Norwich Rüße: „Der eigentliche Gefährder ist aber der Mensch und nicht das Wildschwein“

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktionen von CDU und FDP zur Afrikanischen Schweinepest

Portrait Norwich Rüße

Norwich Rüße (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren schon seit Längerem über die Afrikanische Schweinepest. Sie steht nun tatsächlich – ich glaube, das kann man so sagen – unmittelbar vor unserer Haustür, und die Bedrohungslage ist noch einmal stärker geworden. Wir haben im Februar darüber diskutiert, und wir Grüne haben auch einen Antrag dazu gestellt. Die Schweinepest war damals noch weit von uns entfernt, aber wir haben beobachtet, dass sie allmählich über Osteuropa weitere Schritte in Richtung Westen machte. Sie war aber trotzdem immer noch ein entferntes Bedrohungsszenario.
Jetzt ist die Lage eine andere: Sie ist 60 km von der deutschen Grenze und 120 km von Nordrhein-Westfalen entfernt. Damit ist sie in unmittelbarer Nähe zu den europäischen Zentren der Schweinehaltung aufgetreten – zum Münsterland und zur Provinz Nordbrabant in den Niederlanden. Ich glaube – und das zeigen mir auch die anderen Redebeiträge –, das alles gibt Anlass zur Sorge.
Über die Ursache können wir lange streiten. War es der berühmte Lkw-Fahrer mit seinem Salamibrot, den wir immer erwähnen? Vielleicht war es auch einfach ein Tourist oder ein Jäger, der aus Osteuropa zurück nach Belgien gekommen ist – den würde ich an dieser Stelle auch nicht ausschließen wollen. Es gibt viele, viele Möglichkeiten, aber auf alle Fälle ist die Gefahr eines Seuchenausbruchs – das hat Frau Watermann-Krass eben auch sehr deutlich gesagt – in Nordrhein-Westfalen dramatisch gestiegen.
Ich finde es gut, dass Sie sich als Ministerium gut darauf vorbereiten und dass Sie eine Arbeitsgruppe eingerichtet haben; denn das ist der richtige Weg.
Die Bedeutung für die Landwirtschaft hat auch der Vorredner der CDU deutlich dargelegt. Sie haben die Belastung geschildert und was das psychisch bedeutet, wenn der eigene Betrieb gekeult wird. Ich will an der Stelle auch sagen: Wir kennen noch die Bilder aus den 90er-Jahren, und es gibt natürlich auch den tierschutzrechtlichen Aspekt. Die Bilder, die dann entstehen, wollen wir eigentlich alle nicht sehen.
Eines will ich schon noch sagen. Mich stört ein wenig – auch an dem Antrag, mit dem Sie die Aktuelle Stunde beantragt haben –, wie Sie die Schweinepest immer wieder mit der Jagd verknüpfen.
(Zuruf von der CDU)
Das haben Sie schon früher gemacht. Die Amtsvorgängerin von Frau Heinen-Esser hat das 2017 in einer Pressemitteilung gemacht. Frau Winkelmann hat das im Plenum gemacht, als unser Antrag diskutiert wurde. Ich finde, der immer wieder erfolgte Versuch, die Jagd als Präventionsmaßnahme darzustellen, ist falsch.
Sie sagen: Wir haben die Abschusszahlen jetzt von 40.000 auf 60.000 Tiere erhöht. In NRW sind wir lange zwischen 30.000 und 40.000 Tieren gependelt, und jetzt sind wir bei 60.000 Tieren. Setzen Sie das in Relation zum Wildschweinbestand in Nordrhein-Westfalen, bei dem wir uns eigentlich alle einig sind, dass wir ihn auch aus Naturschutzgründen herunterfahren wollen – es ist nicht so, dass wir ihn aus Gründen der Schweinepest herunterfahren müssen, sondern das ist allein schon aus naturschutzfachlicher Sicht sinnvoll –, dann wissen wir doch alle, dass diese Steigerung nicht so ist, dass wir damit schon einen Rückgang der Population erreichen. Dafür müsste noch mehr geschehen, und die Frage ist, ob wir das tatsächlich erreichen werden. Ich glaube das ehrlich gesagt nicht.
Ich finde die Maßnahmen, wenn ein Seuchenfall eintritt, richtig. Es ist in Ordnung, in einem begrenzten, festgelegten bzw. definierten Gebiet den Schweinebestand auf null herunterzufahren. Trotzdem will ich eines deutlich sagen: Der eigentliche Gefährder ist aber der Mensch und nicht das Wildschwein.
(Beifall von den GRÜNEN)
Wildschweine übertragen das Virus auch nicht in den Hausschweinebestand. Diese Gefahr ist vergleichsweise gering.
Es gibt aber viele Facetten und natürlich durchaus ernst zu nehmende Meinungen, die besagen, dass wir mit einer Intensivierung der Jagd für enorme Unruhen in den Rotten, in dem Wildschweinebestand sorgen, die mit einer noch mal erhöhten Reproduktionsrate beantwortet werden. Wir werden sehen, was dann tatsächlich im Wildschweinebestand passiert.
Ich hätte heute gerne Antworten gehabt. Appelle an die Bevölkerung, die Wurstbrote nicht wegzuwerfen oder am besten keine Salami aus Osteuropa mitzubringen, sind richtig. Das wird aber nicht reichen. Ich hätte zum Beispiel gerne eine Antwort darauf, wie es denn jetzt an den Rastanlagen aussieht.
(Zuruf von den GRÜNEN: So ist es!)
Wenn ich auf der Autobahn bin, dann fahre ich jetzt auch mal runter und gucke, wie die Abfalleimer so aussehen. Ich kann noch nicht feststellen, dass da viel passiert ist.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich sehe immer noch überfüllte Abfallbehälter und frage mich dann schon: Ist da wirklich etwas passiert? Arbeiten Sie mit dem Landesbetrieb intensiv zusammen, und klappt das irgendwann einmal?
Die nächste Frage ist dann – darüber haben wir auch schon diskutiert –: Kann man die Rast- plätze besser absichern? Was ist mit Zäunen entlang der Rastplätze? Was ist mit Abfallbehältern, die die Wildschweine nicht öffnen können? Sind wir da dabei?
Dass das nicht von heute auf morgen geht, ist mir klar. Aber sind wir dabei, die Umstellung hinzubekommen, um an dieser Stelle mehr Sicherheit zu erreichen? Das würde uns als Grüne schon interessieren.
(Beifall von den GRÜNEN)
Mich würde auch interessieren, ob wir denn wirklich alles tun. Wir haben eben gehört, welche Kosten hervorgerufen werden, welchen wirtschaftlichen Schaden das bedeutet. Wenn wir über 2 Milliarden Euro reden, frage ich mich – ich habe das schon im Februar dieses Jahres gesagt –, wie es sein kann, dass wir nur an Lkw-Fahrer appellieren, ihr Wurstbrot nicht mitzunehmen. Dann müssten wir doch eigentlich noch ganz andere Maßnahmen ergreifen. Dann müsste man sich doch einmal fragen: Sind Desinfektionsanlagen entlang der A2, der Haupteinflugschneise aus Osteuropa, denn unmöglich? Muss man am Ende die Lkw-Fahrer direkter ansprechen? Reicht ein Informationszettel aus? Schließlich sind wir alle, und Lkw-Fahrer auch, am Ende nur Menschen.
Was ist mit den Jägern? Ich weiß das nicht. Vielleicht können Sie gleich etwas dazu sagen. Ist es eigentlich mittlerweile verboten, als Jäger aus Belgien oder Deutschland als Hobby zur Jagd in solche Gebiete zu fahren, die einen hohen Infektionsdruck haben und in denen die Wahrscheinlichkeit nicht gering ist, dass sie dann als Überträger so etwas mit zu uns zurückbringen? Das würde ich gerne von Ihnen gleich hören.
Ich frage mich auch: Haben wir ein funktionierendes Meldesystem? Erfassen wir wirklich alle Wildschweine, die infiziert sind? Ich weiß das nicht. Wie sieht das aus?
(Zurufe von der AfD)
Haben Sie mit dem Jagdverband vereinbart, dass die Rückmeldung an dieser Stelle automatisch kommt?
Ich glaube, am Ende sollten wir uns in einem Punkt einig sein: Alles, was wir jetzt tun, ist Nachsorge; man schaut, wie man den Schadensfall möglichst begrenzen kann. Aber es ist nicht die Lösung. Die Lösung wäre ein funktionierender Impfstoff. Wir haben es am Anfang gehört: 2007 sind die ersten Fälle aufgetreten. Das ist über ein Jahrzehnt her. Die Afrikanische Schweinepest gab es auch schon vorher. Ich frage mich, ob wir in der Vergangenheit wirklich alles getan haben – das ist ja kein Vorwurf an Sie –, um einen Impfstoff zu entwickeln. Oder haben wir gedacht, der Kelch würde doch noch an uns vorübergehen? Wir werden am Ende einen Impfstoff brauchen, um dieses Problem tatsächlich lösen zu können. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)

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