Norwich Rüße: „Wir wollen hier ein Signal setzen, damit im Krisenfall wirksame und berechenbare Instrumente greifen“

Antrag der GRÜNEN im Landtag zur Milchwirtschaft

Portrait Norwich Rüße

Norwich Rüße (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen! „Die Milch macht’s!“ Dieser Slogan ist uns allen noch gut bekannt. Wenn man sich diesen Slogan aber mit Blick auf die Erlöse am Milchmarkt für die Bäuerinnen und Bauern ansieht, muss man sagen: Dieser Slogan macht’s schon lange nicht mehr.
Die Milchpreise sind im letzten Jahrzehnt immer wieder auf einen extremen Tiefstand abgesunken. Wie eben schon angedeutet wurde, gingen sie bis zur 20-Cent-Grenze herunter. Wir hatten in den letzten zehn Jahren mehrfach Krisen – 2008, 2009 und zuletzt 2016 –, die in der Tat tiefe Einschnitte bedeutet haben.
Ich will auch noch einmal den Bogen zu den Dürrehilfen spannen, die jetzt in der Debatte standen. Da ging es auch um 3 Milliarden Euro. Sie können sich gerne selbst die Mühe machen und es ausrechen: Dieselbe Summe haben die Milchbäuerinnen und Milchbauern in der Krise 2016 verloren.
Klar ist, dass viele Betriebe das nicht aushalten. Ich will es einmal so sagen: Die Betriebe hatten die Liquiditätsdarlehen aus dem Jahr 2008/2009, die wir ihnen über die Rentenbank gewährt haben, noch gar nicht zurückgezahlt, als sie 2016 von der nächsten Krise getroffen wurden.
Die Vollkosten der Erzeugung liegen bekanntlich bei ungefähr 40 Cent. Insofern läuft, wie man sieht, am Milchmarkt einiges schief. Das wollen wir mit unserem Antrag thematisieren.
Wir sind der Meinung, dass es einer gewissen Steuerung und einer gewissen Hilfe seitens des Staates bedarf, um die extremen Preistäler, die wir haben, abzufedern.
Wir haben auch das Problem – das will ich in Bezug auf Nordrhein-Westfalen sagen –, dass wir überlegen müssen, was der Strukturwandel bedeutet. Wir können ihn zwar hinnehmen und sagen: Ja, es ist halt so. – Man muss sich aber darüber im Klaren sein, dass die Milchproduktion dann immer weiter in die Gunstgebiete abwandert – der Kreis Kleve ist das beste Beispiel dafür – mit all den Problemen, die das auch mit Blick auf die Nährstoffeinträge bedeutet.
Können wir dann auch auf Dauer die Verbraucherwünsche mit Milch von Milchviehbetrieben, die ihre Kühe auf die Weide bringen, bedienen? Das ist die Erwartung, die die Verbraucher draußen eigentlich haben. Daher ist die Problemlage etwas breiter.
Die Frage, die sich stellt und die wir mit unserem Antrag aufgeworfen haben, lautet: Was kann man tun? – Diesbezüglich will ich auf den Kollegen von der FDP eingehen. Herr Haupt, Sie haben eben lang und breit erklärt, wir wollten zurück zur Quote. Ich glaube, Sie haben die EU-weit geführte Debatte überhaupt nicht verstanden. Darum geht es an dieser Stelle nicht. Schauen Sie sich noch einmal genau an, was denn da gewünscht wird. Im Prinzip wird gewünscht, das, was wir jetzt in der Milchkrise – kurzfristig überlegt und am Ende auch aktionistisch umgesetzt – getan haben, planvoll zu installieren, um dieses Instrument in der nächsten Krise wissend einsetzen zu können, ohne erst lange nachdenken zu müssen: Was machen wir jetzt? Welchen Weg gehen wir?
Planvoll auf Krisen vorbereitet zu sein, um nicht aktionistisch handeln zu müssen, ist immer der richtige Weg, glaube ich.
(Beifall von den GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, es geht nicht darum, seitens des Staates Preise und Mengen festzulegen. Das hat auch überhaupt niemand behauptet. Ich weiß nicht, ob Sie einmal eine Milchgeldabrechnung gesehen haben. Der Bauer sieht am Ende auf der Abrechnung seiner Molkerei, welchen Preis er bekommen hat. Wir möchten – und die Gesetzeslage gibt das her –, dass die Lieferverträge anders konstruiert sind und die Molkereien vorher sagen: Für diese Menge werden wir diesen Milchpreis zahlen können. – So muss man Lieferverträge gestalten, damit die Landwirte wissen, was sie zu erwarten haben. Darum geht es.
(Beifall von den GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, ich habe mich schon sehr darüber gewundert – das sage ich gerade mit Blick in Richtung der SPD, aber auch mit Blick auf die CDU –, dass Sie sich im Ausschuss diesem Antrag verweigert haben. Das kann ich nicht nachvollziehen. Denn in an- deren Bundesländern wurden sehr ähnliche Anträge mit breiter Mehrheit beschlossen. In den Landtagen von Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Bayern haben unsere Kollegen und Kolleginnen letztendlich genau denselben Antrag beschlossen. Ich verstehe nicht, warum Sie in Nordrhein-Westfalen milchpolitisch eine völlig andere Auffassung haben als Ihre Kollegen und Kolleginnen in Bayern. Das ist für mich nicht nachvollziehbar.
Wir wollen hier ein Signal setzen, damit im Krisenfall wirksame und berechenbare Instrumente greifen und wir nicht wieder aus der Hüfte heraus etwas machen müssen.
Der Verbändedialog, der jetzt ansteht, ist ein erster Schritt. Ich glaube, am Ende werden sich die Molkereien durchsetzen, es wird anders laufen. Aus meiner Sicht hat sich das große Heilsversprechen Weltmarkt für die Bauern als Bumerang erwiesen. Der Preis ist dauerhaft niedrig geblieben, am Weltmarkt sind eben nicht die hohen Erlöse zu erzielen.
Wer das alles sehenden Auges zulässt – und das haben Sie anscheinend vor –, wer nicht einschreiten will, wer kein Sicherheitsnetz einbauen will, wie es zum Beispiel Bayern will, der ist schlecht auf die nächste Milchkrise vorbereitet und der wird den nächsten Strukturbruch in der Milchviehhaltung mit zu verantworten haben. – Vielen Dank.

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