Matthi Bolte-Richter: „Sie haben keine Strategie, Sie haben keinen Plan, Sie haben einfach nur mehr Geld“

Haushaltsplan 2019 - Ministerium für Innovation und Digitalisierung

Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Herr Untrieser, ich möchte gerne einen Punkt, der bei Ihrer Rede vorkam, direkt aufgreifen. Bezüglich des Themas „digitale Verwaltung“ haben Sie das Beispiel mit dem Elterngeldantrag gebracht. Da muss man sich einmal anschauen, auf welcher Ebene man da etwas tun müsste und ob Sie da etwas machen.
Natürlich müsste man die digitale Verwaltung auf der kommunalen Ebene stärken. Was machen Sie, was fällt Ihnen ein? – Ihnen fällt nicht das ein, was wir immer sagen, flächendeckend in den Ausbau der digitalen Verwaltung auf der kommunalen Ebene zu gehen, sondern Ihnen fällt ein, mal wieder ein paar Modellprojekte zu machen. Das ist nicht der Weg, das ist nicht die Strategie, das ist nicht der große Wurf, den wir von Ihnen erwarten, nachdem Sie hier immer Wolkenkuckucksheime und riesengroße Programme angekündigt haben. Das ist der zentrale Vorwurf.
(Beifall von den GRÜNEN)                                              
Man kann natürlich fragen, was nach eineinhalb Jahren, seitdem Digitalisierung bei Herrn Pinkwart auf dem Türschild steht, los ist, was da eigentlich Stand der Dinge ist, wie viel Sie in dieser Zeit geschafft haben. Es ist nicht so richtig viel. Es ist an ein paar Stellen in Ordnung. Aber es ist eben nicht die Strategie, es ist nicht der große Schritt nach vorne, den Sie uns da immer versprochen haben, als Sie noch in der Opposition waren.
Sie haben keine Strategie, Sie haben keinen Plan, Sie haben einfach nur mehr Geld, das Sie jetzt ausgeben. Ihre Regierung hat insgesamt 6,4 Milliarden Euro mehr zu verteilen, und Sie setzen ganz eindeutig keinen Schwerpunkt auf die Digitalisierung. Wenn jeder für irgendwas Geld bekommt, dann ist es natürlich so, dass sich erst einmal keiner laut beschwert, aber es ist eben auch kein mutiger Schritt, es ist keine mutige Entscheidung, wenn Sie nicht sagen, wo es hingehen soll und welche Vision von einem digitalen Nordrhein-Westfalen Sie haben. Die haben Sie nämlich nicht. Sie haben keinen Plan. Sie wissen nicht, wie Sie das umsetzen wollen. Stattdessen kommt immer ein buntes Potpourri, wo am Ende aber niemand so richtig weiß, wo es eigentlich hingehen soll.
(Beifall von den GRÜNEN)
Das Interessante ist, dass Sie das nicht einmal bemerken. In den Ausschussdebatten sagen Sie immer – Herr Kollege Matheisen wird es bestimmt gleich genauso sagen –: Das ist alles großartig, hervorragend, bundesweit vorbildlich, giga statt mega.
(Beifall von Henning Höne [FDP])
Es ist wirklich hochinteressant, wie Sie sich da selber loben. Das hat auch einen Grund: Man lobt sich nämlich am meisten selber, wenn es sonst keiner tut.
(Beifall von den GRÜNEN)
Gucken wir uns die einzelnen Punkte an. Digitale Modellregion – ich habe es eben schon gesagt –: Sie haben Monate gebraucht, im Übrigen deutlich länger, als es angekündigt war, um die Förderrichtlinien an den Start zu bringen. Kein vernünftiger Mensch könnte etwas dagegen haben, Geld nach Ostwestfalen-Lippe zu geben. Aber es muss dann am Ende auch mal ankommen. Wenn Sie nicht die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass es ankommt, dann kommt die digitale Verwaltung nicht einmal in Ostwestfalen voran, und dann gibt es keine wirklichen Fortschritte.
Das Stichwort 5G ist gefallen. Ich sage einmal, was der Parteivorsitzende des Wirtschaftsministers, Herr Lindner, zu 5G gesagt hat. Ich zitiere seinen Tweet vom 26.11.:
„Fehlentscheidung: keine Flächendeckung bei #5G, die uralte Orientierung an der Zahl der Haushalte bleibt. Eine verlorene Chance … CL“
„CL“ steht übrigens für Christian Lindner. – Und was sagt Professor Andreas Pinkwart? Er sagt:
„Die heutige Entscheidung der Netzagentur zur Vergabe der Frequenzen ist eine gute Grundlage, damit die nächste Mobilfunkgeneration schnell starten kann.“
Ich war selten so sehr bei Christian Lindner und so wenig bei Andreas Pinkwart wie in dieser Frage, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall von den GRÜNEN und Michael Hübner [SPD])
Sie haben das vergeigt. Das hat Ihnen Ihr Parteivorsitzender mit Brief und Siegel gegeben. Sie haben es vergeigt sowohl bei der Frequenzaktion als auch, was den sagenumwobenen Mobilfunkpakt angeht. Es hilft nichts, wenn Sie dann versuchen, an anderer Stelle mit ein bisschen Geld den großen Fehler in der großen Struktur, den Sie gemacht haben, irgendwie ein wenig zu heilen.
Das geht dann genauso weiter bei der Gründungsförderung, bei der Innovationsförderung. Da steht dann Schönes drauf. Da ist außen immer die tolle Start-up-Fassade. Aber bei Ihrer Digitalpolitik, bei Ihrer Wirtschaftspolitik ist es immer RWE, sind es immer die überkommenen Großstrukturen, die da drinstecken. Wenn man sich das genauer anguckt, stellt man fest: auch da kein Plan, keine Idee, wie es wirklich nach vorne geht. Im Gegenteil! Wir haben bisher gesehen, Sie wollen an die Strukturen zur Förderung der digitalen Wirtschaft heran, Sie wollen an die Hubs dran, und Sie wollen das irgendwie verändern. Ich habe aber nicht den Eindruck, dass es besser wird.
(Beifall von den GRÜNEN)
Letzter Punkt, Ihre Digitalstrategie: viel nichts auf 68 Seiten. Das ist keine Strategie, sondern das ist genau das, was Ihre Referate in den verschiedenen Häusern irgendwann mal auf der Hühnerleiter nach oben gegeben haben. Das ist einfach nur das, was einem so einfällt, wenn man in so einem Ministerium sitzt und an Digitalisierung denkt. Das ist kein Plan nach vorne. Die Digitalisierung wird mit dieser Landesregierung in Nordrhein-Westfalen nicht vorankommen. Das ist ein Verlust und traurig für unser Land.
(Beifall von den GRÜNEN)