Mehrdad Mostofizadeh: „Das Ganze auf dem Rücken der Städte und Gemeinden auszutragen, halte ich für völlig falsch.“

Antrag der Fraktionen von CDU und FDP zu Straßenausbaubeiträgen

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Kämmerling, ich finde es einigermaßen befremdlich, mit welcher Leichtigkeit Sie Dinge, die Sie im Januar 2017, wenige Monate vor der Landtagswahl, für falsch gehalten haben, heute in der Opposition als einzig mögliche Lösung auf den Tisch legen. „Populismus“ ist da noch sehr vorsichtig formuliert.
(Beifall von der CDU und der FDP – Widerspruch von der SPD – Sarah Philipp [SPD]: Das ist euch ja völlig fremd!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD …
(Stefan Kämmerling [SPD]: Anderes Thema! Unzulässig!)
–  Ich werde jetzt nicht aus dem Nähkästchen plaudern, was für Gespräche wir geführt haben. Das brauchen wir an dieser Stelle alles nicht.
(Zurufe von der FDP: Oh!)
Zurück zur Sache: Mich ärgert, dass alle Fraktionen hier nicht das vertreten, was sie im Grundsatz vertreten wollen. Die CDU hat innerhalb der Fraktion einen großen Streit darüber, ob die Straßenausbaubeiträge beibehalten werden können oder abgeschafft werden sollen.
Dass sie in vielen Punkten reformiert werden sollten, ist hier dargestellt worden. Auf einzelne Punkte werde ich auch gleich eingehen.
Ich finde es aber abenteuerlich, dass ein Verkehrsminister hier die ersatzlose Abschaffung fordert und keine Kompensation vorschlägt.
(Christian Dahm [SPD]: Das stimmt!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, um aber auf den Kern der Auseinandersetzung von heute zu kommen: Was gar nicht geht, ist, eine Relativierung zu fordern und die Kompensation dann den Kommunen zu überlassen. Das geht nicht. Das werden wir Grünen keinesfalls mittragen. Auch dafür müssen Sie ein Konzept auf den Tisch legen.
Lieber keine Straßenausbaubeiträge als ungerechte Straßenausbaubeiträge! Das sage ich Ihnen sehr klar, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP.
(Stefan Kämmerling [SPD]: Es wird immer besser! – Gegenruf von Michael Hübner [SPD]: Es klatscht aber keiner!)
Ich frage mich, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, was aus dem Vorschlag der wiederkehrenden Straßenausbaubeiträge geworden ist. Sie haben 2016 bis Anfang 2017 diesen Vorschlag dem Parlament vorgelegt.
(Christian Dahm [SPD]: So ist es!)
Heute liegt er nicht mehr auf dem Tisch. Warum denn nicht? Was hat sich denn seitdem getan? Dazu würde ich gerne etwas hören.
Auch zu der Frage der Zinsen würde ich gerne etwas hören. Ich halte es für richtig – das habe ich auch vor zwei Wochen schon gesagt –, dass man andere Zinssätze als die in der AO angegebenen anwenden sollte. Es gibt verschiedenste Fallkonstellationen. Ich habe den wissenschaftlichen Dienst dazu um eine Ausarbeitung gebeten. In einigen Bundesländern wird es mit einem Prozentpunkt über dem Basiszinssatz realisiert. Das halte ich für eine kluge und mögliche Variante.
Noch wichtiger ist – da stimme ich Ihnen wieder zu –, dass es bezüglich der Ratenzahlungen einen Rechtsanspruch oder zumindest eine seriöse Regelung geben sollte.
Die Klassifizierung der Straßen ist eine der wichtigsten Baustellen, die zu bearbeiten sind, um wesentliche Ungerechtigkeiten zu beseitigen.
Beim Beispiel von Herrn Höne vermute ich, dass es sich um Eckgrundstücke handelt, bei denen Bezüge hineingerechnet worden sind. Auch nach derzeitigem Recht – eine Klarstellung würde aber sicherlich weiterhelfen – könnte man davon absehen, dreimal abzurechnen. Man könnte sich auf eine einmalige Abrechnung beschränken oder andere Prozentsätze ansetzen. Dann würde ein solcher Fall nicht auftreten.
Für die Grünen ist es am wichtigsten, in dieser Sache Transparenz zu gewährleisten. Was meinen eigenen Vorschlag angeht, gebe ich zu, dass es nicht ganz einfach ist, ein Transparenzregister umzusetzen. Schließlich ist es schwierig, vorherzusagen, welche Straße irgendwann einmal renoviert wird. Das Mindeste, was wir tun können, ist aber, alles das, was man weiß, dort hineinzuschreiben. Damit brechen wir uns keinen Zacken aus der Krone. Der Verwaltungsaufwand ist relativ überschaubar, und die Transparenz für Bürgerinnen und Bürger nimmt zu.
(Stefan Kämmerling [SPD]: Wie ist denn jetzt der Vorschlag?)
Ich würde uns insgesamt empfehlen, mit diesem Thema seriöser umzugehen. Die 120 Millionen Euro, die jetzt auf dem Tisch liegen, sind ein Istbetrag. Es waren auch schon einmal 350 Millionen Euro.
Auch wenn das nicht allen Menschen, die uns schreiben, passen mag, sollten wir durchaus überlegen, wer am schwersten belastet wird und wer möglicherweise entlastet wird. Es gibt ja zwei Möglichkeiten: Entweder schlägt es in der Kommune auf – dann muss überlegt werden, ob man noch das Geld für andere Investitionen hat –, oder es schlägt in den allgemeinen Haushaltsmitteln auf, Herr Kollege Schmeltzer. Dann muss man sich fragen, warum jemand, der über wenig Mittel verfügt, das durch allgemeine Steuermittel kompensieren muss.
Ich finde, dass die Straßenausbaubeiträge reformiert werden sollten. Nach heutigem Stand halte ich es für gerechter, von den Anliegern Ausbaubeiträge zu erheben. Wenn wir am Ende der Durchsicht aber zu dem Schluss kommen, dass „gerechter“ so teuer und aufwendig ist, dass es keinen Sinn macht, kann man über eine Abschaffung nachdenken.
Dann wird es aber noch ein hartes Stück Arbeit, die Kompensation zu gestalten.
Ich kann Ihnen nur sagen: Der heutige Antrag von CDU und FDP, der dazu führen würde, dass das Benehmen der Kommunen gestärkt wird, ist völlig falsch. Das hätten Sie klarstellen sollen.
(Josef Hovenjürgen [CDU]: Nein!)
Die von Herrn Höne hier hineingebrachte Verschärfung dahin gehend, dass es ein Steuerwettbewerb der Kommunen vor Ort sein soll – keine Beiträge in den sogenannten guten Kommunen und Beiträge in den sogenannten schlechten Kommunen –, halte ich für völlig falsch.
(Christian Dahm [SPD]: So ist es!)
Das würde nämlich dazu führen, dass die bestehenden Disparitäten verstärkt würden. Denn Stärkungspaktkommunen wie Essen wären gezwungen, Beiträge zu erheben – schon wegen der Kommunalaufsicht. Obwohl die Städte nichts dafürkönnen, würden so die bestehenden Unterschiede vergrößert. Das lehnen wir sehr strikt ab und machen wir auf gar keinen Fall mit.

Vizepräsident Oliver Keymis: Herr Kollege, Sie haben durch Ihre Rede noch eine Zwischenfrage provoziert. Wollen Sie sie noch zulassen?

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Gerne.

Vizepräsident Oliver Keymis: Das ist ein lebendiges Parlament. – Bitte schön, Herr Höne.
Henning Höne (FDP): Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Mostofizadeh, ich gehe noch einmal auf Ihr Argument ein, dass reiche Städte keine Gebühren erheben müssten, arme Städte aber schon. Laut Rahmensetzung kann man bei Anliegerstraßen bis zu 80 % umlegen. Städte wie Duisburg und Gelsenkirchen legen aber nur 51 bzw. 52 % für Anliegerstraßen um. Ist Ihnen das bekannt? Und müsste nach Ihrer Argumentation der Wert für diese beiden Städte nicht bei 80 % liegen?
Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Das können wir uns gerne im Detail anschauen. So abstrakt kann ich die Frage jetzt nicht beurteilen. Ich weiß nur, dass die Kommunalaufsicht, als ich noch Mitglied des Stadtrats in Essen war, und auch, als ich in meiner ersten Legislaturperiode im Landtag kommunalpolitischer Sprecher war, sehr strikt, und zwar ohne jedes Wenn und Aber, die komplette Erhebung der Straßenausbaubeiträge eingefordert hat.
Das halte ich – auch nach der Argumentation, die ich eben vorgetragen habe – für falsch. Es ist überhaupt nicht dazu geeignet, zu einem gerechteren System beizutragen. Gerecht wird das System dann, wenn diejenigen, die aktuell übermäßig durch zu hohe Einzelbeiträge, möglicherweise falsche Klassifizierungen von Straßen oder andere Maßnahmen belastet sind, bessergestellt werden. Dazu muss es eine Reform geben. Das Ganze aber auf dem Rücken der Städte und Gemeinden auszutragen, halte ich für völlig falsch.
(Beifall von den GRÜNEN) 

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