Josefine Paul: „Natürlich ist nicht jede Kritik, die geäußert wird, antisemitisch“

Antrag von CDU, SPD, FDP und GRÜNEN im Landtag zur BDS-Bewegung

Portrait Josefine Paul

Josefine Paul (GRÜNE): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Frage, wo legitime Kritik an der Politik des Staates Israel und seiner Regierung aufhört und wo Antisemitismus anfängt, ist nicht immer ganz leicht zu beantworten. Man muss daher wiederholt darüber reflektieren; man kann die Antwort nicht einmal finden und dann nicht erneut hinterfragen.
Leider scheint diese Reflektion bei der BDS-Bewegung aber zumindest zu kurz zu kommen: An vielen Stellen – Kollege Deutsch hat das gerade sehr detailliert ausgeführt – ist sehr klar bemerkbar, dass es in der Bewegung Israelkritik gibt, die so fundamental ist, dass sie das Existenzrecht Israels infrage stellt und in Teilen als antisemitisch bezeichnet werden muss.
Das darf nicht darüber hinwegtäuschen und ist auch nicht Ansatz dieses Antrages: Kritik an der Politik des Staates Israel und seiner Regierung sowie die Unterstützung berechtigter Anliegen palästinensischer Menschen sind selbstverständlich und sowohl in Deutschland als auch in Israel legitim. Daran besteht überhaupt kein Zweifel.
Es stellt sich aber die Frage nach der Form. Aus meiner Sicht ist auf jeden Fall die Debatte bzw. der Dialog die angezeigtere Form als der Boykott, das Bedrohen von Künstlerinnen und Künstlern oder gar das Stürmen und Niederbrüllen von Veranstaltungen.
Es ist auch schon ausgeführt worden, dass die sehr bewusste Anlehnung an „Kauft nicht bei Juden“ oder der Ausschluss von jüdischen Künstlerinnen und Künstlern deutlich machen, dass dort in Kauf genommen wird, in uns allen ganz, ganz düstere Erinnerungen wachzurufen. Das halte ich für kein adäquates Mittel der Auseinandersetzung der Politik mit der Politik Israels.
(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und der FDP)
Natürlich ist nicht jede Kritik, die geäußert wird, antisemitisch. Mit Sicherheit ist auch nicht jede Anhängerin und jeder Anhänger der BDS-Bewegung ein Antisemit oder gar ein Nazi – wie auch Sie, Herr Kollege Deutsch, schon gesagt haben.
Doch die Bewegung ist nicht homogen, und offensichtlich scheinen die notwendigen Reflektionen an vielen Stellen zu kurz zu kommen; vor allem kommt die Abgrenzung zu antisemitischen Äußerungen innerhalb dieser Bewegung oftmals zu kurz. Zu kurz kommt auch die Abgrenzung zu Kräften, die das Existenzrecht Israels klar infrage stellen – das ist hier ebenfalls schon sehr eindringlich ausgeführt worden.
Das Existenzrecht Israels kann und darf in diesem Land niemals mehr infrage gestellt werden. Der Landtag von Nordrhein-Westfalen steht klar zum Existenzrecht Israels und drückt dies mit dem Antrag noch mal aus. Das ist für uns nicht relativierbar und nicht verhandelbar. Es schließt aber keinesfalls aus, dass wir auch die legitimen Interessen palästinensischer Menschen im Blick behalten und weiterhin, wie im Antrag ausgeführt, zu einer friedlichen Lösung im Nahen Osten und zu den Bestrebungen für eine Zweistaatenlösung stehen.
Wir stellen uns aber eben auch klar gegen jede Form von Antisemitismus. Das ist nicht nur, auch wenn sie schwer wiegt, eine historische Verantwortung, die wir in diesem Land haben, sondern auch Ausdruck unseres Umgangs mit Vielfalt und des Schutzes von Minderheiten, was der Lackmustest jeder freiheitlich-demokratischen Grundordnung und jeder freiheitlich-demokratischen Gesellschaft ist.
 (Beifall von den GRÜNEN und der FDP)
Deshalb ist es wichtig, dass wir heute in diesem Parlament bereits den zweiten Antrag, der ein ganz klares Zeichen aussendet, gemeinsam verabschieden: Der Landtag von Nordrhein-Westfalen steht für Vielfalt, für den Schutz von Minderheiten und ganz klar gegen jede Form von Diskriminierung – sei es Antisemitismus, Rassismus, Homophobie, Sexismus oder andere Menschenfeindlichkeiten. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der FDP) 

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