Monika Düker: „Ich nenne Ihre Politik mutlos, ambitionslos und vor allen Dingen auch konzeptlos“

Gesetzentwurf der Landesregierung zum Haushalt 2018 und 2019

Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Frau Präsidentin!
Herr Lienenkämper, Herr Löttgen und bedauerlicherweise auch Herr  Kollege Kutschaty, Sie haben heute leider meine Erwartungen voll erfüllt. Keiner von Ihnen hält es für nötig, zu erwähnen oder hat mitbekommen, dass der Klimawandel in diesem Land nicht in einer fernen Zukunft liegt, sondern bereits jetzt schmerzlich zu spüren ist  – nicht erst durch den Dürresommer. Herr Kollege Löttgen, der Einsatz großer Teile der Bevölkerung im Hambacher Wald hat auch  etwas damit zu tun, dass die Mehrheit in diesem Land einen schnellen Kohleausstieg will und Sie dazu auffordert.
(Beifall von den GRÜNEN)
Das Einzige, was Ihnen, Herr Löttgen, zu diesen vielen friedlichen Protestierenden im Hambacher Wald einfällt, ist, sie alle als linksextremistische Steinewerfer abzustempeln.
(Josef Hovenjürgen [CDU]: Das hat er doch nicht gemacht! Unverschämt! – Zuruf von der SPD: Natürlich hat er das gemacht! –Weitere Zurufe)
Und wir wiegeln die natürlich auf.
(Unruhe – Glocke)
Mit dieser Kriminalisierung verlassen Sie einen demokratischen Diskurs um eine der zentralen Fragen für die Zukunft unseres Landes. Eine Regierung, die in der Causa Sami A. – sagen wir mal etwas hemdsärmelig – die Gerichte ausgetrickst hat, die muss uns nichts von den Spielregeln des Rechtsstaats erzählen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich sage nur: Wer lesen kann, ist hier klar im Vorteil. Ich empfehle Ihnen die Lektüre der aktuellen Studien zum Klimawandel, die in diesem Jahr veröffentlicht wurden. Sie alle mahnen  konsequentes Handeln der Politik an. So fordert das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung einen beschleunigten Kohleausstieg. Es hält die Abschaltung sämtlicher Braunkohlekraftwerke bis 2030 und sämtlicher Steinkohlekraftwerke bis 2040 nicht nur für möglich, Herr   Pinkwart, sondern auch für dringend erforderlich. Tun wir das nicht, so warnt die Agora-Studie – das steht alles nicht im Wahlprogramm der Grünen, sondern wird von Wissenschaftlern so aufgeschrieben, dass die Kosten durch den unterlassenen Klimaschutz für den Staat jährliche Mehrausgaben in Milliardenhöhe bedeuten.
Herr Lienenkämper, deswegen hat das auch etwas mit der Haushaltsdebatte zu tun; denn auch die sprudelnden Steuereinnahmen werden Ihnen dann nicht mehr weiterhelfen.
(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Minister Prof.Dr. Andreas Pinkwart)
Die sogenannte Heißzeitstudie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung analysiert eine sich selbst verstärkende Erderwärmung und betont die Gefahr durch sogenannte unumkehrbare Kipppunkte. Um die Chancen zur Vermeidung einer Heißzeit zu verbessern, fordert das Institut eine weitaus entschlossenere, beschleunigtere Minderung von Treibhausgasimmissionen. Mit diesen neuen Forschungsergebnissen, Herr Pinkwart, Herr Laschet, darf es kein business as usual in der Energie-, aber auch nicht in der Mobilitätspolitik dieses Landes geben.
(Beifall von den GRÜNEN)
Diese Landesregierung darf nicht zur Klimaschutzbremse werden. Wir sind das Energieland Nummer eins, und wir müssen zeigen, dass die Transformation einer Industriegesellschaft gelingt,
(Zurufe von Minister Prof. Dr.Andreas Pinkwart, Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE] und Arndt Klocke [GRÜNE])
und zwar klimaschonend. Wir nehmen hier eine Schlüsselrolle ein. Denn bei uns stehen europaweit – nicht nur deutschlandweit, sondern europaweit – die ältesten
(Anhaltende Unruhe – Glocke)
und ineffizientesten Kohlekraftwerke. Herr Ministerpräsident, in Berlin ringt die Kohlekommission um einen gesellschaftlichen Konsens für den Kohleausstieg.
(Arndt Klocke [GRÜNE] und Christof Rasche [FDP] diskutieren kontrovers.)
Kommen wir doch mal wieder zur Sache, Herr Rasche! Diese Kommission bietet eine historische Chance für einen breiten gesellschaftlichen Aufbruch in eine moderne und klimaschonende Industriegesellschaft. Was hört man von der Landesregierung in Zeiten der Kohlekommission, wo ja alle entschiedenes Handeln einfordern?– Ich habe in einem Interview mit Minister Pinkwart in WDR 5 hören müssen, dass er eigentlich nur Fragen dazu hat. Diese Fragen müsse man sich jetzt stellen; das müsse jetzt alles die Kohlekommission beantworten, und eigentlich habe man mit dem Thema überhaupt nichts zu tun. Dann gab es noch jede Menge Bedenkenträgerei, was alles nicht möglich sei, und damit endete das Interview. Herr Minister Pinkwart, das ist zu wenig, um in unserem Land eine beherzte Energiewende voranzutreiben, wenn Sie hier nur Fragen stellen,
(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart)
die bitte schön andere beantworten müssen. Kein Mut, keine Vision, kein Modernisierungswille! Währenddessen nennen die Investoren ihre Forderungen. Das habe ich bei einem Abend des  Landesverbandes Erneuerbare Energien NRW gehört. Dort war auch Ihr Staatssekretär zugegen, den Sie gerne danach fragen können. Die Investoren, die an der Energiewende mitwirken wollen – das sind nicht nur die Vertreter der Erneuerbaren –, fordern Entscheidungen, Planungssicherheit beim Netzausbau, beim Ausbau der Windenergie, beim Ausbau von Fotovoltaik und auch für den Strukturwandel. Ihre Aufgabe, Herr Laschet, Herr Pinkwart, wäre es jetzt nicht, Fragen zu stellen, sondern Antworten zu geben und Verantwortung zu übernehmen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich nenne nur mal einige Fragen, die an dem Abend thematisiert wurden, und auf die Ihr Staatssekretär keine Antworten hatte.
Eine Frage lautet, wie Sie den Anteil von NRW am Sektorziel in der Energiewirtschaft von 120 Millionen Tonnen CO2-Einsparung bis 2030 umsetzen wollen. Das steht nicht im grünen Wahlprogramm, sondern das steht im Klimaplan der Großen Koalition. Wir produzieren hier ein Drittel der bundesweiten Emissionen. Eine weitere Frage lautet, wie Sie das Ziel von 65 % Anteil Erneuerbare am Stromverbrauch bis 2030 umsetzen wollen. Auch hier gibt es viel zu tun. Schließlich ist da noch die Frage, wie Sie die Versorgungssicherheit klimafreundlich gestalten wollen. Sie reden doch immer davon, dass die Versorgungssicherheit gefährdet sei, wenn wir die Kraftwerke abschalten. Ja, dann sagen Sie doch mal, wie Sie das mit dem technisch Nötigen und Möglichen bewerkstelligen wollen. Das sind dezentrale Blockheizkraftwerke; hoch-effiziente, flexible Gas- und Dampfturbinen – die alle nicht am Netz sind, weil die Braunkohlenmeiler die Netze verstopfen – sowie intelligente digitale Technik für virtuelle Kraftwerke. Die Gaskraftwerke Hamm und Hürth sind nicht voll am Netz. Die brauchen wir aber, Herr Pinkwart. Was tun Sie dafür, dass sich das ändert?
(Beifall von den GRÜNEN)
Wie können Sie dabei mithelfen, die Marktbedingungen zu ändern – denn diese Schieflage hat ja etwas mit Marktbedingungen zu tun –, damit die bislang stillstehenden Kapazitäten bei den flexibleren und effizienteren Gaskraftwerken endlich ans Netz kommen? Vor allem: Wie wollen Sie den Strukturwandel im Rheinischen Revier gestalten? Da gibt es jetzt eine historische Chance, nämlich jede Menge Fördergelder vom Bund. Bewerben Sie sich da mit klugen Konzepten? Wer sich mal in Berlin umhört – das habe ich getan –, kann erfahren, dass das Wirtschaftsministerium – vorsichtig formuliert – etwas unambitioniert unterwegs ist und die Interessen NRWs nicht wirklich vertritt. Der Ministerpräsident – er ist gerade aus dem Saal gegangen – sollte das zur Chefsache machen, bevor wir hier vollkommen leer ausgehen, Herr Pinkwart.
(Beifall von den GRÜNEN)
Denn das können wir uns nicht leisten angesichts der Aufgaben, die vor uns liegen. Herr Laschet, es wäre jetzt auch Ihre Aufgabe, im  Rheinischen Revier die Trendwende anzusetzen. Wir haben letzte Woche hier im Landtag eine sehr angemessene Feier zum Ende der Steinkohle erlebt. Herr Pinkwart, der seinerzeit dem Kabinett an gehörte, hat 2007 sehr beherzt, sehr entschlossen und sehr mutig einen ausgesprochen sozialverträglichen Ausstiegsplan vorgelegt, der dann auch vom Kabinett besiegelt wurde. Sie wissen, wir haben Sie dabei immer unterstützt. Herr Pinkwart, wir würden Sie auch jetzt unterstützten, wenn Sie die Chance ergreifen würden, genau das Gleiche für die Braunkohle vorzubereiten.
(Beifall von den GRÜNEN)
Verspielen Sie diese Chance nicht! Ihre Aufgabe, Herr Pinkwart, ist es nicht unbedingt, an der Seite von RWE die Arbeit der  Kohlekommission im Hambacher Wald mit der Kettensäge zu sabotieren
(Beifall von den GRÜNEN – Josef Hovenjürgen [CDU]: Das ist doch abenteuerlich, was  Sie machen! Das ist abenteuerlich!)
und auf die Vorgängerregierung zu verweisen. Das geht immer, Josef Hovenjürgen. Aber Sie stehen heute in der Verantwortung, dieser Kohlekommission zum Erfolg zu verhelfen.
(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])
Und das heißt, alles dafür zu tun, damit erstens der Konsens mit dem Einsatz für ein Rodungsmoratorium zustande kommen kann,
(Josef Hovenjürgen [CDU]: Unglaublich!)
wenigstens bis zum Ende der Kohlekommission, damit die Umweltverbände die Kommission nicht verlassen. Zweitens gehört es genauso zur Verantwortung, jetzt die notwendigen landespolitischen Entscheidungen für den Ausstieg vorzubereiten. Ich nenne als Beispiel den Pofalla-Plan. Gut, es ist ein hypothetischer Plan, es ist auch kein grüner Plan, und er ist wenig ambitioniert. Aber wenn man nur mal den Pofalla-Plan durchrechnet, der einen Ausstiegspfad zwischen 2035 und 2038 vorsieht, kommt man zu dem Ergebnis, Herr Pinkwart: In Hambach, in Inden und in Garzweiler braucht man nur noch die Hälfte der genehmigten Fördermengen. Das heißt doch für diese Regierung, dass jetzt etwas gemacht werden muss: Sie müssen eine neue Leitentscheidung vorbereiten. Und das heißt auch: Es muss endgültig Schluss damit sein, dass RWE mit am Kabinettstisch sitzt.
(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart)
Mit Ihrer politischen Landschaftspflege, die wir alle zur Genüge  kennen – hier im Landtag sitzen einige, die auf der Payroll stehen –, konnte sich NRW immer einer sehr großen Koalition in den Kommunen und im Landtag sicher sein. Diese Zeiten müssen endgültig vorbei sein. Da draußen, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, verstehen die Menschen Ihre Politik nicht mehr. Immer mehr Menschen, Herr Löttgen, gehen auf die Straße. Das sind nicht alles Linksextremisten und Steinewerfer.
(Josef Hovenjürgen [CDU]: Das hat auch niemand behauptet! Das behaupten Sie!)
Die setzen sich für einen entschlossenen Klimaschutz ein, für eine schnellstmögliche Beendigung der Braunkohleverstromung. Das wird von einer breiten Mehrheit in der Bevölkerung getragen. Ihre wiederholten Versuche, dies zu diskreditieren, sind nicht nur unanständig, sondern sie zeigen: Je aggressiver Sie da sind, umso mehr fehlen Ihnen die Antworten für die entscheidenden Fragen bei der Energiewende.
(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])
Herr Hovenjürgen, Sie können uns jetzt Verrat an den Klimazielen oder am Klimaschutz vorwerfen  – Frau Scharrenbach ist nicht da, aber sie hat das gestern ausführlich gemacht –,  Scheinheiligkeit
(Josef Hovenjürgen [CDU]: Scheinheiligkeit ist das Mindeste und Verlogenheit!)
oder Heuchelei – Herr Hovenjürgen, das wär e doch noch ein Begriff für Sie –;
(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])
da ist noch viel Luft nach oben.
(Vereinzelt Beifall)
Geschenkt. Machen Sie das alles. Ist in Ordnung, Herr Witzel, klatschen Sie. Die gestrigen Unterstellungen von Frau Scharrenbach im Bauausschuss überschreiten eine jedoch  Grenze:
(Josef Hovenjürgen [CDU]: Machen Sie permanent!)
Sie hat gesagt, wir Grüne würden zu Gewalt aufwiegeln. Das ist eine ungeheuerliche Entgleisung dieser Landesregierung. Und auch Sie, Herr Pinkwart, verlassen, wenn Sie dies teilen, bei dieser wichtigen Frage endgültig die Basis eines demokratischen Diskurses,
(Beifall von Horst Becker [GRÜNE])
der von Sachlichkeit und dem Austausch von Argumenten getragen ist.
(Beifall von den GRÜNEN)
Vielleicht sollten Sie Ihrer Kollegin Scharrenbach mal sagen, dass Sie damit nicht nur uns treffen. Das wäre ja in Ordnung; unser Kreuz ist breit. Sie treffen damit nicht nur uns, sondern  Tausende von Menschen – da draußen im Hambacher Wald, auf den Straßen, in den Städten, die sich derzeit für einen schnellen Kohleausstieg einsetzen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Das wollen nämlich auch Ihre Wählerinnen und Wähler.
(Josef Hovenjürgen [CDU])
Zwei Drittel Ihrer Wählerinnen und Wähler – lesen Sie doch mal die Umfragen! – wollen den schnellen Kohleausstieg ebenfalls. Die Zeiten haben sich nun mal geändert. Jetzt komme ich zum Haushalt, Herr Lienenkämper.
(Zuruf von Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart – Zurufe)
Wer ein bisschen weiter denkt, der hat schon begriffen, dass das auch sehr viel mit der Haushaltspolitik zu tun hat.
(Christof Rasche [FDP]: Oberlehrerin!)
Welche Folgekosten schätzt denn das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, wenn wir all das nicht umsetzen, wovon ich gerade gesprochen habe? Lesen Sie doch mal die Studien!  Es schätzt Folgekosten bis zu 800 Milliarden Euro
(Zuruf von der FDP)
für Klimafolgeschäden, wenn wir den Klimawandel bis 2050 nicht beherrschbar halten. Das ist eine volkswirtschaftliche Katastrophe,  auf die Sie durch Ihr Nichtstun sehend zusteuern. Herr Lienenkämper, Sie haben gerade einen ziemlich coolen Job; denn Sie haben viel Geld. Man kann Sie nur beglückwünschen. Sie könnten jetzt die Weichen für die Zukunft und ein nachhaltiges Wirtschaften stellen. Mit sprudelnden Steuereinnahmen und üppigen Haushaltsüberschüssen könnten – Achtung, Konjunktiv!  – Sie gut und nachhaltig wirtschaften. Mit viel Selbstbeweihräucherung – auch heute wieder – verkünden Sie bei der Vorstellung der Haushaltseckpunkte die Haushaltswende. Nun fragt man sich, wohin sich denn das Ganze wendet. Aufgrund der Mehreinnahmen bei den Steuern, die nicht wegen, sondern trotz   Ihrer Regierung, ganz ohne Ihr Zutun, entstanden sind, können Siesich seit Regierungsübernahme umgerechnet über 5 Milliarden Euro mehr an Steuereinnahmen freuen. Dazu kommen noch Haushaltsüberschüsse.
Was macht die Regierung mit diesem unverhofften und  unverdienten Geldsegen? Man könnte nun den guten, alten Spruch zurate ziehen, der sicher noch in der einen oder anderen Küche hängt: Spare in der Zeit, dann hast du in der Not. Aber genau das gilt für diese Regierung nicht. Sie geben einfach alles aus. So einfach ist das. 30 Millionen Euro Schuldentilgung bei minimalen Einsparungen, die Sie in irgendwelchen globalen Minderausgaben verstecken – das ist nichts, Herr Lienenkämper. Das ist geradezu lächerlich im Verhältnis zu den Mehreinnahmen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Diese Alibigeschichten als Haushaltswende zu bezeichnen, ist der blanke Hohn. Was ist eigentlich aus Ihren hehren Ansprüchen  geworden, die Sie hatten, als Sie noch in der Opposition waren? Die FDP hat mit der Amnesie am wenigsten Probleme. Da wurde noch gesagt, alle neuen Ausgaben – das steht im Übrigen auch in  dem Wahlprogramm – würden durch Einsparungen gedeckt. Alles Schall und Rauch.
(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])
So stellt Ihnen der Landesrechnungshof für Ihre Finanzpolitik mit der Vorstellung seines Jahresberichts eine ziemlich glatte Note 5 aus.
(Zuruf von Josefine Paul [GRÜNE] – Gegenruf von der FDP)
So könnte man das nennen. Ich zitiere einige Überschriften, die ich nach der Pressekonferenz des Landesrechnungshofs in den Zeitungen gefunden habe:
(Weitere Zurufe von der FDP)
„Generalanzeiger“: Mangelhaft; „Kölner Stadtanzeiger“: Misswirtschaft, Intransparenz; „WZ“: Mahnung zu solidem Wirtschaften; „WZ“: NRW fehlt der Sparwille; „Rheinische Post“: NRW verschwendet Millionen; „Rheinische Post“ fordert im Kommentar: mehr investieren; „WDR“: Landerechnungshof kritisiert Geldverschwendung in NRW. Herr Minister, gute Presse ist meiner Meinung nach etwas anderes. Ein solches Zeugnis angesichts der Rahmenbedingungen und der Ausgangslage – das  ist schon eine echte Leistung  im negativen Sinne.
(Beifall von den GRÜNEN)
Man mag sich gar nicht ausmalen, wie Ihr Haushalt aussehen würde, wenn Sie nicht das Glück der späten Amtsübernahme und sprudelnder Steuereinnahmen gehabt hätten. Werfen wir einmal einen Blick in die vernichtende Bilanz des Landesrechnungshofs: Erstens. In Zeiten niedriger Zinsen und sprudelnder Steuereinnahmen müssten mehr Schulden abgebaut werden. Zweitens. Es wird viel Geld ausgegeben, aber nicht für dringend notwendige Investitionen. 
Und dann kommt Ihr Credo: „Konsolidieren, modernisieren, investieren.“ Ich frage mich, ob Sie uns und die Öffentlichkeit damit für dumm verkaufen wollen. Ihre Haushaltspolitik hat damit doch  nichts mehr zu tun. Bei den Investitionen sieht man die fehlende Nachhaltigkeit in der Haushaltspolitik am deutlichsten, aber auch woanders werden aus unserer Sicht falsche Schwerpunkte gesetzt. Ich nenne Ihnen einige Beispiele. Der Klimawandel und die Folgen.
Ja, selbstverständlich hat das etwas mit Haushaltspolitik zu tun! Vielleicht sollte das auch mal bei Ihnen ankommen.
(Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])
Dürresommer, Starkregen in Wuppertal, Unwetterschäden in Münster – das werden keine einmaligen Ereignisse bleiben! Wir brauchen mehr Unterstützung für die Kommunen, etwa  beim Hochwasserschutz oder zur Senkung der Hitzebelastung.
(Zuruf)
Da dümpeln dann so ein paar Ansätze in Ihrem Haushaltvor sich hin; die findet man unter „Klimafolgeanpassungen“: 800.000 Euro, habe ich da gelesen. Da wird nichts erhöht, da wird  nichts gemacht. Das ist zu wenig, Herr Lienenkämper! 
(Beifall von den GRÜNEN)
Stichwort: Glasfasernetzausbau. Herr Pinkwart, was hörten wir nicht alles über den Gigabit-Masterplan NRW. Ihre Überschriften sind ja immer ganz schön. Sie rechnen darin mit 7 Milliarden Euro für den Ausbau bis 2025. Schaut man in den Haushaltsplan, findet man nur noch 246 Millionen Euro, das sind 3,5 % dieser Summe. Der Rest kommt als Prinzip Hoffnung daher: Da wir schon irgendwie der große Geldsegen aus Berlin kommen. Auch das ist zu wenig. 
(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)
Stichwort: Finanzausstattung der Kommunen. Nach dem Stärkungspakt haben viele Kommunen in NRW zwar wieder  Luft unter den Flügeln, aber da stehen immer noch 26 Milliarden Euro Kassenkredite. Sie sind nicht über den Berg, sie müssen jetzt Schulden abbauen. Das heißt, wir brauchen den Altschuldenfonds. Dazu sagt die zuständige Ministerin in der „Rheinischen Post“ am 21. August 2018: „Wir setzen uns mit dieser Problematik sehr intensiv auseinander“, – immerhin –, „wir haben innerhalb  der Landesregierung aber noch keine abgeschlossene Meinung.“ – Was für ein Armutszeugnis nach einem Jahr Regierungszeit bei einem der drängendsten kommunalen Probleme.
(Beifall von den GRÜNEN)
Ich vermute mal, der Regierungspartner steht hier auf der Bremse. Am Ende kommt dann wieder ein Alibi dabei aus mit Zinsrisikoabfederung oder so etwas. Das bedeutet einmal mehr Steine statt Brot für die Kommunen.
(Beifall von den GRÜNEN)
Stichwort: Integration. Herr Stamp, wir brauchen einen Folgeplan zum rot-grünen Integrationsplan. Das war ja nicht der Abschluss,  sondern der Beginn dieser Integration. Es gibt noch viel zu tun: Bildung, Wohnen, Arbeitsmigration. Aber auch hier gibt es viele Leerstellen. Der Integrationsminister beschäftigt sich offenbar lieber damit, wie er Gerichte austricksen kann. Das bindet offenbar zu viele Energien, um einen Gefährder abzuschieben. Das desaströse Ergebnis hat Kollege Kutschaty ausführlich dargestellt. Da bleibt  offenbar nicht mehr so viel Zeit, sich darum zu kümmern, wie wir Integration weiter unterstützen können. Auch hier brauchen wir vermehrt Anstrengungen, damit die Integration zu einem Erfolg für  unser Land wird. Wir haben im Bildungsbereich eine Menge Leerstellen. Wir haben da zwar angefangen, aber wir sind noch lange nicht am Ende. Tun Sie da mehr, Herr Minister!
(Beifall von den GRÜNEN)
Das waren nur ein paar Beispiele dafür, wo wir andere Schwerpunkte in diesem Haushalt setzen würden. Statt  für diesegesellschaftlich elementaren Themen Konzepte für die Zukunft zu entwickeln und die Haushaltspolitik konzeptionell darauf auszurichten, darf sich die Heimatministerin über noch einmal 18 Millionen Euro mehr für Heimatpreise freuen. Vor allen Dingen kommen auch die Ministerien richtig gut dabei weg und können einen üppigen Stellenaufwuchs verzeichnen. Da kann sich die Bilanz allerdings wirklich sehen lassen, Herr Lienenkämper. Ich rechne zusammen: 139 Ministeriumsstellen im Nachtragshaushalt  2017, 258 Stellen im Nachtragshaushalt 2018 und jetzt – noch einmal ein Schluck aus der Pulle – 55 Stellen; das macht summa summarum 452 Stellen mehr in der Ministerialbürokratie.
(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Die wollte die FDP alle abbauen!)
Und – man höre und staune – eine besonders unverfrorene Selbstbedienungsmentalität legt dabei der Ministerpräsident an den Tag. In der Staatskanzlei hat er bislang insgesamt 62 Stellen mehr geschaffen. Besonders bemerkenswert ist das, weil Sie in diesem Landtag – Herr Witzel immer vorne weg – beim letzten Haushalt der rot-grünen Landesregierung in der Staatskanzlei noch Millionen an Einsparpotenzial sahen. Was sagen Sie denn jetzt dazu, dass Herr Laschet 62 Stellen mehr bekommt? Da müsste Ihnen doch der Kragen platzen!
(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])
Ich sehe nur diensteifriges Nicken. Der Ministerpräsident  hat am Anfang der Legislaturperiode gesagt – ich zitiere die „Rheinische Post“ vom 03.06.2017: „Rot-Grün hat die Ministerialbürokratie sehr stark aufgebläht.  Wir werden das nicht tun. NRW wird am Ende der Legislaturperiode nicht mehr Beamte und Angestellte in der Verwaltung beschäftigen als heute.“ Man höre und staune! Danach kamen noch diverse Ankündigungen zu Aufgabenkritik und Stellenabbau, was folgte, war aber immer nur eine weitere Erhöhung. So viel Widerspruch, Herr Lienenkämper, zwischen Reden, Anspruch und Handeln war in der Haushaltspolitik von Nordrhein-Westfalen selten zu sehen. Ihr Mantra vom „Konsolidieren, modernisieren, investieren“ ist eigentlich nur eine Worthülse. Konsolidiert wird in homöopathischen Dosen – irgendetwas wird schon übrig bleiben. Mit einer Kohlelobby-Politik von gestern betreiben Sie Modernisierungsverweigerung. Investiert wird vor allen in Bürokratie, aber nicht in Zukunft. Mein Fazit nach gut einem Jahr Regierungszeit, zwei Haushalten, zwei Nachtragshaushalten lautet: viel aufgeblasene Rhetorik, viel Selbstbeweihräucherung, viel Selbstlob, aber wenig Zukunftsweisendes.
(Beifall von den GRÜNEN)
Das mit dem Sparen und dem Schuldenabbau in den Wahlprogrammen war wohl nicht so richtig ernst gemeint. Das war eher so daher gesagt. Und so scheitern Sie einmal mehr an Ihren eigenen Ansprüchen. Sie lösen einmal mehr Ihre vollmundigen Ankündigungen vom Start Ihrer Regierung nicht ein. Was haben wir uns da nicht alles anhören müssen? Was haben Sie den Journalisten nicht alles in die Blöcke diktiert? Digitalisierungsdividenden, Effizienzsteigerungen, Bürokratieabbau, schonungslose Aufgabenkritik usw. usf. Diese wolkigen Versprechen entpuppen sich inzwischen als das, was sie sind und auch damals schon waren: die Lieblings-Sprechblasen von Herrn Lindner – das gehörte ja zu seinen Lieblingsbegriffen – und die zerplatzen gerade. Denn er wusste schon damals, dass das niemals in reale Politik umgesetzt würde. Mehr noch, Sie verkehren diese Ziele ins Gegenteil, blähen Ministerialbürokratie auf und bauen eben keine Stellen ab, wie Sie angekündigt haben. Soweit man schaut, bleiben Leerstellen in Sachen Klima und Umweltschutz. Sie haben keine Antwort auf die entscheidenden Herausforderungen dieses Jahrhunderts. Hören Sie endlich auf, die Leibgarde für den ins Wanken geratenen Energieriesen RWE zu geben; denn ihm fliegen die selbstgemachten Probleme gerade um die Ohren. Herr Pinkwart, Sie sind nicht dafür da, diese Probleme stellvertretend für den RWE-Konzern zu lösen, sondern das muss er schon selber tun. 
(Beifall von den GRÜNEN)
Zum Schluss komme ich zur FDP. Nun ja, sie zeigt einmal mehr – ich habe das schon in der Zeit von 2005 bis 2010 erlebt, dass sie in der Regierungsverantwortung zu einem Totalausfall in Sachen Bürgerrechte wird. Statt ein Bürgerrechtskorrektiv bei den üblichen Law-and-Order-Fetischisten vorzunehmen, kleben Sie sich selber den Sheriffstern an – Herr Lürbke macht das besonders gerne: schön groß und mitten auf der Brust.
(Zuruf von Henning Höne [FDP])
War das wirklich nötig, Herr Lürbke? 20.000 Menschen in Nordrhein-Westfalen auf der Straße, Mahnungen von Verfassungsrechtlern und Mahnungen von Ihren FDP-Granden – erst all das hat dazu geführt, dass Korrekturen beim Entwurf zum neuen Polizeigesetz angekündigt werden. Ich bin gespannt, was dabei herauskommt. Erfahrungsgemäß ist da auf die FDP am wenigsten Verlass – das habe ich schon in Ihrer Regierungszeit 2005 bis 2010 erlebt.
(Beifall von den GRÜNEN – Lachen und Zurufe von der FDP)
Es war Ihr Innenminister Ingo Wolf, der sich damals beim Bundesverfassungsgericht eine heftige Klatsche für sein Verfassungsschutzgesetz abgeholt hat. Ich fürchte, da hat sich bei Ihnen nicht viel geändert.
(Beifall von den GRÜNEN – Michael Hübner [SPD]: So ist es!)
In der Regierungserklärung vor einem Jahr hat der Ministerpräsident eine Politik von Maß und Mitte angekündigt – ganz der Landesvater. Ich nenne Ihre Politik mutlos, ambitionslos und vor allen Dingen auch konzeptlos. Herr Stamp, Herr Lienenkämper – Herr Laschet hat sich bei dieser Debatte schon vom Acker gemacht –, Sie regieren für die schnelle Schlagzeile und für die inszenierten schönen Bilder. Ich sage: Nein, diese Bilder taugen nicht als Entwurf für ein nachhaltiges Zukunftsprogramm  für NRW. Danke schön.
(Langanhaltender Beifall von den GRÜNEN)