie vorhin behauptet haben, dass es auf Ihr Konto gehe – Sie haben ja gesagt, wie toll es sei, was Sie alles machten –, hält einem Realitäts- und Faktencheck nicht stand. Und den nehmen wir jetzt einmal vor.
(Beifall von den GRÜNEN – Christof Rasche [FDP]: Konzeptionslos!)
Angesichts der zur Verfügung stehenden Zeit habe ich nur vier Bereiche herausgesucht.
Erstens: Ihr Märchen von der Haushaltswende. Der Finanzminister erzählt es auch immer wieder gerne.
(Christian Dahm [SPD]: Lucky Lutz! – Heiterkeit von Minister Lutz Lienenkämper)
Abgesehen davon, dass Sie beim Schuldenabbau immer alles der einen Seite des Plenums zuschreiben: 2005 bis 2010 waren Sie am Aufbau der Schulden auch sehr stark beteiligt.
(Beifall von Hannelore Kraft [SPD])
Auch Sie haben Milliardenbeträge in zweistelliger Höhe auf den Schuldenberg gepackt. Aber Sie meinen – das ist eine gewagte These –, nun keine neuen Schulden zu machen, sei Ergebnis Ihrer klugen Regierungspolitik.
Herr Laschet, schauen wir uns doch nur einmal die Stellungnahme des Landesrechnungshofs an. In seiner bekannt nüchternen Art bilanziert der Landesrechnungshof: Das Ergebnis der guten Haushaltslage ist sprudelnden Steuereinnahmen und dem niedrigen Zinsniveau zu verdanken.
 (Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD]: So ist das!)
Die schwarze Null wurde Ihnen und Ihrem Finanzminister angesichts der jedes Jahr höheren Steuereinnahmen, die Sie zu verzeichnen haben, auf dem Silbertablett serviert.
(Christian Dahm [SPD]: So ist das! – Marlies Stotz [SPD]: Schau an!) Sie ist keinesfalls Ausdruck Ihrer klugen Politik.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Denn wirft man einmal einen Blick in den Haushalt, sieht man: Von Sparen halten Sie gar nichts. Konsolidiert wird in diesem Haushalt nämlich nichts. Es wird einfach das Geld, das vorhanden ist, ausgegeben. Das ist keine nachhaltige und kluge Regierungspolitik.
Was macht man in einer solchen Situation? Das ist völlig klar. Wir haben es in der Anhörung erfahren. Lesen Sie sich doch einmal die Stellungnahmen durch. Von den Wirtschaftsverbänden bis zum DGB sagen alle, erstens müsse zielgerichtet investiert werden. Zweitens dürfe nicht der Haushalt konsumtiv aufgebläht und damit stranguliert werden, wenn die Steuereinnahmen einmal nicht mehr so hoch sind und die Party vorbei ist. Vor allem müsse nun drittens Geld in den Schuldenabbau gesteckt werden.
Auch dazu ein Zitat vom Landesrechnungshof:
„Sollte das Zinsniveau … zunehmen“
–  und es wird zunehmen, Herr Laschet; es nimmt bereits zu –,
„könnten auf den Landeshaushalt angesichts des erreichten hohen Schuldenstands für längere Zeit steigende Belastungen zukommen. Dem kann nur durch eine nachhaltige Verringerung des Schuldenstands wirksam begegnet werden. Schuldentilgung sollte daher prioritär sein.“
Aber sie ist es in Ihrer Politik nicht. Sie blähen den Haushalt auf. Sie schaffen sich Stellen in den Ministerien. Eine marginale Summe fließt in den Schuldenabbau. Das belastet die nach- folgenden Generationen, die mit dieser Last umzugehen haben.
(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Andreas Keith [AfD)
Das ist nicht zukunftsorientiert, sondern schlicht ambitionslos und auch gefährlich.
(Andreas Keith [AfD]: Kommt noch etwas Neues? – Helmut Seifen [AfD]: Das ist ja AfD-Sprech!)
Zweitens: zu Ihrem Märchen von den Entfesselungspaketen. Sie behaupten, baue man nur einmal ein paar Regulierungen ab, kämen die Arbeitsplätze schon ganz von allein. Als Beispiel dafür nennen Sie den Landesentwicklungsplan.
(Zuruf von Henning Höne [FDP])
Herr Ministerpräsident, im Landesentwicklungsplan geben Sie das 5-Hektar-Ziel aus. Damit schaffen Sie keine neuen Arbeitsplätze, sondern vernichten zuallererst die wichtigen Freiflächen, die wir nicht nur für die Landwirtschaft und den Klimaschutz brauchen. Wir brauchen sie überhaupt nicht für Gewerbegebiete. Denn wenn beispielsweise die zur Verfügung stehenden Flächen im Ruhrgebiet mit einer klugen Altlastenpolitik für Gewerbeflächen freigemacht werden könnten, ließen sich diese Dinge übereinander bringen.
(Henning Höne [FDP]: Die Altlastenaufbereitung haben wir gestärkt! 1,5 Millionen Euro extra!)
Das ist doch das Gebot der Stunde. Es geht darum, Umweltpolitik und Wirtschaft zu versöhnen. Denn zwischen die beiden Begriffe gehört kein Oder, wie Sie es machen,
(Zuruf von Ministerpräsident Armin Laschet) sondern ein Und.
(Beifall von den GRÜNEN) Das haben Sie noch nicht begriffen.
Wir haben Anträge dazu gestellt. Sehen Sie sich unsere Anträge dazu, wie man genau auf diesen Brachflächen wieder neue Gewerbeflächen schaffen kann, gut an.
(Henning Höne [FDP]: Habe ich hier! 1,5 Millionen Euro haben wir für die Altlasten hineingegeben!)
–  Ja, das kostet ein bisschen Geld. Man könnte auch noch mehr hineinstecken. (Zuruf von Ministerpräsident Armin Laschet)
Aber wenn Sie die Freiflächen in diesem Land einfach zubetonieren, kostet es am Ende Ihre Enkelkinder noch sehr viel mehr Geld.
(Beifall von den GRÜNEN – Arndt Klocke [GRÜNE]: Sehr richtig! So ist es!)
Drittens: das Sicherheits-Heilsversprechen des Herrn Innenministers, welches derselben rückwärtsgewandten Logik folgt wie die Aussage „weniger Umwelt gleich mehr Wirtschaft“. Sie folgen dem Heilsversprechen, weniger Grundrechte würden automatisch mehr Sicherheit schaffen.
(Marc Lürbke [FDP]: Das stimmt doch überhaupt nicht!) Sowohl im Umweltbereich als auch im Sicherheitsbereich gilt:
(Marc Lürbke [FDP]: In Ihrer eigenen Welt ist das vielleicht so!)
Sicherheit und Freiheit sind genauso zwei Seiten derselben Medaille, wie Umwelt und Wirtschaft zusammengehören.
(Marc Lürbke [FDP]: Deswegen machen wir das ja auch zusammen! Sicherheit und Bürgerrechte! – Gegenruf von Verena Schäffer [GRÜNE]: Nein, machen Sie nicht!)
–  Herr Lürbke, am 14. Mai 2017 hat es begonnen, dass es hier sicherer wurde? So ein Quatsch!
(Beifall von den GRÜNEN)
Sie kennen doch selbst die Statistiken.
(Marc Lürbke [FDP]: Wir machen es zusammen! Das, was Sie nicht gemacht haben!)
–  Herr Lürbke, sehen Sie sich doch die PKS an. In allen signifikanten Kriminalitätsbereichen, in allen Deliktsbereichen, ist die Kriminalität seit 2015 und 2016 zurückgegangen – und zwar, weil die Konzepte, die von Rot-Grün angelegt wurden, gewirkt haben.
(Zuruf von der CDU: Oh!)
Deswegen ist die Kriminalität vor dem 14. Mai …
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD –Zurufe von der AfD) Das, was Sie hier in den Raum stellen, sind doch alles Legenden.
(Zuruf von Henning Höne [FDP])
Und zum Aufwuchs: Sie haben in Ihrer Regierungszeit von 2005 bis 2010 den Abbau der Polizeistärke verursacht.
(Daniel Sieveke [CDU]: Ach, jetzt kommt sie wieder mit diesem Märchen!)
Sie hatten Einstellungsermächtigungen von 500. Damit schafft man nicht mehr Sicherheit.
(Christof Rasche [FDP]: Die hatten Sie doch festgelegt! – Gegenruf von Christian Dahm [SPD]: Aber ihr habt das 2007 und 2008 fortgesetzt!))
Das haben wir in unserer Regierungszeit korrigieren müssen. Davon profitieren Sie heute. (Beifall von den GRÜNEN)
Selbstverständlich sind wir bei Ihnen, wenn Sie an diese erfolgreiche rot-grüne Politik anknüpfen. Da stimmen wir selbstverständlich zu.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Aber zurück zum Märchen von „weniger Freiheit gleich mehr Sicherheit“, Herr Reul: (Minister Herbert Reul: Das stimmt überhaupt nicht!)
Schauen Sie sich die Maßnahmen doch einmal an. Da ist ganz viel Symbolpolitik dabei.
Durch die Ausweitung der Videobeobachtung, die jetzt überall stattfinden kann, wird Kriminalität eben nicht verhindert, sondern verlagert.
Durch die Schleierfahndung – die jetzt „strategische Fahndung“ heißt, weil damit für die FDP noch ein Feigenblättchen an Bürgerrechten übrig geblieben ist –
(Zuruf von Marc Lürbke [FDP])
wird die Stecknadel im Heuhaufen, die ja gesucht wird, doch nicht eher gefunden als bei einer anlassbezogenen zielgerichteten Fahndung.
Durch längeren Unterbindungsgewahrsam werden Terroranschläge nicht verhindert. Schon gar nicht werden damit – dieses Märchen glaubt Ihnen ja keiner – Abschiebungen erleichtert. All diese ausgeweiteten Eingriffsbefugnisse für die Polizei, die Sie gleich beschließen werden, haben Folgendes zur Konsequenz:
Erstens. Sie werden hohe Personalkapazitäten binden; denn bei den ganzen Videoübertragungen müssen ja Leute hinter den Bildschirmen sitzen, um sich das anzuschauen.
(Daniel Sieveke [CDU]: Ah!)
Diese Leute werden auf der Straße fehlen, um vor Ort für Sicherheit zu sorgen. (Marc Lürbke [FDP]: Das passiert doch jetzt auch schon!)
Auch die Schleierfahndung ist mit einem enormen Personaleinsatz verbunden, der am Ende aber sehr wenig Sicherheit schafft.
Zweitens. Mit diesen Eingriffsbefugnissen erzielen Sie im Verhältnis wenig konkreten Sicherheitsgewinn. Dieser ist nicht nachweisbar.
Drittens. Sie nehmen für all diese Showpolitik weitreichende Grundrechtseingriffe bei Unschuldigen in Kauf. Liebe Kolleginnen und Kollegen, da hätte ich bei der FDP doch etwas mehr Rückgrat erwartet. Aber im Kampf …
(Beifall von den GRÜNEN und Michael Hübner [SPD] – Zurufe von Daniel Sieveke [CDU] und Marc Lürbke [FDP])
–  Herr Lürbke, ich weiß: In der Konkurrenz mit Herrn Golland um den dicksten Sheriffstern möchten Sie nicht zurückstehen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zurufe)
Genau diese Politik haben sich die Verfassungsschützer beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe so nicht vorgestellt; denn sie haben der Politik in den letzten Jahren bei entscheidenden Korrekturen von Sicherheitsgesetzen ganz klar ins Stammbuch geschrieben – lesen Sie sich das doch einfach einmal durch; das steht dort immer wieder und ist ganz klar belegbar –: Alle Eingriffe in Grundrechte und Freiheitsrechte in einem Rechtsstaat müssen erstens geeignet, also zweckdienlich, zweitens erforderlich, also notwendig, und drittens angemessen, also verhältnismäßig, sein.
Genau diese Prüfung ist aus unserer Sicht bei diesem Polizeigesetz nicht mit der notwendigen Sorgfalt erfolgt. Wir haben große Zweifel, ob das einem Verfassungscheck wirklich standhält. Einen solchen werden wir nach Verabschiedung dieses Gesetzes auch vornehmen lassen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Letzter Punkt: Das Versprechen „Aufstieg durch Bildung“ ist ja eines Ihrer Lieblingszitate aus der letzten Legislaturperiode, Herr Laschet. Auch dazu einmal ein Faktencheck: In der letzten oder vorletzten Haushaltsrede haben Sie sich noch einmal die Hochschulen vorgeknöpft. Davon ist heute gar nicht so viel die Rede. Zum Beispiel haben Sie damals versprochen: Das derzeit schlechteste Betreuungsverhältnis an unseren NRW-Hochschulen werden wir sofort angehen und mehr Betreuung schaffen.
Wir haben immer noch das schlechteste Betreuungsverhältnis an den Hochschulen. Wo bleibt denn die Einlösung Ihres Versprechens? Wo bleibt denn die Investition in unsere Hochschullandschaft?
Den Studierendenwerken fehlen Investitionen. 350 Millionen Euro sind für die Sanierung an- gemeldet, 213 Millionen Euro für neue Wohnheime. Da investieren Sie mit diesem Haushaltund das ist ja schon der zweite; irgendwann müssen Sie ja einmal damit anfangen, dieses Versprechen einzulösen – aber keinen Cent.
Ihre Leuchttürme, die Talentschulen, sollen es jetzt bringen. Mit der Förderung Ihrer Talent- schulen, die ja nur 1 % der Schulen ausmachen – das muss man sich einmal vorstellen –, (Ministerpräsident Armin Laschet: Aber das ist doch ein Anfang!)
erreichen Sie aber nur eines: Sie werden damit die Schulen bei der Dokumentation ihrer Bedarfe gegeneinander ausspielen.
(Beifall von Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD] und Sigrid Beer [GRÜNE]) 1 % der Schulen schaffen es, Gehör zu finden, und 99 % gehen leer aus.
(Ministerpräsident Armin Laschet: Das sind doch Schwerpunkte!)
–  Schauen Sie sich doch einmal die Anmeldungen von Bedarfen an. Schauen Sie sich doch einmal an, wer alles Bedarfe anmeldet. Da werden doch die Schulen gegeneinander ausgespielt. Damit schaffen Sie doch nicht in der Fläche bessere Bildung.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD) Das ist doch ein Ablenkungsmanöver.
Auf der anderen Seite gilt doch: Das Versprechen von besserer Bildung fängt in der Grund- schule an. Schauen wir uns einmal die Antworten der Regierung in Bezug auf den Lehrer- mangel an.
(Zuruf von Ministerin Yvonne Gebauer)
A13! Jetzt haben Sie das Geld, Frau Gebauer. Warum werden die Grundschullehrer jetzt nicht endlich mit A13 besoldet?
(Beifall von den GRÜNEN, Michael Hübner [SPD] und Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD])
Man könnte eine gute Kombination hinbekommen – mit Mehrarbeit, die auf einem Stundenkonto geparkt wird, und einem Anreizsystem für A13. So könnte man sehr schnell mehr Lehrerstunden generieren. Aber auch hier: Fehlanzeige!
Herr Laschet, das sind alles tolle Textbausteine und schöne wolkige Blasen, die Sie hier wieder vortragen. Die Digitalisierungsdividende hat mir noch gefehlt. Das sind ja auch immer solche tollen Sachen:
(Heiterkeit und Beifall von Arndt Klocke [GRÜNE])
entfesseln, den Riesen entfesseln, die Digitalisierungsdividende einstreichen – und was nicht alles in diesem Land passiert.
(Sigrid Beer [GRÜNE]: Wie die Sonntagsreden!)
Diese ganzen aufgeblasenen rhetorischen Worthülsen zerplatzen, wenn man da einmal mit einem Faktencheck hineinpickt.
Herr Laschet, Sie haben noch einige Zeit zum Regieren. Bisher haben Sie 18 Monate regiert. Aber von dem, was Sie hier angekündigt haben, von diesen ganzen Versprechen, ist nichts eingelöst. Wir warten einmal, wie sich das weiter entwickelt. Aber klar ist schon jetzt: Für dieses Land haben Sie noch nicht viel erreicht. – Danke schön.
(Beifall von den GRÜNEN, Christian Dahm [SPD] und Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD])

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