Matthi Bolte-Richter: „Die Digitalisierung der Verwaltung geht unter Schwarz-Gelb nicht wirklich voran“

Gesetzentwurf der Landesregierung zum E-Government

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Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich denke, wir alle erinnern uns an das Plakat der FDP aus dem letzten Wahlkampf, worauf ein junger Mann abgebildet war. Neben ihm stand der Spruch: „Die Digitalisierung ändert alles. Wann ändert sich die Politik?“ – Herr Minister, Sie waren nicht der junge Mann auf dem Plakat. Insofern richte ich die Frage an Sie: Wann ändert sich denn jetzt  etwas?
Wir diskutieren über die Umsetzung der E-Rechnung-Richtlinie der EU zur Verpflichtung öffentlicher Stellen, elektronische Rechnungen anzunehmen und zu verarbeiten. Sicherlich gibt es in dieser Debatte einen gewissen Konsens darüber, dass es nicht verkehrt ist, diese Richtlinie umzusetzen, aber angesichts Ihrer Ankündigungen und Ihrer großspurigen Versprechungen muss man schon fragen, ob diese geringfügige Verbesserung beim E-Government schon alles ist oder ob das nicht eher Kleinkram ist.
(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE])
Die Digitalisierung der Verwaltung geht unter Schwarz-Gelb nicht wirklich voran. Angesichts der Verzögerungen – Stichwort: Förderrichtlinie – droht diese zur Luftnummer zu verkommen. Ich habe gehofft, dass die versprochenen Fristverkürzungen, die Sie in den letzten Jahren immer gefordert haben, und die vollständige Umsetzung aller Maßnahmen, die wir mit dem rot-grünen E-Government-Gesetz auf den Weg gebracht haben, fünf Jahre vorzuziehen, in Ihrem Gesetzentwurf vorkommen, aber nichts dergleichen wird auf den Weg gebracht. Eine verbindliche Unterstützung der Kommunen gibt es ja auch nicht, außer für die paar Modellkommunen, die Sie jetzt einrichten wollen. Aber Sie müssen, wenn Sie Digitalisierung der Verwaltung ernst nehmen, jetzt endlich in die Fläche gehen. Wir brauchen nicht mehr nur Modelle.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, man muss sich vergegenwärtigen, dass dieser Gesetzentwurf nicht aus eigenem politischen Antrieb kommt, sondern einzig der Umsetzung von EU-Recht dient. Da fehlt uns bei Ihnen die Ambition, die Digitalisierung der Verwaltung konkret voranzubringen,
(Beifall von Gordan Dudas [SPD])
auch wenn Sie zumindest anerkannt haben, dass unser E-Government-Gesetz wohl ganz gut war, denn sonst würden Sie sicherlich etwas mehr ändern.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die vermeintlichen Digitalisierer sind mit so großen Versprechungen und schönen Bildern gestartet, und jetzt kommt so etwas. Es gibt nicht einmal eine verbindliche Vorschrift, nur noch elektronische Rechnungen zu akzeptieren, wie es etwa in Dänemark und in Estland seit Jahren Standard ist, sondern es bleibt dem Auftragnehmer überlassen, ob er seine Rechnungen elektronisch stellen möchte oder nicht. Wenn er sich aber dafür entscheidet, dann muss der Auftraggeber die Rechnung entgegennehmen. Ohne Verbindlichkeit – da bin ich mir sehr sicher – wird die Digitalisierung der Verwaltung nur im Schneckentempo vorankommen. Also ändern Sie bitte Ihre Politik.
Ich gehe davon aus, dass die Diskussion im Ausschuss knapp sein wird, so wie es Ihr Gesetzentwurf ja auch ist. Wenn das alles ist, was Sie zur Digitalisierung der Verwaltung liefern, dann bleiben Sie bei Ihrer Linie: Sie gehen nicht nach vorne, sondern machen mutlos Dienst nach Vorschrift. – Wir werden das natürlich an dieser Stelle und an anderen Stellen weiterhin kritisch begleiten. – Vielen Dank.
(Beifall von den GRÜNEN) 
Vizepräsidentin Angela Freimuth: Herr Kollege Bolte-Richter, es gibt eine angemeldete Kurzintervention des Abgeordneten Schick von der Fraktion der CDU. – Bitte schön, Herr Kollege Schick.
Thorsten Schick (CDU): Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Bolte-Richter, Sie sprachen gerade von Kleinigkeiten, die wir auf den Weg bringen. Ich weiß nicht, ob Sie nicht zugehört haben, als ich über eine Studie des BMI berichtet habe. Laut dieser Studie sind die Effizienzgewinne erheblich.
Darüber hinaus besteht gerade im Mittelstand der Wunsch, sehr behutsam vorzugehen, weil gerade Kleinstunternehmen etwas längere Übergangszeiten brauchen.
Wir sind also mit diesem Gesetzentwurf auf dem Weg, die Effizienzgewinne zu heben, aber dies mit Augenmaß. Damit tragen wir dafür Sorge, dass kleinere Unternehmen mitkommen.
Ich habe das Gefühl, Sie haben sieben Jahre lang auf der digitalen Standspur im Gänsemarsch Tempo gemacht und erzählen jetzt Leuten, was sie auf der Überholspur zu tun haben.
(Beifall von der CDU)
Das ist nicht die ganz feine politische Art. (Beifall von der CDU)
Vizepräsidentin Angela Freimuth: Bitte schön.
Matthi Bolte-Richter (GRÜNE): Lieber Kollege Schick, Sie müssen sich schon entscheiden, was Sie eigentlich wollen. Sie haben jahrelang kritisiert, dass alles nicht schnell genug geht. Jetzt gehen Sie mit Augenmaß, mit Maß und Mitte und mit langen Übergangsfristen voran. Ich wünsche mir tatsächlich mehr Verbindlichkeit, weil wir nur so – das haben alle Debatten, die wir in der letzten Zeit dazu geführt haben, gezeigt – vorankommen werden.
Das zeigt auch der internationale Vergleich. Ich habe eben das Beispiel Dänemark genannt. Dort ist die Entgegennahme von elektronischen Rechnung nicht als Möglichkeit vorgegeben, sondern dort ist verbindlich geregelt, dass bei öffentlichen Aufträgen nur noch elektronische Rechnungen angenommen werden. Das hat dort zu einer Digitalisierung nicht nur der Verwaltung geführt, sondern die Digitalisierung insgesamt vorangebracht. Dies sollten wir uns gemeinsam merken und ist wichtig. Das haben wir auch von Estland gelernt. Das hat die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung und die Digitalisierung insgesamt als gesellschaftlichen Prozess massiv vorangebracht. Deswegen ist es so wichtig, dass wir bei der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung vorankommen.
Ich habe nicht gesagt, dass Ihr Schritt falsch ist, sondern ich habe gesagt, dass es ein sehr kleiner Schritt ist. Es spricht nichts dagegen, den richtigen Schritt zu machen, aber es ist eben ein sehr, sehr kleiner Schritt. Diese Kritik müssen Sie sich tatsächlich anhören.