Norwich Rüße: „Wir lernen alle beim Umgang mit dem Wolf dazu“

Antrag der Fraktionen von CDU und FDP zum "Wolf in NRW"

Portrait Norwich Rüße

Norwich Rüße (GRÜNE): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Wolf ist seit einigen Jahren wieder in Deutschland heimisch. Klar ist: Er wird langfristig auch in Nordrhein-Westfalen heimisch werden. Das ist eine Tatsache, mit der wir gemeinsam umgehen müssen. Daran kann man nicht vorbeidiskutieren, auch wenn man sich wünscht, dass er wieder verschwindet.
Wir Grüne begrüßen auch mit Blick auf den Arten- und Naturschutz, dass der Wolf wieder da ist. In dem Zusammenhang möchte ich Ihnen eine Frage stellen: Wer den Wolf wieder aus Nordrhein-Westfalen vertreiben möchte, der muss mir einmal erklären, wie wir dann mit Fug und Recht afrikanischen Ländern vorschreiben wollen, Löwen und Tiger oder Elefanten zu schützen. Diese können für die dort lebenden Menschen nämlich durchaus bedrohlich werden und in Siedlungen erhebliche Schäden anrichten, weil sie unter anderem Nutztiere reißen und somit die Existenz der Menschen bedrohen. Wie können wir dann von afrikanischen Ländern erwarten, die Wildtiere zu schützen?
(Zuruf)
–  Selbstverständlich tun wir das. Dann hätten sie auch das Recht, so zu handeln, wie wir es in der Vergangenheit getan haben.
(Beifall von den GRÜNEN)
Lassen Sie mich noch etwas sagen. Die Geschichte des Wolfs in Nordrhein-Westfalen ist schon ein paar Jahre zugange. Wir haben hier in Nordrhein-Westfalen viele Menschen, die sich engagiert dafür einsetzen, dass es eine gesellschaftliche Akzeptanz und eine Akzeptanz gerade bei den Tierhalterinnen und Tierhaltern für den Wolf gibt. Diesen Menschen – das ist insbesondere das LANUV, das da viel Arbeit hineinsteckt; das sind die Kreisbehörden, die in den Regionen da viel Arbeit hineinstecken – möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich dafür danken, dass diese Arbeit geleistet wird.
(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU und der SPD)
Auch an dieser Stelle ist Ihr Antrag – das muss man deutlich sagen – ein Stück weit der Zeit hinterher. Da ist in den letzten Jahren so viel passiert – da sattelt die Arbeit der jetzigen Ministerin auch auf die Arbeit ihrer Vorgängerin und ihres Vorgängers auf –, dass man sagen kann: Das Ganze ist eigentlich im Fluss und wird vom LANUV auch gut betreut.
Das heißt jedoch nicht, dass es keine Aufgaben und keine Herausforderungen gibt. Es gibt durchaus Dinge, an denen man weiter arbeiten muss.
Wir lernen alle beim Umgang mit dem Wolf dazu. Wir sind manchmal überrascht, was passiert.
(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])
Wir lernen insbesondere von den Schafhalterinnen und Schafhaltern dazu, zum Beispiel bei der Frage der Entschädigung. Es ist ja entscheidend: Läuft das? Ist das unbürokratisch? Bekommen sie ausreichend Entschädigung?
Das sind doch die Fragen, über die man diskutieren muss. Diese Diskussion muss man aber in Ruhe und sachlich führen. Das ist mir an dieser Stelle besonders wichtig.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich möchte noch etwas zur Verhältnismäßigkeit sagen. Wir sprechen jetzt hier – Sie haben das vorhin sehr schön gesagt – über eine in Nordrhein-Westfalen sesshaft gewordene Wölfin.
(Zuruf von Ministerin Ursula Heinen-Esser)
–  Das diskutieren wir gleich noch aus. – Da lese ich aber bereits eine Art Panikmache heraus. Dieses Thema wird von Kreisen gepusht, weil man weiß, dass man die Menschen damit ängstigen kann. Man hat das Gefühl, in Rotkäppchen-Deutschland müsse die Debatte so geführt werden. In Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt gibt es insgesamt 60 Wolfsrudel. Das stand auch in dem Bericht, den die Landesregierung im Oktober 2018 geschrieben hat. 60 Wolfsrudel haben wir in Deutschland – 20 in Brandenburg, jeweils ungefähr 15 in Sachsen und Sachsen-Anhalt, 3 in Mecklenburg-Vorpommern und 10 in Niedersachsen. Hier in Nordrhein-Westfalen haben wir kein einziges.
Wir können von den Erfahrungen dieser Bundesländer, die östlich von uns liegen, erheblich profitieren. Wir können daraus viel lernen und nachmachen, wie es dort gehandhabt wurde. Im Gegensatz zu diesen Ländern haben wir ausreichend Zeit, uns gut darauf vorzubereiten und diese Herausforderung auch anzunehmen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich kann – das sage ich als jemand, der selber Weidetierhalter ist; das unterscheidet mich ja von den allermeisten hier – die Sorgen gerade der Menschen im ländlichen Raum gut nachvollziehen. Das ist überhaupt keine Frage. Die Betroffenheit im ländlichen Raum ist natürlich eine andere als bei jemandem, der in der Großstadt im vierten Stock lebt. Das ist überhaupt keine Frage.
(Beifall von der CDU)
Wir Grüne – diese Perspektive bringe ich auch bei uns ein – nehmen diese Sorgen der Menschen, die Sorgen der Schafhalterinnen und Schafhalter, sehr ernst. Ich glaube, wir waren die Fraktion, die die Schafhalter sehr früh zu einem Fachgespräch im Landtag eingeladen hat, um festzustellen, was wir tun können.
Da war für mich die interessanteste Erkenntnis – das wird ja immer gerne vergessen –: Die Schafhalterinnen und Schafhalter sind bereit, diese Herausforderung anzunehmen. Von denen höre ich nie: Schießt doch alle Wölfe ab! – Das habe ich in den Debatten noch nie gehört. Deren Sorgen sind ganz andere. Deren Sorgen sind: Werden wir vom Staat ausreichend unterstützt, um diese Herausforderung zu bewältigen? Das ist die Frage, um die es im Kern geht.
(Beifall von den GRÜNEN – Zurufe von der CDU)
Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Kollege Rüße, es gibt den Wunsch des Abgeordneten Diekhoff nach einer Zwischenfrage.
Norwich Rüße (GRÜNE): Ja, gerne.
Vizepräsidentin Angela Freimuth: Bitte schön.
Markus Diekhoff (FDP): Vielen Dank, Herr Kollege Rüße. – Sie haben jetzt mehrfach davon gesprochen, dass hier die Forderung im Raum stehe, alle Wölfe abzuschießen. Zum einen ist mir diese Forderung nicht bekannt. Zum anderen skizzieren Sie jetzt tatsächlich keine Lösung. Sie sagen die ganze Zeit, wir bräuchten Verständnis, Akzeptanz usw. Warum finden Sie denn zum Beispiel die Idee von Verbreitungsgebieten falsch, die Sie bei anderen Tierarten durchaus selbst in ein Gesetz geschrieben und beibehalten haben. Sie sagen ja, dass wir Rotwild oder Damwild managen können. Warum muss ausgerechnet der Wolf überall leben können, wenn in Ihren Augen der Lebensraum anderer Tierarten begrenzt werden kann?
(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)
Norwich Rüße (GRÜNE): Vielen Dank, Herr Kollege, für die Frage. Ich möchte sie zweigeteilt beantworten.
Die erste Antwort lautet: Sie haben bereits 2016 für Ihre Fraktion zusammen mit Ihrem Busenfreund den Antrag gestellt, den Wolf ins Jagdrecht hineinzunehmen, also zu einer Zeit, als die Debatte noch völlig abstrus war. Niemand ist zu der damaligen Zeit auf diese Idee gekommen. Sie haben für diesen Antrag ja auch eine breite Ablehnung bekommen.
Die zweite Antwort lautet: Die Frage der Verbreitungsgebiete ist eine inhaltliche, aber auch eine rechtliche Frage. Das, was Sie im Jagdrecht gemacht haben … Im Übrigen halte ich die Verbreitungsgebiete für Rotwild für vollkommen falsch. Die würde ich wieder weghaben wollen. Deshalb ist das für mich schon rein fachlich gesehen falsch. Rein rechtlich gesehen, werden Sie es aber gar nicht durchgesetzt bekommen.
Das ist auch das Problem Ihres Antrags. Sie offerieren mit diesem Antrag Lösungen – ein paar Sachen sind natürlich gut – wie die Änderung des Schutzstatus, die Sie überhaupt nicht durchgesetzt bekommen, weil die Hürden dafür so hoch sind, dass es gar nicht geht. Das ist doch das Kernproblem.
Nun komme ich noch einmal zu der Frage, was den Schafhalterinnen und Schafhaltern wirklich helfen würde. Das ist nämlich das Kernproblem Ihres Antrags. Sie machen eine Riesenblase auf. Wenn man dann mit der Nadel hineinsticht, fällt das Soufflé in sich zusammen, und alle sehen wieder, dass das gar nichts bringt.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wenn Sie wirklich der Weidetierhaltung in Nordrhein-Westfalen einen Schub geben wollen, dann setzen Sie sich doch mit uns gemeinsam für eine wirksame Weidetierprämie ein.
(Beifall von den GRÜNEN – Zurufe von der CDU) Machen Sie das doch!
Dann sage ich Ihnen noch etwas: Meine größte Befürchtung als Weidetierhalter wäre in dem Moment, in dem der Wolf da ist, etwas ganz anderes als die Risse von einzelnen Tieren. Meine größte Befürchtung wäre, dass meine Herde in Panik versetzt wird, auf die A1 läuft und es dort wegen meiner Schafe zu einer Massenkarambolage kommt.
Dazu lese ich in Ihrem Antrag nichts.
(Daniel Sieveke [CDU]: Aber wir reden doch nicht über die Schafe, sondern über den Wolf! – Weitere Zurufe von der CDU)
Sorgen wir doch dafür, dass der Staat zu 100 % die Haftung für den Wolf übernimmt! Da hätten Sie uns an Ihrer Seite.
(Beifall von den GRÜNEN)
Aber nur ein Fütterungsverbot, das ja richtig ist, ist ein bisschen zu wenig.
Insofern freue ich mich darüber, dass ich Ihnen wieder viel zum Nachdenken mitgeben konnte.
(Heinrich Frieling [CDU]: Nein!)
Ich freue mich auf die gemeinsame Debatte mit Ihnen im Ausschuss. Vielleicht bekommen wir dann gemeinsam etwas hin – einen Antrag, der wirklich nach vorne weist und nicht hinter dem zurückbleibt, was längst im LANUV und im Ministerium erarbeitet wurde. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD) 

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