Norwich Rüße: „An dieser Stelle konterkariert sich LEADER selbst“

Antrag der Fraktionen von GRÜNE, CDU, SPD, FDP zur Förderung der ländlichen Räume

Portrait Norwich Rüße

Norwich Rüße (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Einen guten Antrag kann man auch mal unterstützen. Wir sind dem Antrag gerne beigetreten, weil er ein Problem thematisiert, dem wir alle schon begegnet sind, wenn wir mit Akteuren vor Ort über den LEADER-Prozess gesprochen haben.
Bürokratie ist dabei ein großes Thema. Die Akteure beschweren sich immer wieder. Ich habe des Öfteren von Einzelnen die Aussage gehört: Wenn ich das vorher gewusst hätte, hätte ich mich gar nicht beteiligt. – Noch schlimmer ist die Aussage – immerhin wollen wir bürgerschaftliches Engagement stärken –: Ich habe es einmal gemacht, aber nie wieder.
An dieser Stelle konterkariert sich LEADER selbst; denn das Programm verfolgt schließlich den Ansatz, dass bürgerschaftliches Engagement vorangetrieben werden soll. Insofern ist der Anlass für diesen Antrag gegeben, und es ist gut, dass wir uns im Plenum damit beschäftigen.
Ich will aber noch einen anderen Grund nennen, weshalb es richtig ist, dass wir uns noch einmal intensiv damit beschäftigen. LEADER ist heute ein ganz anderes Programm, als es vor zehn Jahren war. Das Volumen von LEADER haben wir unter Rot-Grün noch einmal deutlich erhöht: Wir haben die Mittel verdreifacht und die Anzahl der Regionen verdoppelt.
Wenn man sich auf der Landkarte anschaut, wie viele LEADER-Regionen wir heute in NRW haben und wie viele wir vor zehn Jahren hatten, dann kann man feststellen, dass wir mittlerweile schon fast den Zustand Ostdeutschlands erreicht haben, wo LEADER flächendeckend ist. Wir befinden uns jedenfalls auf einem guten Weg. Ich glaube, dass es in unser aller Interesse ist, das Ganze voranzubringen und gut auszugestalten.
Wir wollen natürlich, dass die 75 Millionen €, die insgesamt im LEADER-Fördertopf enthalten sind, sinnvoll verwendet werden. An dieser Stelle werfe ich jedoch ein kleines „Aber“ ein; denn wir als Parlament und auch die Steuerzahler wollen, dass Rechenschaft darüber abgelegt wird, wie die Mittel verwendet werden. Wir wollen, dass eine gewisse Kontrolle stattfindet.
Das Anliegen des Antrags, Bürokratie einzudampfen, ist also richtig, aber man sollte durchaus auch die positiven Seiten hervorheben, die Bürokratie mit sich bringt – das Wort ist immer so negativ konnotiert –; denn sie sorgt dafür, dass die Mittel ordnungsgemäß verwendet werden.
Besonders schrecklich finde ich ein Beispiel aus Radevormwald. Da wurde im Rahmen eines LEADER-Projekts ein ehemaliger Tennisplatz zu einem Beachvolleyballfeld umgebaut. Im Zuge dieser Maßnahme wurde eine Ausschreibung für die Spielbälle verfasst, und im Bewerbungsverfahren wurde dann kritisiert, dass in den Unterlagen der beiden Bewerber einmal von „Beachvolleybällen“ und einmal von „Sandvolleybällen“ gesprochen wurde; das war also nicht einheitlich.
(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])
–  Herr Hovenjürgen, ich wiederhole das nicht, aber genau das ist das Problem. Darauf können wir alle gut verzichten. Das braucht keiner.
Eine Sache noch. Wir müssen uns noch einmal genauer anschauen, wer jeweils Urheber der Regulierung ist. Ich finde es gut, dass wir als Abgeordnete an dem ELER-Begleitausschuss teilnehmen können. Der Vertreter der EU-Kommission sagt ganz klar: Na, ihr seid es doch selbst. Das machen doch nicht wir als EU. – Die Antwort von unserer Seite ist dann immer: Wir machen das deshalb, weil ihr es genau so haben wollt. Ihr kontrolliert uns und übt dann Druck aus. – Es lohnt sich, da noch mal genau hinzuschauen.
In dem Antrag werden ausdrücklich die Bezirksregierungen genannt. Ich bin mir, ehrlich gesagt, nicht ganz sicher, ob das große Problem tatsächlich dort verortet ist.
Eins ist aber klar: LEADER ist ein ganz neuer Prozess für alle beteiligten Regionen gewesen. Ich glaube, dass man aus den Erfahrungen klüger geworden ist. Ich komme aus dem Kreis Steinfurt mit zwei LEADER-Regionen. Wir haben daher viel Erfahrung damit. Diese Regionen werden seitens der Verwaltung betreut, ihnen wird geholfen und sie werden unterstützt. Ich vermute, dass die Beschwerden gerade aus den Regionen stammen, die neu hinzugekommen sind. Immerhin muss man solch ein Verfahren erst mal erlernen.
Das soll nicht heißen, dass der Antrag keine richtige Zielrichtung hätte. Alles, was Bürokratie auf das notwendige Maß – und dieses notwendige Maß gibt es – herunterfährt und Überflüssiges abbaut, ist gut.
Von daher tragen wir Ihren Antrag mit und freuen uns darauf, in ein oder zwei Jahren nach dem aktuellen Stand zu fragen. Das interessiert uns immer. Wir können zwar immer Bekenntnisse zum Bürokratieabbau ablegen, aber wir wollen uns nach einiger Zeit auch darüber unterhalten, was daraus geworden ist.
Ich vermute, dabei könnte auch die Frage gestellt werden, warum es wieder nicht geklappt hat. Das Problem „Bürokratieabbau“ beschäftigt uns auch noch an anderer Stelle. Ob es die Anträge zum GAP-Verfahren oder die Bauanträge in der Landwirtschaft sind – überall wird gestöhnt: Es ist zu viel; wir brauchen externe Berater; wir können das nicht mehr selber machen. – Von daher ist das ein generelles Problem. Ich bin gespannt, was die Landesregierung hinbekommt. Wir werden kritisch nachfragen. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN)