Verena Schäffer: „Natürlich muss man dagegen ordnungsrechtlich vorgehen“

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktionen von CDU und FDP zu Shisha-Bars

Portrait Verena Schäffer Linda Hammer 2022

Verena Schäffer (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In dieser Aktuellen Stunde ist genau das eingetreten, was ich befürchtet hatte. Anlass für die Aktuelle Stunde war der tragische Fall in Bochum, wo es um eine Kohlenmonoxidvergiftung ging, und deswegen hatte ich eigentlich gedacht, dass wir eine gesundheitspolitische Diskussion darüber führen, wie man solche Vorfälle in Zukunft verhindern kann. Stattdessen gehen die Innenpolitiker in die Bütt und vermischen zwei völlig unterschiedliche Themenfelder und Sachverhalte miteinander,
(Minister Karl-Josef Laumann: So ist es!)
auf die man auch unterschiedliche Antworten finden muss. Ich denke, das trägt nicht unbedingt zu einer Versachlichung der Debatte bei.
Um das deutlich zu sagen und aufzuschlüsseln: In erster Linie reden wir über die gesundheitlichen Risiken in Shisha-Bars, Stichwort „Kohlenmonoxid“. Natürlich muss man dagegen ordnungsrechtlich vorgehen, und insofern ist es auch klar, Herr Reul, dass wir hier noch mal über das Nichtraucherschutzgesetz diskutieren.
(Minister Karl-Josef Laumann: Das hat damit überhaupt nichts zu tun!)
Darauf bezogen sich auch unsere Zwischenrufe. Wir haben Ihnen nicht vorgeworfen, dass Sie nicht tätig seien. Wir wollten durch unsere Zwischenrufe lediglich deutlich machen, dass wir es schwierig finden, dass Sie uns vorhalten, wir dürften nicht über den Nichtraucherschutz diskutieren, obwohl genau dies der Anlass für diese Aktuelle Stunde war. Das möchte ich hier noch mal bekräftigen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Wenn wir über die gesundheitlichen Risiken sprechen, müssen wir natürlich über generelle Regelungen für alle Shishabars diskutieren.
Das andere Thema, das hier angesprochen wurde, ist die Frage, inwieweit Shisha-Bars für kriminelle Zwecke, also zur Verabredung bzw. Planung von Straftaten, genutzt werden. Natürlich müssen die Ermittlungsbehörden dagegen vorgehen – allerdings anhand von konkreten Vorfällen, die sich auf die jeweilige Shisha-Bar, ihren Betreiber und die Personen, die sich darin aufhalten, beziehen. Deshalb kann man doch nicht pauschal, Herr Golland, gegen alle Shisha-Bars vorgehen.
Sie haben auch gesagt, dass Sie alle Shisha-Bars dichtmachen wollen. Auf welcher Rechtsgrundlage wollen Sie das eigentlich machen?
(Gregor Golland [CDU]: Das habe ich gar nicht gesagt, Frau Schäffer! Sie müssen zuhören!)
Die FDP hat zu Recht mit dem Kopf geschüttelt, als Sie das gesagt haben. Wie wollen Sie das rechtsstaatlich durchsetzen?
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Sie haben uns, Rot-Grün, auch vorgeworfen, in unserer Regierungszeit sei nichts passiert. Das stimmt so nicht. Daher finde ich es auch populistisch, so etwas zu behaupten. Natürlich hat es auch unter Rot-Grün Kontrollen und Razzien gegeben. Die Debatten dazu haben wir hier doch geführt. Es gibt beim LKA – das finde ich auch gut – ein Forschungsprojekt, das 2017 gestartet ist. Ich bin sehr gespannt auf die Ergebnisse. Denn ich glaube, dass wir tatsächlich mehr wissen müssen über bestimmte Kriminalitätsfelder. Hier reden wir vor allen Dingen über Kriminelle mit einem libanesischen Hintergrund, und deshalb ist es wichtig, mehr darüber zu wissen, um gezielt dagegen vorgehen zu können.
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)
Herr Reul, ich stimme Ihnen sogar zu – das vermuten Sie wahrscheinlich gar nicht –, dass das alleinige Mittel nicht darin bestehen kann, die Shisha-Bars zu schließen. Natürlich werden sich Orte verlagern.
Natürlich werden Kriminelle andere Rückzugsorte finden, um dort ihre Straftaten zu organisieren oder zu planen.
Deshalb ist für mich die Frage nicht an dem Ort festzumachen, sondern die Frage ist doch eher: Wie können wir Drogenhandel, Handel mit Waffen, wie können wir Geldwäsche eindämmen?
(Beifall von den GRÜNEN)
Das sind die Fragen, die wir angehen müssen, um gegen organisierte Kriminalität vorzugehen.
Wir hatten eine Anhörung im Innenausschuss zum Thema „Geldwäsche“, zum Thema „FIU“ – die Innenpolitiker erinnern sich daran –, in der das Urteil der Sachverständigen total vernichtend war in Bezug auf die Politik der Bundesregierung in Verantwortung der CDU, wo viel zu wenig getan wird, um Geldwäsche zu bekämpfen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Es wäre für mich ein Schritt zu sagen: Wir müssen da rangehen. Wir müssen an Geldwäsche rangehen. Dann würden wir nämlich die organisierte Kriminalität empfindlich stören und bekämpfen.
(Marc Lürbke [FDP]: In der Bundesregierung trägt auch die SPD Verantwortung.)
– Natürlich ist auch die SPD in der Verantwortung; das ist keine Frage. Natürlich ist es die Bundesregierung, Herr Lürbke, die da tätig werden muss.
Ich finde aber auch – das will ich hier auch noch einmal in der Debatte betonen, auch hier bin ich vom Innenminister gar nicht so weit entfernt –, dass wir auch darüber reden müssen, welche Versäumnisse es in der Asylpolitik, in der Integrationspolitik gegeben hat.
Das haben Sie bei „hart aber fair“ gesagt. Ich habe mir die Sendung gestern noch einmal angeschaut. Natürlich sind auch das Fragen, die wir besprechen müssen. Perspektivlosigkeit und Armut dürfen niemals Kriminalität und Straftaten relativieren oder sie verharmlosen. Aber man muss doch auch darüber sprechen, welche Gründe es für Kriminalität gibt.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wenn wir in Essen und in anderen Stadtteilen Menschen, Kinder haben, die in vierter Generation hier in Duldung leben, dann kann das doch auch aus einem sozialpolitischen Aspekt heraus nicht wahr sein.
Dann, finde ich, muss man darüber sprechen: Wie kann man die Perspektivlosigkeit von diesen jungen Menschen verändern und etwas für diese jungen Menschen tun?
Dann reden wir nicht nur über Aussteigerprogramme – darüber können wir gerne diskutieren, finde ich gut –, sondern dann müssen wir auch darüber reden: Wie gehen wir diese Perspektivlosigkeit an?
Die Stadt Essen führt schon seit einigen Jahren ein Modellprojekt durch, bei dem sie das Ziel hat, den Aufenthaltstitel junger libanesischer Menschen zu verbessern.
Wenn wir heute in dieser Debatte das Ergebnis erzielen, dass wir einen Konsens darüber haben, dass wir mehr solcher Modellprojekte brauchen, wäre das schon einmal ein wichtiger Schritt. Ich würde mich freuen, wenn wir so einen Konsens hier auch herstellen könnten.

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