Josefine Paul: „Rechtssicherheit für die Ärztinnen und Ärzte, die Abbrüche vornehmen“

Haushaltsplan 2019 - Ministerium für Familie, Kinder, Jugend

Portrait Josefine Paul

Josefine Paul (GRÜNE): Vielen Dank, Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kollege Kamieth, ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie der Versuchung widerstanden haben, sich zehn Minuten lang an Rot-Grün abzuarbeiten,
(Zurufe von der CDU, von Dr. Dennis Maelzer [SPD] und von Marcel Hafke [FDP])
sondern an der einen oder anderen Stelle auch einmal Worte dafür gefunden haben, was Sie selber machen wollen.
Herr Hafke, Sie sprechen ja leider nach mir, und ich hätte meine ganze Rede im Grunde genommen zu Hause lassen können, denn Sie machen ja wahrscheinlich wenig anderes, als sich daran abzuarbeiten.
 (Zurufe von der CDU, der SPD und der FDP)
Das war es aber auch schon mit dem Lob. – Nichtsdestotrotz sind aber auch Sie, Herr Kollege, für den zentralen Bereich die zentralen Aussagen schuldig geblieben. Denn in Sachen Kita und bei der Frage, wie das Kitagesetz neu aufgestellt werden soll, haben Sie sich immer ganz knapp an jeder konkreten Aussage vorbeigeschwiemelt. Damit sind wir leider bei dem, was wir sonst auch immer diskutieren. Denn nach dem Motto „Täglich grüßt das Murmeltier“ wird sich an dem, was man vorgefunden hat und was man nicht vorgefunden hat, abgearbeitet.
Unterm Strich, Herr Hafke, regieren Sie jetzt hier. Das wollten Sie gerne, und die Bevölkerung hat Ihnen dieses Vertrauen geschenkt. Jetzt sind Sie aber auch an der Reihe, dieses Vertrauen zurückzuzahlen. Das ist Ihr zweiter Haushalt, und üblicherweise verbindet sich mit so einem Haushalt auch ein eigenes Regierungsprogramm. Aber Sie bleiben im permanenten Wahlkampfmodus. Ich glaube, es wäre einmal an der Zeit, dass Sie dieser vollmundigen Ankündigung – „weltbeste Bildung“ sah auf dem Plakat schön aus – auch Konzepte folgen lassen. Diese sind Sie für die nachhaltige Kitafinanzierung bislang schuldig geblieben.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Aber dafür hat Nordrhein-Westfalen und haben die Kinder in Nordrhein-Westfalen keine Zeit. Sie tragen die Verantwortung, auch wenn Sie sich immer darum herumschwiemeln. Sie müssen etwas liefern. Herr Minister, Sie sind in der Verantwortung, uns nicht immer nur zu erzählen: Ja, vertrauen Sie mir, das wird schon alles schön werden. – Sie sind in der Verantwortung, jetzt konkrete Punkte auf den Tisch zu legen.
(Zuruf von Marcel Hafke [FDP])
–  Moment, dazu kommen wir gleich. – Die gute Nachricht für Sie ist, dass das den regierungstragenden Fraktionen erst einmal auszureichen scheint. Sie haben Vertrauen in den Minister und das Ministerium. Das ist angenehm für Sie, aber ich glaube, dass die kommunalen Spitzenverbände, die Träger, aber auch wir als Opposition das Recht darauf haben, einmal konkret über fachliche Fragen diskutieren zu können, anstatt immer nur die Ankündigung zu hören: Vertrauen Sie mir, ich werde es schon irgendwie richten. – Ja, wann denn, Herr Minister? Wann wollen Sie es denn wirklich richten?
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Wir warten und warten und warten, und wir hangeln uns bei diesem Warten von einem Rettungspaket zum nächsten. Aber ich sage Ihnen auch, Herr Minister: NRW braucht jetzt ein auskömmliches und verlässliches Kitagesetz. Was die Träger und die Kommunen nicht brauchen, ist ein Rettungspaketeabo, denn das haben sie ja offensichtlich bislang. Wir warten jetzt darauf, ob sich das mit dem Haushalt 2020 verändern wird, ob Sie also zu Beginn des Jahres 2019 endlich die viel angekündigten Punkte auf den Tisch legen werden oder ob wir uns weiter von einem Rettungspaket zum andern hangeln.
Ich bin der Auffassung, dass diese Übergangsfinanzierung – da sind wir uns sicherlich alle einig – notwendig ist, weil Sie noch kein neues Gesetz auf den Tisch gelegt haben, klar. Aber Sie erkaufen sich damit wirklich die allerletzte Chance, um tatsächlich etwas Substanzielles auf den Tisch zu legen.
(Zuruf von Marcel Hafke [FDP])
–  Da ist es schon wieder, Herr Hafke. Haben Sie eigentlich noch etwas anderes außer „Was haben Sie eigentlich sieben Jahre lang gemacht?“ Wofür wollten Sie denn eigentlich gewählt werden? Wollten Sie dafür gewählt werden, im dauerhaften Wahlkampfmodus hier vor sich hin zu dampfplaudern? Oder wollten Sie dafür gewählt werden, dass Sie die weltbeste Bildung auch umsetzen?
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ich warte darauf, dass da irgendetwas passiert, aber das scheint auch heute wieder nicht der Fall zu sein.
(Marcel Hafke [FDP]: Ich mache mir um uns keine Sorgen!)
Die kommunalen Spitzenverbände sprechen bei der Frage der Übergangsfinanzierung von notwendiger Stabilisierung. Dem würde ich mich anschließen. Aber mehr, Herr Minister, als eine dringend notwendige Stabilisierung des Systems ist das nicht. Sie stopfen Löcher. Sie hangeln sich immer weiter von Übergang zu Übergang, und dann schreiben Sie auf das Gesetz drauf, es wäre Qualitätsentwicklung. – Ich sage Ihnen, was das ist: Das ist schlicht Etikettenschwindel, was Sie da betreiben.
(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Richtig!)
Sie stopfen Löcher, was in der Tat auch notwendig ist. Aber Ihr eigenes Ministerium hat auch gesagt, die KiBiz-Lücke sei nach wie vor nicht geschlossen. Wenn also die KiBiz-Lücke nicht geschlossen ist, wir also immer noch bei der Sicherung des Status quo sind, dann sehe ich nicht, worin die große Qualitätssteigerung bestehen sollte.
Dann preisen Sie die Mittel aus dem Gute-Kita-Gesetz – der Kollege hat auch schon darauf hingewiesen – mit ein. Dafür muss natürlich irgendwo etwas mit Qualität draufstehen, denn die Mittel aus dem Gute-Kita-Gesetz sind zur Qualitätsentwicklung vorgesehen. Eigentlich nicht vorgesehen, was Sie damit aber machen, ist das Löcherstopfen. Deshalb sage ich Ihnen: Das ist Etikettenschwindel. Überschriften reichen nicht aus, da müssen Sie in der Tat mehr liefern.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Kommen wir einmal dazu – Herr Hafke hat es gerade schon eingefordert –, was die Grünen denn eigentlich wollen. – Im Gegensatz zu Ihnen haben wir ein ganzes Positionspapier vorgelegt, in dem Sie die Positionen der Grünen nachlesen können.
(Zuruf von Marcel Hafke [FDP])
Ein wichtiger Punkt ist zum Beispiel, dass wir endlich eine Sockelfinanzierung brauchen, die die vermurksten Kindpauschalen ablöst – die übrigens auf Ihr Gesetz zurückgehen, wenn wir schon bei der Geschichtsstunde sind: Ihr KiBiz, Ihre vermurksten Kindpauschalen. Wir brauchen eine Sockelfinanzierung. Das schafft die dringend notwendige Planungssicherheit. Denn auch Sie wissen aus Ihren zahlreichen Gesprächen vor Ort, dass die Kindpauschalen und die Pauschalen im Bereich der Gruppenfinanzierung diese Planungssicherheit nicht schaffen.
Und wir brauchen auch dringend einen verbesserten Fachkraft-Kind-Schlüssel, und zwar auf Grundlage einer realistischen Personalbemessung. Sieht man sich die nackten Zahlen an, sieht das in Nordrhein-Westfalen gar nicht so schlecht aus, was den Fachkraft-Kind-Schlüssel anbelangt. Geht man allerdings in die Einrichtungen hinein, wird man feststellen, dass wir aufgrund der Tatsache, dass die Personalbemessung ganz wichtige Dinge nicht mit einpreist, diesen Fachkraft-Kind-Schlüssel in der Realität nicht erreichen.
Was muss dringend in die Personalbemessung einbezogen werden? Das ist die Leitungszeit, die mittelbare und unmittelbare pädagogische Arbeit, und das sind auch die Fehlzeiten. Denn natürlich sind Menschen im Urlaub, und sie sind auch einmal krank oder auf einer Fortbildung. Das alles muss für eine qualitativ gute und auskömmliche Finanzierung eingepreist werden.
Für gute Kitas – der Kollege Maelzer hat es bereits angesprochen –braucht man außerdem gute Fachkräfte. Aber auch hier reagiert die Regierung wieder nach dem Motto: Wenn ich nicht mehr weiter weiß, gründe ich einen Arbeitskreis. Auch dazu lautete die Ankündigung: Wir sind dran, wir führen Gespräche. – Das ist alles gut und richtig; Gespräche muss man führen, aber diese Gespräche müssen auch irgendwann einmal zu einem Ergebnis führen.
Wir haben einen Haushaltsantrag für mindestens einen dringend notwendigen zweiten Ausbildungsstandort vorgelegt. Sie müssen dem Antrag auch überhaupt nicht zustimmen. Das haben Sie im Ausschuss schließlich auch nicht getan. Mir wäre schon damit gedient, wenn Sie es einfach umsetzen würden. Nennen Sie es meinetwegen anschließend eine ganz große und tolle Errungenschaft der Landesregierung. Das ist mir egal. Hauptsache, wir bekommen endlich einen weiteren Ausbildungsstandort. Was wir brauchen, sind Erzieherinnen und Erzieher, die qualitativ gute Arbeit in den Kitas sicherstellen.
Der Bereich „Ausbau“ ist auch schon angesprochen worden. Was waren das hier für großartige Pirouetten, die Schwarz und Gelb gedreht haben, um uns deutlich zu machen: Wir brauchen keine zusätzlichen Investitionsmittel, wir brauchen ein neues Kita-Gesetz, und dann wird alles gut.
Irgendwann aber haben Sie dann verstanden, was der Unterschied zwischen einer Kitafinanzierung und der Personal- und Sachkostenfinanzierung ist und was Investitionsmittel sind.
(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Das hat lange gedauert!)
Gott sei Dank ist dem Ministerium das irgendwann noch aufgefallen, und dann gab es doch noch einmal Mittel, die in diesen notwendigen Ausbau fließen sollten. Die 95 Millionen Euro sind schon ganz gut, aber – das ist das einzige Manko – wir brauchen eine Verstetigung von Landesseite, und wir brauchen eine auskömmlichere Finanzierung.
Ich möchte aber, sehr geehrte Damen und Herren, noch einen völlig anderen Bereich in der Zuständigkeit des MKFFI ansprechen. Es geht um Schwangerschaftskonflikte bzw. die Schwangerschaftskonfliktberatung.
Herr Minister, ich begrüße, dass es 3 Millionen Euro mehr für die Beratungsstellen gibt. Die Beratungsstellen machen eine sehr gute und wichtige Arbeit. Nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz sind wir schließlich dazu verpflichtet. Es ist richtig, dass hier mehr Mittel investiert werden. Was allerdings die medizinische Versorgung angeht, bleibt es mehr oder weniger dem Zufall überlassen, wie Frauen in einer solchen Notlage medizinisch versorgt sind.
Sie haben in der Tat recht: In Ihrer Antwort auf meine Kleine Anfrage haben Sie geschrieben, im Schwangerschaftskonfliktgesetz gebe es keinen Schlüssel für die medizinische Versorgung. Wenn Sie dann aber schreiben, dass die Erreichbarkeit innerhalb eines Tages aus Ihrer Sicht als zumutbar zu bezeichnen ist, dann bezeichne ich das als zynisch, Herr Minister. Das ist schlicht zynisch.
Ich fordere Sie und den Gesundheitsminister Herrn Laumann auf, die Versorgung tatsächlich zu gewährleisten, und zwar in allen Regionen unseres Landes.
Ich fordere Sie auch dazu auf, endlich Rechtssicherheit für die Ärztinnen und Ärzte herzustellen, die Abbrüche vornehmen. Ein weiteres Problem – darüber haben wir in diesem Haus schon oft genug diskutiert – stellt § 219a StGB dar. Es geht hier um sachliche Information und nicht um Werbung. Dadurch wird Rechtsunsicherheit geschaffen und auf dem Rücken der Frauen ausgetragen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ich fordere Sie auf, hier tatsächlich endlich zu handeln und für Rechtssicherheit zu sorgen.
Gestatten Sie mir noch einen kurzen Verweis auf LSBTI. Ich bin sehr froh, dass es diesbezüglich eine große Kontinuität in diesem Haus gibt. Insbesondere in Zeiten, in denen das von allen Seiten angegriffen wird, ist das wichtig und eine gute Nachricht.
Ein kleiner Hinweis sei noch gestattet, weil die Bundesbildungsministerin auch aus NordrheinWestfalen kommt:
(Dr. Dennis Maelzer [SPD]: Wie heißt die denn?)
Herr Minister, vielleicht schicken Sie auch einmal bei ihr ein SCHLAU-Team vorbei, damit sie sieht, dass wir seit Jahrzehnten darüber sprechen. Es ist keine Entscheidung gewesen, die über das Knie gebrochen wurde, sondern dem sind breite Diskussionen vorausgegangen. Nichtsdestotrotz sind wir Ihnen dankbar, dass wir in diesem Themenbereich eine breite Kontinuität gegenüber all denjenigen haben, für die Homophobie scheinbar immer noch Teil des politischen Diskurses ist. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Frank Müller [SPD]: Das haben Sie schon viermal gesagt!)