Josefine Paul: „Demokratie ist keine einmalige Entscheidung, sondern ein konstanter Prozess“

Antrag der SPD-Fraktion zur Demokratieförderung

Portrait Josefine Paul

 Josefine Paul (GRÜNE): Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben heute Morgen im Foyer zwei Ausstellungen des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge eröffnet, die zeigen, wohin es führen kann, wenn internationale Verständigung, Demokratie, Zivilgesellschaft und Menschlichkeit versagen. Es muss uns Mahnung und Auftrag zugleich sein, dass wir dagegen konsequent arbeiten müssen.
Das muss uns auch ein Auftrag sein; es muss uns ein Zeichen sein, wofür wir eigentlich arbeiten, wofür wir gemeinsam hier in diesem Parlament arbeiten, aber wofür auch die vielen Engagierten der Zivilgesellschaft und überhaupt allgemein in unserer vielfältigen Gesellschaft jeden Tag arbeiten. Denn klar ist doch auch: Demokratie ist keine einmalige Entscheidung, sondern sie ist ein konstanter Prozess. Wir müssen jeden Tag für und an der Demokratie arbeiten.
Dafür braucht es Projekte, beispielsweise die Ausstellung im Foyer zur historisch-politischen Bildung. Wir haben insgesamt eine breite Landschaft in diesem Land, die auf vielfältigste Art und Weise unterschiedlichste Themen aus dem Bereich historisch-politischer Bildung in den Blick nimmt. Wir haben eine breite Gedenkstättenlandschaft, die ganz unterschiedliche The-men der Erinnerungskultur aufgreift. Wir haben Projekte, die sich mit ganz unterschiedlichen Bereichen von Antidiskriminierungsarbeit und von konsequenter Arbeit gegen Rechtsextremismus, Rassismus, Homophobie usw. beschäftigen.
Wir brauchen natürlich diese starke Zivilgesellschaft, die sich zum einen für Demokratiebildung engagiert und zum anderen aber auch klar die Antidiskriminierungsarbeit in den Blick nimmt. Natürlich braucht sie dafür verlässliche Unterstützung. Das bedeutet auch, dass sie dafür eine nachhaltige Förderung und Finanzierung braucht.
Unsere Demokratie ist streitbar und wehrhaft. Daraus ergibt sich zum einen der Auftrag, Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung abzuwehren – das ist auch ein Auftrag an uns als Parlament und ein Auftrag an den Staat –, und zum anderen ergibt sich daraus der Auftrag, proaktiv und präventiv zu arbeiten, also Demokratiebildung eben nicht nur als Abwehr und Schutz zu sehen, sondern auch als Gestaltungsauftrag und präventive Maßnahme.
Das Bundesprogramm, das auch im Antrag der SPD-Fraktion genannt wird, „Demokratie leben!“ – wir kennen es alle, und wir kennen die vielfältigen Projekte, die damit finanziert werden, die vielfältige gute Arbeit, die damit überall in Deutschland geleistet wird –, leistet hierzu einen wichtigen Beitrag.
Jetzt komme ich zu dem, was Sie kritisieren, Herr Dr. Nacke: Was soll denn ein einziges Gesetz tun, um Demokratie zu fördern? – Dann haben Sie aber den Kern des Gesetzes und den Kern der Forderung gar nicht verstanden. Es geht doch gar nicht darum, ein Gesetz zu verabschieden, und dann hat man sich einmal für die Förderung von Demokratie entschieden, dann hat man sich einmal für Demokratie entschieden. Nein, es geht doch darum – so verstehe ich jedenfalls das Ansinnen der SPD-Fraktion –, zu ermöglichen, dass die Projektmittel, die sich im Projekt und im Bundesprogramm „Demokratie leben!“ befinden, auf einer gesetzlichen Grundlage verstetigt werden, damit eben die wichtigen Projekte dauerhaft gefördert werden können.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Darum geht es. Es geht nicht um eine einmalige Entscheidung für oder gegen Demokratie, sondern es geht darum, eine verlässliche gesetzliche Grundlage zu schaffen, damit all die Dinge, die Sie angesprochen haben, die Sie in Ihrer Enquete-Kommission besprechen möchten, tatsächlich finanziert werden können.
Ich gebe Ihnen vollkommen recht: Es ist gut, dass wir eine solche Enquete-Kommission machen. Es ist gut, dass der Landtag jetzt kontinuierlich und in weiterer Tiefe – wir beide haben schon einmal gemeinsam in einer Enquete-Kommission gesessen – von Grund auf diese Diskussion führt.
Ich will aber auch sagen: Es ist nicht allein seligmachend, hier in einer Enquete-Kommission über Demokratie zu sprechen, sondern es gibt heute auch in landespolitischer Verantwortung schon genügend Ansatzpunkte, um Demokratiebildung, historisch-politische Bildung und Antidiskriminierungsarbeit weiter zu stärken und zu unterstützen. Dazu gehört natürlich, dass wir Partizipation in Kita und Schule weiter stärken; denn auch hier ist es nicht so, dass Demokratie einfach ein Bildungsinhalt ist, sondern Demokratie kann nur gelernt werden, indem man sie lebt. Da gibt es Bereiche, in denen wir durchaus die Demokratie noch stärken können.
Ich sehe, der Kita-Minister ist auch anwesend. Die Partizipation bereits im Kita-Alter zu verankern, ist ein ganz wichtiger Auftrag, den wir auch mit dem neuen Kita-Gesetz verbinden werden in der Hoffnung, dass das dort einen wichtigen Bereich einnehmen wird.
Auch andere Bereiche, die wir in NRW bereits auf den Weg gebracht haben, wie beispielsweise das Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus, müssen konsequent umgesetzt werden. Das muss auch mit finanziellen Mitteln verlässlich hinterlegt sein. Das gilt auch für Projekte wie „NRWeltoffen“. Das sind Dinge, die sich schon konkret auf dem Weg befinden.
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Die müssen wir weiterhin stärken. Dazu brauchen wir keine Enquete-Kommission – die ich nach wie vor für richtig halte –, sondern dafür brauchen wir im Haushalt zur Verfügung gestellte Mittel, um die Arbeit der Menschen vor Ort zu unterstützen.
Eine kleine kritische Anmerkung gestatten Sie mir aber noch zu Ihrem Antrag. Ich bin nämlich über die Formulierung „Vielfalt kann verunsichern“ gestolpert. Ich möchte gerne, dass wir das hier miteinander anders besprechen. Vielfalt kann herausfordern. Vielfalt ist aber in erster Linie eine Chance. Vielfalt ist etwas, was wir im Zusammenleben unserer Gesellschaft gemeinsam gestalten. Verunsicherung entsteht …
Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.
Josefine Paul (GRÜNE): … in erster Linie da, wo Unwissenheit grassiert. Dagegen müssen wir gemeinsam arbeiten. Vielleicht lassen wir dann das nächste Mal diese Verunsicherungsformulierung einfach weg. – Danke schön.
(Beifall von den GRÜNEN)

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