Johannes Remmel: „Sie haben noch keine Position!“

Antrag der SPD-Fraktion zum Thema EU und Finanzen

 Johannes Remmel (GRÜNE): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich muss vor allem nach den Reden der Koalitionsabgeordneten Herr Middeldorf und Herr Kraus leider feststellen, dass meine Erwartungshaltung, die ohnehin schon gering war, noch weiter enttäuscht worden ist.
(Zuruf von der CDU: Wie konnte das passieren?)
Herr Holthoff-Pförtner, sehr geehrter Herr Minister, Sie haben gleich die Chance, dem etwas entgegenzusetzen. Das, was Sie heute hier geboten haben, ist wachsweich; das sind warme Worte und stellt ansonsten einen Angriff auf den Antragsteller dar.
Was Sie wirklich wollen, was Ihre Absicht ist, das haben Sie nicht dargestellt. Das deutet darauf hin, dass Sie überhaupt noch keine Position haben. Sie haben noch keine Position! Es ist ja beredt durch den Minister in der letzten Ausschusssitzung mit Blick auf die kommende Bundesratssitzung dargestellt worden, dass sich die Ministerien noch nicht abgestimmt haben.
In der kommenden Bundesratssitzung am Freitag stehen vier Verordnungen auf der Tagesordnung, in denen es konkrete um die Ausgestaltung der Förderprogramme gehen soll. Nordrhein-Westfalen müsste da sehr konkret seine Stimme erheben, um Interessen zu vertreten. Aber die Ministerien haben sich noch nicht abgestimmt. Wer etwas vom Bundesratsgeschäft versteht, der weiß: Wenn man dort resultieren will, dann muss man sich rechtzeitig  kümmern und nicht erst zwei Tage vorher irgendeine Position finden.
(Beifall von den GRÜNEN)
Das haben Sie heute dokumentiert: Sie haben keine Position. Der Ministerpräsident hat beredt den Koalitionsvertrag erklärt: Nordrhein-Westfalen werde jetzt sehr viel stärker auf Bundesebene die Positionen und Interessen Nordrhein-Westfalens vertreten. – Mir ist zu diesem Sachverhalt Adi Preußler eingefallen: Grau ist im Leben alle Theorie, aber entscheidend ist auf‘m Platz. Entscheidend ist in der Tat auf‘m Platz. Es geht darum jetzt, an dieser Stelle, die Interessen Nordrhein-Westfalens zu vertreten. Es geht nicht um irgendwelches Pillepalle.
Die Zahlen stehen im Antrag drin; ich will sie noch einmal erwähnen. Eigentlich hätten sie heute Morgen in der Haushaltsdebatte eine Rolle spielen können: über sieben Jahre 5,7 Milliarden Euro für Nordrhein-Westfalen, und da sind die kleineren Programme noch gar nicht mitgerechnet. Das heißt, es geht pro Jahr um 800 Millionen Euro Fördergelder für Nordrhein-Westfalen.
Ich will jetzt gar nicht über Agrarpolitik reden. Ich will auch gar nicht über EFRE.NRW oder einzelne Programme reden. Herr Minister, wenn die Ruhrkonferenz irgendeinen Erfolg haben soll, dann sind Sie auf diese europäischen Förderprogramme für unser Land angewiesen. Deshalb verstehe ich nicht, warum Sie sich mit so wenig Nachdruck für diese Programme und deren Ausgestaltung einsetzen.
Da müsste man Antworten finden, in der Tat: Antworten auf die Frage, wie zukünftig finanziert werden soll. Was ist mit einer eigenen Einnahmequelle der EU? Was mit einer Kofinanzierung durch die Bundesrepublik? Was ist mit Mehreinnahmen? Alle diese Fragen lassen Sie unbeantwortet und bleiben im Allgemeinen, weil Sie sich intern nicht einigen können.
Der nordrhein-westfälische Finanzminister tritt in Brüssel auf und stützt den Kommissar, während hier vor Ort Forderungen aufgestellt werden, die Förderprogramme bloß nicht zu kürzen. Das passt nicht zusammen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Sie haben keine Position, das ist heute dokumentiert. Schade drum, schade um die Interessen Nordrhein-Westfalens, die von Ihnen jedenfalls nicht vertreten werden. Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)
Der zweite Redebeitrag zu diesem Tagesordnungspunkt von
Johannes Remmel (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Minister, es tut mir leid; aber Sie verkaufen sich hier ein bisschen unter Wert. Wenn es darum geht, deutlich zu machen, die nordrhein-westfälischen Interessen zu vertreten, hätte ich zum einen mehr Inhalt und zum anderen mehr Engagement erwartet.
Aber bitte machen Sie uns kein X für ein U vor. Wer den Bundesrat kennt, weiß: Wenn man dort seine Interessen vertreten will, legt man frühzeitig seine Position fest, um andere Länder auf diese Position zu bringen. Das tut man, wenn man Mehrheiten erreichen will. Wenn man zu spät ist, bestraft einen das Leben.
Sie haben dokumentiert, dass Nordrhein-Westfalen offensichtlich mit der Interessenvertretung zu spät dran ist. Das ist schade für unser Land und auch schade für die Programminhalte, um die es letztlich geht. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)

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