Stefan Engstfeld: „Eine größere Transparenz und demokratische Legitimation können wir eigentlich gar nicht mehr herstellen“

Antrag der "AfD"-Fraktion zu Verfassungsrichterstellen

Stefan Engstfeld (GRÜNE): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mich angesichts des Eröffnungsspiels der Fußballweltmeisterschaft kurzfassen, weil ich der antragstellenden AfD-Fraktion die Möglichkeit geben möchte, ihrer Mannschaft, also Russland, noch die Daumen zu drücken und das Spiel zu verfolgen.
(Heiterkeit und Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der SPD – Zurufe von der AfD)
Deswegen ganz kurz: Man kann einen solchen Antrag zwar, wie Sie es tun, eben so ins Plenum reinschmeißen. Ich hätte aber erwartet, dass Sie dann, wenn Sie es ernst meinen, einen Gesetzentwurf entweder zur Änderung der Verfassung oder zur Änderung des Verfassungsgerichtshofgesetzes vorgelegt hätten. Dann hätten wir in aller Ernsthaftigkeit nachlesen können: Was sind die Kriterien? Wie soll so eine Ausschreibung aussehen? Wer sitzt überhaupt in diesen Prüfgremien? – Ich hätte also erwartet, dass Sie dann einen Gesetzentwurf vorlegen, aber doch nicht einfach so einen Antrag.
Zweiter Punkt – die Kollegin hat das schon ausgeführt –: Wir haben in der letzten Legislaturperiode lange über die Zusammensetzung des Verfassungsgerichtshofes und die Wahl diskutiert. Das Ergebnis ist bekannt. Wir haben einige Änderungen vorgenommen. Entscheidend ist: Alle Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter – alle ordentlichen Mitglieder und alle Stellvertreterinnen und Stellvertreter – werden demokratisch und transparent von diesem Parlament mit echter Zweidrittelmehrheit gewählt.
Eine größere Transparenz und demokratische Legitimation können wir eigentlich gar nicht mehr herstellen. Insofern freue ich mich auf die Diskussion mit Ihnen im Ausschuss.
Dritter Punkt: Wir haben den Unterschied zwischen geborenen Mitgliedern und Wahlrichtern abgeschafft. Damit haben wir die Gleichheit hergestellt, dass alle hier im Parlament gewählt werden können.
Damit ist es auch gut gewesen, glaube ich. Ich bin aber gespannt, wenn noch weitere Argumente von Ihnen kommen oder irgendwann vielleicht einmal ein Gesetzentwurf von Ihnen kommt, was wir da noch weiter zu diskutieren haben. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)
Vizepräsident Oliver Keymis: Vielen Dank, Herr Engstfeld. – Kommen Sie bitte noch einmal zurück ans Redepult. Es gibt eine Kurzintervention. Wir hatten das Lämpchen schon angeschaltet. Daran muss man sich ein bisschen gewöhnen. Dann sieht man das.
Stefan Engstfeld (GRÜNE): Ja, daran muss ich mich wieder gewöhnen. (Zuruf von der CDU: Er war ja eine Weile nicht da!)
Vizepräsident Oliver Keymis: Ja, genau. – Von der AfD-Fraktion ist eine Kurzintervention angemeldet worden. Herr Röckemann meldet sich noch einmal zu Wort. Bitte schön, Herr Röckemann.
Thomas Röckemann (AfD): Schönen Dank. – Mir scheint, dass Sie und Ihre Kollegen der Konsensparteien sich hier wieder einig sind. Wir haben das ja heute schon einmal erfahren.
Entweder können Sie unseren Antrag nicht verstehen, oder Sie wollen es schlicht und einfach nicht begreifen. Das bisherige Wahlverfahren bleibt in unserem Antrag gänzlich unberührt; damit haben wir kein Problem. Wir wollen lediglich zusätzlich ein Vorverfahren einführen, um sicherzustellen, dass die Hüter unserer Verfassung über jeden Vorwurf und Zweifel erhaben sind.
(Zuruf von der CDU: Bitte was?)
Die Verfassungsrichter in Nordrhein-Westfalen sollen aufgrund transparenter Kriterien ermittelt und nach dem verfassungsrechtlich abgesicherten Prinzip der Auslese der Besten und Geeignetsten ausgewählt werden. Ein ähnliches Verfahren wird übrigens auch am Europäischen Gerichtshof durchgeführt.
Schauen Sie sich dazu bitte einmal die aktuelle Stellenausschreibung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz an.
Da stellt sich mir die Frage: Was haben Sie eigentlich gegen ein transparentes und geregeltes Verfahren?
Bei dieser Gelegenheit – wenn alles immer schon so war – muss man sich einfach einmal die Frage stellen: Wussten Sie, dass auch die Blutrichter am Volksgerichtshof ohne Vorverfahren berufen worden sind? – Ich weiß: Von so etwas werden wir uns sicherlich alle abgrenzen wollen.
Vizepräsident Oliver Keymis: Bitte, Herr Kollege Engstfeld. Sie haben anderthalb Minuten zur Replik.
Stefan Engstfeld (GRÜNE): Erstens. Ihre Vergleiche sind für mich befremdlich.
Zweitens. Ich habe versucht, darzustellen, dass wir die Wahl, wie wir sie auch gestern durchgeführt haben, für demokratisch und transparent halten. Damit meine ich auch das Verfahren.
Drittens. Wir haben gestern alle ordentlichen und stellvertretenden Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes für zehn Jahre gewählt. Sie brauchen nur eine Wiedervorlage von gestern plus zehn Jahre zu machen. Dann wissen Sie, wann die nächsten Wahlen anstehen. So einfach ist das.

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