Norwich Rüße: „Wir wollen weiterhin einheitliche, verbindliche ökologische Standards in Europa“

Antrag der GRÜNEN im Landtag zu nachhaltiger Agrarpolitik

Portrait Norwich Rüße

Norwich Rüße (GRÜNE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Alle sieben Jahre – das ist das Intervall europäischer Agrarpolitik – diskutieren wir wieder darüber, wie die europäischen Agrargelder verteilt werden. Wie sie verteilt werden, entscheidet im wesentlichen Maße darüber, wie sich unsere Landwirtschaft hier in Nordrhein-Westfalen entwickeln wird.
Man muss wissen, dass die Einkommen der Landwirte im Durchschnitt ungefähr zur Hälfte von diesen Agrargeldern abhängig sind. Damit ist schon klar, dass die Art und Weise, wie wir diese Gelder verteilen, darüber entscheidet, ob Betriebe weitermachen können oder aufhören müssen, je nachdem, welche Perspektiven wir für sie entwickeln.
Man könnte ja sagen: Lasst das doch die in Europa diskutieren. – Es ist jedoch gut und richtig, dass wir uns im Landtag von Nordrhein-Westfalen mit diesem Thema immer wieder beschäftigen – das betrifft immerhin unsere nordrhein-westfälischen Betriebe – und dass die Landesregierung in Person der Frau Ministerin in Richtung Bundesregierung und in Richtung Europapolitik aktiv wird, wo sie hoffentlich für eine gute Position der die nordrhein-westfälischen Betriebe sorgt.
An dieser Stelle will ich sehr deutlich machen, wie wichtig es ist, dass wir eine gemeinsame europäische Politik für die Landwirtschaft machen. Ich sage auch als Öko-Bauer, wie gut es ist, dass wir eine gemeinsame europäische EU-Verordnung für den Öko-Landbau haben, der einen großen gemeinsamen Markt für alle Öko-Betriebe eröffnet, den dann viele Akteure bespielen können.
Das, woran viele mittlerweile denken – zurück zum Nationalstaat, Agrarpolitik macht wieder jeder für sich –, wäre ein völlig falscher Schritt. Wir müssen weiterhin daran festhalten, dass wir verbindlich gemeinsame Standards in der Agrarpolitik behalten, die für alle Betriebe in Europa gleichermaßen gelten.
(Beifall von den GRÜNEN sowie von Jens-Peter Nettekoven [CDU] und Dr. Ralf Nolten [CDU])
Ein wesentlicher Punkt der europäischen Agrarpolitik war über die Jahrzehnte hinweg immer, dass die Agrarstrukturen stabilisiert werden sollten. Es ging immer darum, dass die in der Landwirtschaft Tätigen ein den sonstigen Erwerbstätigen vergleichbares Einkommen erzielen können sollten. Das ist über die Jahre hinweg eher nicht gelungen.
Der Strukturwandel in der Landwirtschaft ist weit vorangeschritten, mittlerweile haben wir in Nordrhein-Westfalen noch ungefähr 33.500 Betriebe. Im letzten Vierteljahrhundert haben wir erneut ungefähr die Hälfte der Betriebe verloren; davor waren es noch weitaus mehr. Wenn Sie sich mit Bäuerinnen und Bauern unterhalten, werden Sie vernehmen, dass sich – über den Daumen gerechnet – ungefähr drei Viertel fragen, wie es auf ihren Höfen weitergehen soll.
Die Bäuerinnen und Bauer fragen die Politik, sie fragen uns alle hier im Raum: Wo ist meine Perspektive? Wie soll ich in den nächsten 20, 30 Jahren weitermachen? Soll ich meinen Kindern überhaupt noch raten, diesen Betrieb fortzuführen, oder steige ich besser gleich aus?
Da geht es längst nicht mehr um Betriebe, die zu wenig Fläche hätten oder die zu klein wären. Diese Diskussion ist mittlerweile weitestgehend abgeschlossen. Es geht um Betriebe, die einen hohen Viehbestand haben, die ausreichend mit Fläche ausgestattet sind. Wenn wir perspektivisch das Tierwohl durchsetzen wollen, wenn wir eine ausreichende Tierbetreuung garantieren wollen, dann müssen wir uns auch darum kümmern, eine höhere Zahl an Betrieben zu erhalten.
(Beifall von den GRÜNEN)
Die Frage ist deshalb, wie wir die Agrargelder verteilen. Was bei den Direktzahlungen passiert, ist kontraproduktiv, wenn man eigentlich die Agrarstrukturen halbwegs stabilisieren will. Wer viel hat, dem wird auch viel gegeben. Also bekommt besonders derjenige, der eigentlich gar nicht viel bräuchte, viel an Agrarförderung, wohingegen die anderen, die kleineren und mittleren Betriebe, die viel eher Geld bräuchten, nur wenig bekommen. Es ist eben nicht normal, wenn über 80 % der Agrargelder an 20 % der Betriebe in Deutschland gehen. Damit wird der Strukturwandel eher gefördert als gestoppt.
Wir wollen weiterhin einheitliche, verbindliche ökologische Standards in Europa. Der Vorschlag, der jetzt vom Agrarkommissar Hogan vorgelegt wurde, zielt genau in die andere Richtung. Er zielt darauf ab, dass die Nationalstaaten wieder selbst definieren können, wie diese ökologischen Standards aussehen. Wir verlangen, dass sie für Europa einheitlich sind, sodass es nicht zu einem Dumpingwettbewerb auf Kosten von Artenschutz, auf Kosten des Naturschutzes und auf Kosten der Umwelt kommt.
Ganz besonders dramatisch ist aus unserer Sicht der Kürzungsvorschlag für die zweite Säule. Der Vorschlag, hier 15 % kürzen zu wollen, ist absurd, wenn man weiß, wie wir mit dem ELER-Programm in der Vergangenheit – gerade hier in NRW – positive Aspekte setzen konnten. Jeder von uns weiß, was LEADER als ein Teilausschnitt aus diesem Programm in ländlichen Raum bewirken kann.
Vizepräsidentin Carina Gödecke: Die Redezeit.
Norwich Rüße (GRÜNE): Jeder von uns weiß, wie wichtig die Agrarumweltmaßnahmen sind.
(Beifall von den GRÜNEN )
Deshalb bitte ich Sie, unseren Antrag zu unterstützen. Wir sollten uns gemeinsam dafür einsetzen, einheitliche Standards zu verabschieden und gleichzeitig Agrargelder gerecht zu verteilen, damit Landwirtschaft und Natur in diesem Bundesland eine gute Zukunft haben. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN sowie von Annette Watermann-Krass [SPD]) 

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