Mehrdad Mostofizadeh: „Wir werden uns sehr intensiv einbringen zur Stärkung der Solidarität der Städte und Gemeinden und zur Lösung der Zukunftsaufgaben“

Gesetzentwurf der Landesregierung zum Haushalt 2018 und 2019

Mehrdad Mostofizadeh

Mehrdad Mostofizadeh (GRÜNE): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin Scharrenbach, Sie waren heute Morgen im wunderschönen Karnap im Essener Norden und haben dort eine Schule besucht. Sie sind dann rechtzeitig zur Haushaltsdebatte hier gewesen, ohne aber ihr länger beizuwohnen.
Was mich sehr geärgert hat – das muss ich Ihnen ganz deutlich sagen –, war Ihr Vorwurf in der gestrigen Sitzung des Bauausschusses. Nachdem eine Ministerialbeamtin meinte, den Abgeordneten sagen zu können, wie sie im Bereich der Polizei zu denken und zu handeln haben, warfen Sie uns, der Grünenfraktion, vor, wir würden die Menschen zu Gewalttaten im Hambacher Forst aufwiegeln. Ich kann Ihnen nur sagen, Frau Ministerin: Das steht Ihnen nicht zu! Ich erwarte eine Entschuldigung von Ihnen für diese Entgleisung, sonst ist die Zusammenarbeit aus meiner Sicht massiv gestört!
(Beifall von den GRÜNEN – Daniel Sieveke [CDU]: Oh!)
Auch zum GFG gibt es eine Menge zu sagen. Sie halten keine Wahlversprechen ein, sondern Sie spalten die kommunale Familie.
(Zuruf von der FDP)
Sie lösen keine Probleme, sondern Sie verschärfen sie, obwohl Sie Milliarden an Steuermehreinnahmen zur Verfügung haben, mit denen Sie sehr viele Probleme vor Ort lösen könnten, Frau Ministerin.
(Vereinzelt Beifall von der SPD)
Ich will noch etwas anmerken. Sie treffen ja immer die Zuschreibung, wer mit wem demonstrieren darf. In Essen fand in der letzten Woche eine Demo statt, zu der die Stadtratsfraktion der CDU gesagt hat: Geht da nicht hin. – Es ging um die „Wir sind mehr“-Demo. 6.000 Menschen haben sich nicht daran gehalten und damit ein sehr klares Zeichen gegen rechts gesetzt. Ihr Oberbürgermeister, Thomas Kufen – er hat das gleiche Parteibuch wie Sie –, hat ein Grußwort an die Demonstranten geschickt; er hat sie gelobt und war stolz auf diejenigen, die dort demonstriert haben. – So viel zur Einschätzung von links und rechts innerhalb der CDU-Fraktion in Nordrhein-Westfalen.
(Beifall von den GRÜNEN – Daniel Sieveke [CDU]: Was hat das jetzt mit dem GFG zu tun?)
Sie haben sich zwei Maßstäbe gesetzt: Sie wollten die kommunale Selbstverwaltung ebenso wie die Gemeinden und ihre Handlungsfähigkeit stärken. Wieso funktioniert das alles nicht?
Erstens Sie haben bereits im letzten Jahr mit der Gegenfinanzierung des Solidarpakts, also mit der Abschaffung der Solidarumlage, angefangen. Wir sprechen hier von 91 Millionen Euro. Hauptprofiteur ist die Stadt Monheim mit zweistelligen Millionenbeträgen. Und wie haben Sie das finanziert? Sie nehmen Stärkungspaktmittel, die die Städte Hagen, Breckerfeld und an- dere bereits eingezahlt haben, um Monheim zu entlasten. Das ist die Solidarität von CDU und FDP in Nordrhein-Westfalen! Ich finde das ungeheuerlich, Frau Ministerin!
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Ich sage das auch vor dem Hintergrund der Aufgaben, die dieses Land zu bewältigen hat. – Sie haben schon angedeutet, wie Sie sie nicht lösen wollen. Ein sehr großes Problem sind die Altschulden, die in Ihrem Programm auch Erwähnung finden. Sie haben schon gesagt, dass Sie das Zinsänderungsrisiko beheben wollen. Ich kann Ihnen nur sagen: Es ist ein Hammer, dass Sie sich nur mit den Zinsänderungsrisiken befassen wollen. Das ist doch keine Leistung, das jetzt bei 1 % einzufrieren!
Frau Ministerin, Sie müssten einen Altschuldenfonds auflegen. Ich mache Ihnen einen konkreten Vorschlag: Nehmen Sie die Stärkungspaktmittel, die Rot-Grün mit 450 Millionen Euro ausgestaltet hat, packen Sie noch ein bisschen drauf und schreiben Sie sie auf 30 Jahre fest. Das Zinsänderungsrisiko lösen wir über einen Altschuldenfonds. Sie können dann mindestens 60 % bis 70 % der Mittel tilgen, und zwar unter Beteiligung der Kommunen in Nordrhein- Westfalen.
Das wäre ein echter großer Wurf, aber doch nicht die Festschreibung des Zinsänderungsrisikos bei 1 % oder weniger. Das ist die Aufgabe, die es hier zu lösen gilt.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zurufe von Monika Düker [GRÜNE] und Daniel Sieveke [CDU])
Sie haben weitere Spaltungen vorgenommen – 120 Millionen Euro Investitionspauschale, die Sie vorweg abziehen wollen. Das wäre eine gute Idee, wenn es sich um Landesgeld handelte. Sie aber lassen die 120 Millionen Euro wieder durch die steuerschwachen Kommunen finanzieren, um in steuerstärkeren Kommunen Pro-Kopf-Mittel auszuschütten. Das ist falsch, das ist unsolidarisch und löst die Probleme in Nordrhein-Westfalen kein bisschen!
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zuruf von der SPD: So ist es!)
Sie tun so, also würde Ihnen das alles vom sofia-Gutachten vorgeschrieben werden. Nach Berechnungen des Städtetages führt allein die Veränderung der Soziallasten bei den Stärkungspaktkommunen zu Verlusten in Höhe von 50 Millionen Euro. Das sind keine Peanuts, sondern das sind zweistellige Millionenbeträge allein in der Stadt Essen. In der Stadt Essen liegt der Sportzuschussbedarf bei rund 12 Millionen Euro. Sie kürzen mal eben den Sportetat der Stadt Essen komplett weg. Das sind keine Marginalien, Frau Ministerin! Das sind die Auswirkungen der Politik, die Sie heute eingebracht haben.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Das stärkste Stück, was Sie sich im Hinblick auf Ihre Wahlversprechen geleistet haben, ist die Integrationspauschale. Sie haben sich im Vorfeld der Wahl besoffen geredet. Ich will Ihnen die Fakten gerne noch mal auf den Tisch legen: 434 Millionen Euro betrug die Pauschale und beträgt sie immer noch. Dazu kann ich aus Ihrem Wahlprogramm zitieren:
„Die durch den Bund dem Land Nordrhein-Westfalen zur Verfügung gestellte Integrationspauschale werden wir künftig zwingend und ohne Umwege oder Kürzungen an die Kommunen weiterleiten.“
Sie leiten 100 Millionen Euro weiter – und das vor der Folie, dass 1,6 Milliarden Euro weniger Ausgaben für die Integrationspolitik beim Land liegen. Es ist doch ein Schauspiel, was Sie hier abliefern! Sie stellen die Kommunen schlechter, als sie bei Rot-Grün standen. Sie machen Ihre Politik nicht zugunsten der Kommunen, sondern Sie machen sich über die Kommunen lustig.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Zum Umgang mit den kommunalen Spitzenverbänden hat der Kollege Kämmerling vorhin schon etwas gesagt. Ich hatte ein informatives Treffen mit den kommunalen Spitzenverbänden. So viel sei gesagt: Minister Laumann hat es zum Beispiel nicht für nötig gehalten, das Landarztgesetz in die Verbändeanhörung mit den Kommunen zu geben. Wir werden dies zum Anlass nehmen, die kommunalen Spitzenverbände im Rahmen der AGS-Anhörung natürlich einzuladen.
So viel zur Zusammenarbeit mit den Kommunen in Nordrhein-Westfalen: Nicht einmal Fachgesetze, die sehr klar mit den Kommunen zu tun haben, werden mit ihnen erörtert, sondern ihnen einfach vor die Füße gelegt, Frau Ministerin.
(Minister Karl-Josef Laumann: Wieso das denn?)
–  Warum? Weiß ich auch nicht. Sie haben es ja gemacht. (Lachen von Christian Dahm [SPD])
Es gibt noch weitere Punkte, die Sie nicht bearbeiten. Sie haben vor der Wahl gesagt – Herr Kuper hat hier große Reden gehalten –, Sie wollen einen Unwetterfonds für die Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen einrichten. Wir hatten jetzt entsprechende Wetterereignisse – nichts kam von der Regierung.
(Zuruf von Ministerin Ina Scharrenbach) Sie legen nichts vor.
Beim Kommunalinvestitionsfördergesetz auf Bundesebene ändern Sie die Kautelen der Bundesregierung ab und schütten stattdessen mit der Gießkanne aus.
Wieder ist Minister Laumann dran: Bei der Krankenhausförderung haben Sie es geschafft, den größten Anteil in Höhe von 40 % von den Kommunen bezahlen zu lassen. Sie haben das erst mal ausgeschuldet und sich im Folgejahr zusätzlich zahlen lassen. Jetzt können sich die Kommunen zurücklehnen, weil Minister Laumann die versprochenen 200 Millionen Euro nicht in den Haushalt bekommen hat; deshalb fällt der Anteil auch nicht in dieser Größenordnung an.
Ich kann dazu nur sagen: Das ist Politik gegen die Kommunen. (Minister Karl-Josef Laumann: Nein!)
Sie haben so viel Geld im Haushalt! Sie haben 5 Milliarden Euro mehr Steuereinnahmen im Haushalt. Sie sparen bei der Flüchtlingsunterbringung. Nutzen Sie das Geld, um den Menschen in Nordrhein-Westfalen zu helfen, und geben es nicht für irgendwelche Showprojekte aus.
(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])
Stärken Sie die Kommunen! Stärken Sie die Solidarität der Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen. Sorgen Sie dafür, ein faires GFG auf den Tisch zu legen und mehr Geld für die Kommunen und für die kommunale Selbstverwaltung bereitzustellen. Das ist die Aufgabe, die hier in Nordrhein-Westfalen ansteht.
(Beifall von den GRÜNEN)
Eine letzte Bemerkung zu den Investitionspauschalen: Dort tritt der gleiche Mechanismus ein wie beim Vorwegabzug der 120 Millionen Euro. Sie stecken keinen einzigen Cent mehr in das Gemeindefinanzierungsgesetz, um das an dieser Stelle noch einmal sehr deutlich hervorzuheben.
Sie haben es vorhin selbst gesagt: Sie haben an den Kautelen nichts verändert. Allein die Steuermehreinnahmen führen zu der Summe, die hier ausgeschüttet wird. Sie haben keine Verbesserung vorgenommen, aber Sie nehmen Verschlechterungen in der Struktur vor. Die Erhöhung der Bildungspauschale und der Sportpauschale – das kann man richtig oder falsch finden – führt nicht zu einem Cent mehr Geld im Haushalt der Kommunen; vielmehr schreiben Sie den Kommunen vor, wofür sie das Geld ausgeben.
Das führt aufgrund der Struktur des GFG wiederum dazu, dass natürlich die steuerschwächeren Kommunen die Zeche für die steuerstärkeren Kommunen zahlen. Das sind die Mechanismen, die Sie hier ausbreiten.
Herr Kollege Hoppe-Biermeyer hat angekündigt, die Einwohnerveredelung für 2020 abzuschaffen. Jetzt werden sich eine ganze Menge Städte und Gemeinden die Simulationsrechnung sehr genau anschauen.
(Henning Höne [FDP]: Das hat niemand angekündigt! Was für ein Unsinn!)
Sie werden sehr genau prüfen, was da auf sie zukommt. Dann werden die Verluste in Essen in Höhe von 10 Millionen Euro möglicherweise eher Kleckerbeträge sein.
(Christian Dahm [SPD]: So ist das! Das stimmt!)
Ich fordere Sie auf, Frau Ministerin: Spalten Sie nicht die Städte und Gemeinden in Nordrhein- Westfalen. Lösen Sie die großen Aufgaben: der Altschuldenfonds, eine bessere Finanzierung der Stärkungspaktkommunen und eine bessere Investitionsrücklage für die Städte und Gemeinden. All das bleiben Sie bislang schuldig. Sie legen keine Konzepte auf den Tisch – weder für die Grundsteuersenkung noch für alles andere. Sie ändern die Struktur zulasten der steuer- schwachen Städte und Gemeinden, lassen die Wahlversprechen von den Kommunen bezahlen und tun nichts für den Haushalt der Kommunen in Nordrhein-Westfalen.
Dieses GFG ist eine echte Baustelle. Wir werden uns sehr intensiv einbringen, um zu Verbesserungen zu kommen: zur Stärkung der Solidarität der Städte und Gemeinden und zur Lösung der Zukunftsaufgaben. – Herzlichen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)