Horst Becker: „Ein typisches Beispiel für ideologisches Reden, aber bürokratisches Handeln“

Haushaltsplan 2019 - Ministerium für Wirtschaft

Horst Becker (GRÜNE): Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben am Ende der Rede meines Vorredners wieder gehört, was die Koalition will.
(Henning Rehbaum [CDU]: Ja! – Thorsten Schick [CDU]: Läuft doch!)
Zunächst einmal ist das Wollen weit entfernt vom Tun, Herr Kollege. Denn wenn ich mir die letzten eineinhalb Jahre anschaue, dann sage ich: Siemens will mit dem Großturbinenbau weggehen. Im Osten führt das übrigens dazu, dass die Ministerpräsidenten und die Wirtschaftsminister Pilgerfahrten machen und um die Standorte kämpfen. Hier höre und sehe ich diesbezüglich aber nichts.
Zweitens stelle ich fest, dass thyssenkrupp – wenn überhaupt – durch die Gewerkschaft gerettet wurde und nicht durch diese Landesregierung. Auch dabei geht es um Übergangsregelungen, nach denen erheblich Arbeitsplätze abgebaut werden.
Heute sehen wir in den Zeitungen, dass Bayer 12.000 Stellen kürzen will. Das wird auch etwas mit der Übernahme von Monsanto zu tun haben. Bayer sagt selbst, dass diese Stellen überwiegend in Deutschland gekürzt werden. Man kann sich ausrechnen, wie viele dieser Stellen dann in Nordrhein-Westfalen gekürzt werden.
Bei der sogenannten klassischen Industrie, um die Sie sich ja ganz besonders kümmern wollten, sieht man also an vielen Stellen bis jetzt nicht nur keine Erfolge, sondern man sieht deutliche Einbrüche – und das in einer Konjunkturphase, die in der Tat hervorragend ist, wofür Sie allerdings nichts können.
Wenn Sie das Jahr 2017 loben, wissen Sie auch ganz genau – Sie haben es heute früh noch mehrfach betont –, wann Sie die Regierungsgeschäfte übernommen haben. Also ist 2017 ganz offensichtlich nicht Ihr Werk gewesen, sondern das Werk der Vorgängerregierung.
(Beifall von den GRÜNEN)
Lassen Sie mich neben den Unternehmen, die ich eben genannt habe, ein weiteres Unternehmen nennen, um das Sie sich ganz offensichtlich nicht genügend kümmern, nämlich Ford. Es besteht die Gefahr, dass Ford in Köln einen Teil der Produktion abzieht.
Vonseiten Ihrer Koalition höre und sehe ich in diesem Zusammenhang aber nichts. Ich bin der Meinung, dass es sich dabei eigentlich um einen Punkt handelt, um den man sich kümmern müsste.
Ich stelle mir in diesen Situationen immer die Frage, was mit CDU und FDP eigentlich los gewesen wäre, wenn die Vorgängerregierung in diesen Zusammenhängen – bei derartigen Unternehmen und einem solchen Arbeitsplatzabbau – so wenig getan hätte wie Sie.
Stattdessen werden Vorlesungen über Innovation und Digitalisierung gehalten, die aber, wenn man es hinterfragt, überhaupt nicht Schritt halten.
So werden beispielsweise 1,6 Millionen Euro in einem Bereich gekürzt, in dem die Förderung der Digitalisierung in Unternehmen angebracht wäre.
Energieeffizienz wird nicht gefördert, und stattdessen wird immer wieder dafür gesorgt und dafür gekämpft, dass der Kohleabbau verlängert wird. Das heißt, Sie sind überall rückwärtsgewandt.
(Henning Rehbaum [CDU]: Der Energieteil kommt gleich!)
Heute Morgen haben wir lange über den Brexit debattiert. Zwei Stunden, nachdem ich angemahnt habe, dass eine Kleine Anfrage von uns zu einem Gutachten, das die Landesregierung im Zusammenhang mit dem Brexit in Auftrag gegeben hat, fünf Wochen lang nicht beantwortet wurde, ist dann die Antwort gekommen.
Wissen Sie, was in dieser Antwort stand? – Darin stand – und damit wird auch klar, warum die Antwort so spät kam –, dass Ende Februar ein Gutachten vorgelegt werden soll, das sich mit der Frage beschäftigt, welche Standortvorteile NRW-Unternehmen für umsiedlungsfähige und willige Unternehmen aus England bieten. Einen Monat vor dem Brexit soll ein solches Gutachten herauskommen.
(Berivan Aymaz [GRÜNE]: Aha!)
Hätten wir eine solche Wirtschaftspolitik gemacht, hätten Sie sie zu Recht als hanebüchen und falsch kritisiert.
(Beifall von den GRÜNEN – Ralph Bombis [FDP]: Haben Sie doch gemacht!)
–  Nein, die haben wir eben nicht gemacht.
(Ralph Bombis [FDP]: Sie haben gar nichts gemacht!)
Seit 18 Monaten, 30 % dieser Legislaturperiode, leben Sie in einem Ankündigungsmarathon (Zurufe von Dietmar Brockes [FDP] und Dr. Günther Bergmann [CDU])
und haben überhaupt nichts zustande gebracht – ganz im Gegenteil: Sie haben beispielsweise bei der Sonntagsöffnung, für die Sie immer wieder den Versandhandel als Begründung angeführt haben, ein riesiges Chaos angerichtet.
Sie haben jede Menge Prozesse riskiert, Sie haben die Kommunen verunsichert, und Sie haben übrigens ein typisches Beispiel für Entbürokratisierung betrieben, indem Sie einen 38-seitigen Leitfaden für die Sonntagsöffnung herausgegeben haben.
(Beifall von den GRÜNEN – Monika Düker [GRÜNE]: Entfesselung!)
Dann haben Sie sogar noch einen fünfseitigen Leitfaden als Kurzvariante herausgegeben, weil die 38 Seiten zu langen waren. Das ist ein typisches Beispiel für ideologisches Reden, aber bürokratisches Handeln. Denn das ist es, was Sie tun.
(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Dr. Günther Bergmann [CDU])
Zusammengefasst: Sie sind immer noch nicht in der Regierung angekommen.
(Dietmar Brockes [FDP]: Und das aus dem Mund von Horst Becker! – Das ist doch lächerlich!)
Sie reden wie ideologische Triebtäter, aber Sie handeln nicht für die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen.
(Beifall von den GRÜNEN)

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