Mehrdad Mostofizadeh: „Nordrhein-Westfalen wäre das einzige deutsche Bundesland ohne Stichwahl“

Aktuelle Stunde auf Antrag der SPD-Fraktion zur kommunalen Stichwahl

Mehrdad Mostofizadeh

 Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Löttgen, niemand hat bestritten, dass eine Stichwahl verfassungsrechtlich zulässig ist. Das ist uns ganz klar erklärt worden.
(Monika Düker [GRÜNE]: Die Abschaffung!)
Die Einkommensteuersätze in Deutschland sind auch zulässig und verfassungskonform, trotzdem würden wir sie anders gestalten. Wir diskutieren heute eine rein rechtspolitische Frage, und es geht nicht darum, ob sie verfassungsrechtlich zulässig ist. Das hat hier niemand in den Raum gestellt, und es ist schon einigermaßen abenteuerlich, dass Sie als einziges Argument anführen, dass sie überhaupt zulässig ist, Herr Kollege.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Heinrich Frieling [CDU]: Lesen Sie mal die Überschrift des Antrags, Herr Kollege! – Bodo Löttgen [CDU]: Zitieren Sie die Überschrift des Antrags!)
Ich möchte einmal auf den Kollegen Frieling zu sprechen kommen. Sie haben gesagt, wir wollten nicht auf die Bürger hören. Wie ist das denn in den anderen 15 Bundesländern? In allen anderen Bundesländern, in denen es eine Direktwahl des Bürgermeisters gibt, gibt es auch eine Stichwahl, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Nordrhein-Westfalen wäre das einzige deutsche Bundesland ohne Stichwahl, wenn es nach Ihnen geht.
(Christian Dahm [SPD]: So ist es!)
Haben alle anderen Kolleginnen und Kollegen, beispielsweise in Bayern, Baden-Württemberg und weiß der Kuckuck wo, nicht auf ihre Bürgerinnen und Bürger gehört?
(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])
Haben die CDU-Mehrheiten dort nicht auf ihre Bürgerinnen und Bürger gehört? Sind dort die Ergebnisse andere? Das könnten wir ja einmal durchgehen. Ich kann nur sagen: Was Sie hier machen, ist vom Verfahren und vom Inhalt her völlig inakzeptabel.
Herr Kollege Höne, auch Ihr Argument ist geradezu abenteuerlich und überhaupt nicht zu verwenden. In Deutschland gilt das Verhältniswahlrecht. Durch das Verhältniswahlrecht wird doch gerade die aus meiner Sicht mögliche Ungerechtigkeit, dass nur ein in seinem Wahlkreis in relativer Mehrheit gewählter Direktkandidat hier in den Landtag kommt, zu 100 % ausgeglichen. Damit haben wir doch gar kein Problem. Dieser Vergleich ist doch völlig fehl am Platz, Herr Kollege Höne.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ich möchte noch etwas hinzufügen: Wenn der Ministerpräsident tatsächlich direkt gewählt werden würde, dann würden wir selbstverständlich darauf bestehen, dass es dabei eine Stichwahl gibt. Und dass die Beträge, die Sie hier genannt haben, die 77 Milliarden Euro, die einschlägig werden, selbstverständlich im Rahmen einer Stichwahl geklärt werden sollen, steht doch außer Frage. Da werden Äpfel mit Birnen verglichen. Was Sie hier vorgetragen haben, hat mit dem Thema relativ wenig zu tun.
(Beifall von den GRÜNEN)
Aber das entscheidendste Argument – und das finde ich abenteuerlich und krass; das sucht wirklich seinesgleichen – hat der Kollege Kämmerling bereits angedeutet. In einer Anhörung, in der es um das Thema „Kreisordnung“ ging, hat der aus Paderborn stammende Landtagsabgeordnete Hoppe-Biermeyer dem zufällig auch aus Paderborn stammenden Landrat Müller die Frage gestellt, was er denn von Stichwahlen halte. Das hat Herr Kämmerling eben bereits geschildert. Ich habe damals schon in der Anhörung prophezeit, dass CDU und FDP dies im Rahmen eines Änderungsantrags im Verfahren ändern wollen.
Ich kann Ihnen sagen: Dazu werden wir alle verfassungsrechtlichen Fragen klären. Sie können nicht allen Ernstes 18 Monate vor einer Kommunalwahl noch das Wahlrecht ändern wollen. Sie können auch nicht wollen, dass wir keine Anhörungsrechte haben, dass keine Expertise von Sachverständigen eingefordert wird und dass die kommunalen Spitzenverbände nicht angehört werden.
(Bodo Löttgen [CDU]: Lesen Sie den Antrag!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Kollege Frieling, wenn Sie sich ernst nehmen und auf die Bürger hören wollen, dann machen Sie doch eine Volksbefragung. Fragen Sie die Bürge- rinnen und Bürger, ob Sie dafür sind, die Stichwahl in Nordrhein-Westfalen abzuschaffen. Das wäre ein konsequenter Weg, mit der Demokratie umzugehen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ich möchte Ihnen eines sehr klar sagen: Herr Kollege Engel – ich habe noch einmal in das Protokoll geguckt – hat die Position der FDP damals – wie eigentlich auch heute – treffend beschrieben: Es gibt ein bisschen was, was dafür sprechen kann, und ein bisschen, was dagegen sprechen kann, und wenn wir in der Koalition sind, dann müssen wir uns halt der Mehrheit in der Koalition beugen und mit der CDU die Stichwahl abschaffen.
Und wenn wir alleine und frei in der Entscheidung sind, dann sind wir für die Stichwahl.
Aber ich will noch einmal – da schließe ich mich dem Kollegen Kämmerling an – deutlich auf das Rechtstaatsprinzip abstellen: Machen Sie nicht den Fehler, eine Wahlrechtsänderung mit derart großen Auswirkungen im Hopplahopp-Verfahren vor der Kommunalwahl durchzuziehen! Davor kann ich Sie nur warnen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Herr Minister Reul, bis heute hat die Landesregierung nicht Stellung zu diesem Punkt bezogen. Wenn wir dann in einer Aktuellen Stunde darüber reden müssen, damit wir überhaupt etwas zu dem Thema erfahren, dann finde ich das völlig unangemessen für den Landtag Nordrhein-Westfalen.
(Christian Dahm [SPD]: So ist das!) Wir lehnen strikt ab, wie Sie hier vorgehen.
(Bodo Löttgen [CDU]: Fragen Sie mal Herrn Dr. Bertrams, was der dazu sagt! – Nadja Lüders [SPD]: Der ist aber nicht die Regierung!)
–  Herr Dr. Bertrams sagt dazu – Herr Kollege Löttgen, um es Ihnen noch mal zu sagen –, dass eine Stichwahl zulässig ist, dass es ebenfalls zulässig ist, keine Stichwahl zu machen, und dass der Landtag souverän ist, darüber zu entscheiden. – Nicht mehr und nicht weniger.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Bodo Löttgen [CDU]: Lesen Sie doch einfach mal das Urteil!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Aktuelle Stunde hat gezeigt: Die CDU will die Stichwahl, die FDP hat offensichtlich einen politischen Preis für die Stichwahl bekommen. Die Landesregierung hat keinen Vorschlag vorgelegt; bis heute liegt kein Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen vor. Ich finde das sehr abenteuerlich und nicht akzeptabel. Wir werden uns dem sehr deutlich entgegenstellen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

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